Stehen bleiben ist nicht drinnen

Familie Meusburger-Flatz aus Bizau lässt sich seit vielen Jahren einiges einfallen, um am Markt zu bestehen: Zum Beispiel produziert sie den vielfach prämierten Käse am Hof selbst und hat die Landwirtschaft auf bio umgestellt.
Von Elisabeth Willi
E twas oberhalb von Bizau – auf der anderen Talseite thront die Kanisfluh – liegt der Ortsteil Hilkat. Kein Straßenlärm stört die Ruhe, die Wiesen stehen bereits in saftigem Grün. Eine Herde brauner, schwarzer und schwarz-weißer Kühe labt sich am ersten Gras, einige Tiere liegen und käuen wieder. So ähnliche Szenen haben sich wohl schon vor hundert Jahren in dieser abgelegenen, dünn besiedelten Parzelle abgespielt.

Hilkat-Hof
Seit mehr als hundert Jahren ist der Hof der Familie Meusburger-Flatz – heute auch als Hilkat-Hof bekannt – im Besitz der Meusburgers. „Hier haben schon Generationen vor mir gelebt“, verdeutlicht Jakob Meusburger (67). Manches hat sich seither nicht verändert, wie die grasenden Kühe und die majestätische Kanisfluh, anderes hat sich um 180 Grad gedreht. Jakob Meusburger hat noch Zeiten erlebt, in denen Pferde die Arbeit verrichteten, die heute Maschinen erledigen. Damals beschränkte sich die Landwirtschaft auf die Haltung von Kühen, einiger Schweine und ein paar Hennen. Heute werden all diese Tiere zwar ebenfalls hier gehalten, aber am Hof wird mittlerweile auch gesennt und ein Hofladen betrieben. Weitere, neue Aufgaben sind: Die Produkte des Bio-Hofes müssen vermarktet und teilweise an Kunden geliefert werden. An der – mittlerweile abgeschlossenen – Errichtung des Sonnenkraftwerkes am Hilkat-Hof können sich Bürger immer noch beteiligen und bekommen dafür Käse. Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen und sie dann auch umsetzen. Stehenbleiben ist in der heutigen Landwirtschaft nicht drin.

Biozertifizierter Bauernhof
Jakob und seine Frau Annemarie (70) Meusburger haben fünf Töchter. Die jüngste ist Lucia (30), die mit ihrem Mann Daniel Flatz (33) und den Söhnen David (2) und Noah (acht Monate) am Hof lebt. Die junge Familie hat den Betrieb übernommen, Jakob und Annemarie Meusburger helfen aber noch tatkräftig mit. Dass Lucia Flatz eines Tages die Bäuerin des Gehöftes wird, war nicht von Anfang an klar. „Ich bin hineingewachsen, weil es mir wichtig geworden ist, dass der Hof weitergeführt wird“, erzählt die junge Frau.
Seit 1994 ist der Bauernhof biozertifiziert, seit 1995 verarbeiten Meusburgers die Milch direkt am Hof. Nur während der Alpzeit bleibt der Sennkessel in Bizau leer. Früher sennte Jakob Meusburger, heute sein Schwiegersohn Daniel Flatz. Elf Sorten stellt er her; neben dem bekannten Bregenzerwälder Bergkäse finden sich in den Regalen Käse mit klingenden Namen wie „Casanova“, „Rochus“ oder „Magdalenar“.

Ausgezeichnete Käsesorten
Der Hilkater-Käse wurde schon oft ausgezeichnet. Beim Wettbewerb „Kasermandl“ belegten die Bizauer oft die ersten Plätze: Ihr Kräuterkäse wurde 2019 beispielsweise mit Gold ausgezeichnet, ebenso ihr „Winkäs“, und ihr Grillkäse landete im selben Jahr auf dem dritten Stockerlplatz. Aber auch bei den Bewerben „Hartkäse Österreich“ oder „Genusskrone Vorarlberg“ konnten die Hilkater Bauern Preise einheimsen.

