Vorarlberg

Zwischen “bestmöglicher Lösung“ und „Todsünde“

18.04.2024 • 19:16 Uhr
Zwischen "bestmöglicher Lösung“ und „Todsünde“
Eine Straße, viele Meinungen. Hartinger (3), Gemeinde Altach, Holzer

Die Reaktionen auf die Variantenstudie zur Altacher Lkw-Straße fallen gemischt aus. Der Bürgermeister ist zufrieden, für die Opposition bleiben wichtige Fragen ungeklärt.

Bürgermeister Markus Giesinger von der Altacher Volkspartei (AVP) präsentierte gestern auf einer Pressekonferenz das Ergebnis der Variantenstudie des Planungsbüros „Planoptimo“ für die geplante Lkw-Straße. Die NEUE-Recherchen bestätigten sich: Wie berichtet, fiel die Entscheidung zugunsten der Variante Kratten im Altacher Naherholungsgebiet aus.

Variantenpräsentation Lkw-Straße
Die Präsentation der Variantenprüfung mit Florian Hauser (l.) und Helmut Köll (r.) von Planoptimo. In der Mitte: Bürgermeister Markus Giesinger. Gemeinde Altach

„Diese bringt eine erhebliche Entlastung der Wohngebiete im Ort und führt im Vergleich etwa mit der Variante „Brühlgraben“ zu einer geringeren Belastung der dortigen Naherholungsräume. Mit entsprechenden Begleitmaßnahmen können negative Auswirkungen deutlich minimiert werden“, begründet Helmut Köll von „Planoptimo“ die Entscheidung. Die Varianten „Krebsenbachstraße“, „Bischofsrütti“ und „Brogerweg mit Umfahrung“, die ebenfalls geprüft wurden, würden nur zu einer Teilentlastung der Wohngebiete führen, heißt es. Insgesamt neun Ausführungen wurden vom Planungsbüro begutachtet.

Variantenprüfung durch Planoptimo

Variante 1: Ausbau Brogerweg und Kreisverkehr L 203
Variante 2: Ausbau Brogerweg mit A 14-Querung und Kreisverkehr L 203
Variante 3: Ausbau Brogerweg mit A 14 Querung, Kreisverkehr L 203 und Umfahrung
Variante 4: Ausbau entlang Brühlgraben
Variante 5: Ausbau Kratten (als beste Variante deklariert)
Variante 6: Einbahnring Ober Hub – Unter Hub
Variante 7: Ausbau Krebsenbachstraße
Variante 8: Ausbau Bischofsrütti
Variante 9: Ausbau Krebsenbachstraße und Einbahnring

Mit diesem Ziel ging die Alt­acher Volkspartei an die Planung: Die Gemeindestraßen Unter Hub und Große Wies werden von zahlreichen Lkw benutzt, die zu den dort ansässigen Betrieben fahren. Allerdings liegen an diesen Straßen auch zahlreiche Wohngebäude – ein Fehler in der Raumplanung, der nun durch die Lkw-Straße korrigiert werden soll.

Weitere Maßnahmen geplant

Mit der Lkw-Straße einhergehend sind weitere Entlastungsmaßnahmen geplant. So soll die bestehende Wegtrasse bepflanzt werden. Zudem ist ein allgemeines Fahrverbot für Kraftfahrzeuge im Naherholungsgebiet zwischen Rheinstraße und Schnabelholz geplant, Ausnahmen gibt es nur für Lkw über 7,5 Tonnen, die zum Gewerbegebiet oder zum Kieswerk Kopf zufahren, und für die Zufahrt zu den ansässigen landwirtschaftlichen Betrieben. Bestehende Fußgänger- und Radfahrrouten sollen aufgewertet werden, der Radverkehr zum Fußball-Nachwuchscampus des SCR Altach soll abseits der Lkw-Straße geführt werden. Am Wochenende und abends soll das Naherholungsgebiet verkehrsfrei bleiben.