Auf die Frage, warum ihr Käse so gut ist, antworten Daniel Flatz und sein Schwiegervater Jakob Meusburger, dass sie von der Heugewinnung bis zur Pflege des Käses im Käsekeller alles in einer Hand haben. „Wir können darauf schauen, dass von Anfang bis Ende alles passt. Wenn das einmal nicht der Fall ist, müssen wir die Konsequenzen selbst tragen. So lernt man“, sagt der Ältere. Außerdem gibt es bei den „Hilkatern“ keine Transportwege – die Milch kommt quasi von der Kuh ins „Kesse“ (Sennkessel). Sehr wichtig ist laut Jakob Meusburger zudem die Qualität des Futters und der Milch. Für ihr Heu wurde die Bauernfamilie übrigens schon mehrfach ausgezeichnet.

Tierschutzpreis
Ausgezeichnet wurden die Bizauer Landwirte auch für die Haltung ihrer Tiere: 2021 durfte sie sich über den Vorarlberger Tierschutzpreis freuen. Um ihre 18 Kühe artgerecht halten zu können, wurde ein geräumiger Laufstall gebaut. Daran angeschlossen ist ein Freigehege, das den „Ladies“ – wie die „Hilkater“ sie manchmal nennen – Auslauf rund um die Uhr ermöglicht. In der warmen Jahreszeit dürfen sie ohnehin täglich auf die Weide. Die Liegeboxen im Stall sind sogenannte Tiefboxen. Das sei für Bauer Jakob Meusburger zwar deutlich aufwendiger, steht auf der Homepage des Hofes geschrieben, „aber dafür können es sich unsere Kühe auf einer 30 Zentimeter hohen Strohmatratze gemütlich machen“, heißt es. Die „Hilkater-Kühe“, die genetisch hornlos sind, freuen sich außerdem über mehrere Regenduschen im Stall und eine Massagebürste im Auslauf.

Stierkälber
Die Themen „Muttergebundene Aufzucht“ und „Stierkälber“ werden auf der Homepage auch behandelt. In einem Milchbetrieb sei es unmöglich, die Jungtiere dauerhaft bei der Mutter saugen zu lassen, heißt es. „Dennoch ist es uns wichtig, Mutter und Kalb eine enge Beziehung zu ermöglichen“, steht im Internet geschrieben. Deshalb bleibe das Kalb nach der Geburt einige Stunden bei der Mutterkuh. Außerdem würden sich die beiden im Stall regelmäßig sehen können.

Über die männlichen Kälber schreibt Homepage-Verantwortliche Lucia Flatz, dass sie nicht auf Dauer am Hof sein können. „Aber wir tun unser Bestes, damit sie dennoch ein schönes Leben haben und nicht unter widrigen Umständen durch die Welt transportiert werden. Daher bleiben alle unsere Stierkälber mindestens sechs Wochen bei uns und werden mit Muttermilch aufgezogen. Dann werden unsere Kälber entweder von uns oder von anderen Bauern in Vorarlberg fertiggemästet und hier geschlachtet.“ Das sei finanziell keineswegs rentabel, aber: „Alles andere können wir mit unserem Gewissen nicht vereinbaren.“

Angesprochen darauf, warum die „Hilkater“ so offensiv mit kontroversen Aspekten der Landwirtschaft umgehen, antwortet Lucia Flatz: „Diese Themen lassen sich nicht schönreden, deshalb wollen wir offen darüber informieren. Unsere Kunden sollen sich nicht vorstellen, dass die Kälber neben ihren Müttern auf der Weide herumspringen.“
Homöopathische Gesundheitsvorsorge
Ein Blick auf die Homepage offenbart auch ein Thema, das nicht so heikel, dafür aber umso interessanter ist: Die Bizauer Bauernfamilie betreibt seit Jahren homöopathische Gesundheitsvorsorge bei ihren Tieren. Dank Globuli und Hausmitteln könne eine ernsthafte Erkrankung oft verhindert werden, heißt es im Internet. Das bedeute nicht, dass der Tierarzt nichts mehr auf dem Hilkat-Hof zu tun habe, aber: „Die Homöopathie ist eine Ergänzung und Unterstützung“, erklärt Jakob Meusburger beim Besuch der NEUE am Sonntag. Die homöopathische Medizin und die Hausmittel werden zum Beispiel eingesetzt, wenn sich ein Tier nicht wohl fühlt, nicht frisst oder wenn ein Fuß verletzt ist.

Hausmittel wurden wahrscheinlich schon vor hundert Jahren auf dem Hilkat-Hof angewendet. Manches ändert sich nicht, anderes sehr wohl. Die Familie Meusburger-Flatz weiß mit dem Wandel der Zeit umzugehen.