PK Misstrauensantrag und Kies
Derzeit ist Kratten noch eine Fahrradstraße. Holzer

„Als Gemeinde sind wir nach langen Diskussionen und gründlichsten Untersuchungen gefordert, eine Lösung zu finden. In den letzten Jahren, ja Jahrzehnten, wurden verschiedenste Varianten geprüft. Wenn man es mit der Entlastung ernst meint, muss man auch irgendwann entscheiden“, erklärt Bürgermeister Markus Giesinger. Er sei „überzeugt“, dass man mit der Variante Kratten die bestmögliche Lösung umsetzen könne. „Gleichzeitig werden wir aber auch weiterhin an der direkten Anbindung des Gewerbegebietes an die Autobahn weiterarbeiten“, will Giesinger weiterhin einen Autobahnanschluss forcieren, um den sich schon sein Vorgänger Gottfried Brändle erfolglos bemühte.

Enttäuschung bei der Bürgerinitiative

Die Variante Kratten ist jedoch alles andere als unumstritten. Wie berichtet, formierte sich eine Bürgerinitiative zum Schutz des Naherholungsgebiets und sammelte mehr als 4200 Unterschriften gegen diese Straßenführung. „Wir sind enttäuscht, dass es so gekommen ist. Von den Unterschriften kamen mehr als 2000 aus Altach. Das ist knapp ein Drittel des Dorfes“, bedauert Initiativensprecher Bernd Schnetzer die Entscheidung.

Zwischen "bestmöglicher Lösung“ und „Todsünde“
Bernd Schnetzer ist Mitinitiator und Sprecher der Bürgerinitiative Naherholungsgebiet Altach. Hartinger

„Wir hätten uns gewünscht, dass dem mehr Gewicht eingeräumt wird. Wir haben viel getan, um die Bevölkerung zu informieren, aber es fühlt sich an, als hätte es nichts gebracht“, bringt er die Enttäuschung der Initiatoren zum Ausdruck. Bürgermeister Giesinger betonte in einer Aussendung, dass man sich bei der Variantenprüfung intensiv mit den Anliegen der Bürgerinitiative auseinandergesetzt habe.

Reaktionen aus der Opposition

Willi Witzemann, Gemeinderat der Bürgerliste Altach und Grüne, sieht mehrere offene Fragen: „Da wäre die Problematik mit der Einmündung der Lkw-Straße in die L 55. Kommt da eine Ampelschaltung? Das Problem wurde nicht gelöst.“ Auch die zusätzliche Bodenversiegelung von 600 Quadratmetern ist ihm ein Dorn im Auge: „600 Quadratmeter klingt zwar nach wenig, aber in Wahrheit ist jeder versiegelte Quadratmeter im Naherholungsgebiet zu viel.“ Bei manchen ÖVP-Hardlinern würde das Naherholungsgebiet erst beim Alten Rhein beginnen, so Witzemann. „Das heißt, für sie ist eine Landesgrünzone kein Naturschutzgebiet.“

Zwischen "bestmöglicher Lösung“ und „Todsünde“
Für Willi Witzemann bleiben einige Fragen offen. Hartinger

Für Heribert Hütter, den Vorsitzenden der SPÖ und Partei­freie, ist die Variante Kratten „der nächste Bock in 40 Jahren ÖVP-Verkehrsplanung“ und eine „Todsünde“. Die mehr als 4000 Leute, die die Petition der Bürgerinitiative unterschrieben haben, dürfe man nicht enttäuschen, betont Hütter. Seine Wunschlösung: Die von seiner Fraktion einbrachte Variante „Bischofsrütti“ für den Verkehr des Kiesabbaus, außerdem solle weiter für den Autobahnanschluss über die Raststätte Hohenems gekämpft werden.

PK Bürgerinitiative - Heribert Hütter
Heribert Hütter findet klare Worte in Richtung ÖVP. Holzer

Nun steht eine Abstimmung in der Gemeindevertretung zur Variante Kratten an. Die Causa geht also munter weiter.