Wir wollten bewusst „unghörig“ sein

Interview. Die CampusVäre, Vorarlbergs kreativer Hotspot, wird 2025 bei der Weltausstellung in Osaka vertreten sein. Geschäftsführerin Bettina Steindl über Transformation und Innovation.
Was kann man sich unter der CampusVäre vorstellen?
Bettina Steindl: Die CampusVäre ist ein kollaborativer Konzern, eine alte Industriehalle am Campus V in Dornbirn, die wir in einen multifunktionalen Arbeitsort transformieren. Die Halle ist 12.000 Quadratmeter groß und beherbergt bereits ein riesiges Atelier mit zwölf Künstler:innen, das Designforum für Ausstellungen sowie Räume für Vorlesungen und praktische Projekte von Studierenden. Es gibt auch ein Materialteillager, in dem Bauteile gesammelt und wiederverwendet werden. Bis 2025 wird eine weitere Halle in Büroräume für Kreativschaffende umgebaut.
Die CampusVäre wird als „Raum der Transformation“ beschrieben. Was bedeutet das?
Steindl: Transformation ist mehr als Innovation, es geht um tiefgreifende Veränderungen. Wir wissen, dass die Zukunft anders sein muss – ob in der Wirtschaft, die vom linearen zum Kreislaufsystem übergeht, oder in der Gesellschaft, die gemeinwohlorientierter werden muss. Die CampusVäre zeigt, was entstehen kann, wenn man kollaborativ und spartenübergreifend zusammenarbeitet. Wir möchten einen Ort schaffen, der Vorarlbergs Tradition und Innovationsgeist verbindet. Der Spruch von Gebhard Wölfle „Wir ehren das Alte und begrüßen das Neue“ passt perfekt dazu. Als wir die Hallen zum ersten Mal betraten, waren sie seit über 20 Jahren verlassen. In einem Büro lagen noch eine alte Tageszeitung und eine verschimmelte Kaffeetasse. Wir haben das dokumentiert, denn ohne die Vergangenheit zu verstehen, kann man keine Zukunft gestalten. Heute führen wir Menschen durch die Hallen und erzählen ihre Geschichten. Eine Mitarbeiterin sagte einmal: „Mein Opa hat hier gearbeitet.“ Diese Verbindungen machen den Ort lebendig. Ein besonderer Moment war eine Führung mit einem ehemaligen Archivar, der 70 Jahre für die Firma FM Hämmerle gearbeitet hat. Er erklärte uns, was früher in den Hallen geschah – von der Schlosserei bis zur Elektrowerkstatt. Diese Geschichten zeigen, dass die Transformation der CampusVäre im Kern auch eine Fortsetzung ihrer Geschichte ist.

Welche Bedeutung hat ein Projekt wie die CampusVäre für Vorarlberg?
Steindl: Die CampusVäre ist ein zentraler Standortfaktor und ein Nährboden für Innovation und Kollaboration. Vorarlberg braucht Fachkräfte und kreative Köpfe. Die CampusVäre kann wie eine Universität wirken, die Aufgabenstellungen aus Wirtschaft, Gesellschaft oder Kultur aufnimmt und Lösungen entwickelt. Es ist ein Ort, an dem Herausforderungen bearbeitet werden, sei es aus einem Unternehmen, einem Verein oder einer Gemeinde. Unsere Region ist perfekt dafür geeignet. Wir haben eine beeindruckende Architektur- und Handwerkstradition, und das möchten wir mit modernen Ansätzen verbinden. Gleichzeitig zeigt die CampusVäre, dass der ländliche Raum ein Innovationsmotor sein kann.
Ihr seid eines von 89 Projekten, die Österreich auf der Weltausstellung 2025 in Osaka vertreten. Wie kam es dazu?
Steindl: Das Besondere an der CampusVäre ist der Entwicklungsprozess. Es geht nicht nur darum, eine Halle von leer zu voll zu machen, sondern Menschen und Ideen von Anfang an einzubinden. In Vorarlberg haben wir zuerst den Bedarf abgefragt, statt nur nach Vorbildern zu suchen. Wir wollten bewusst „unghörig“ sein, also anders. Das hat die Jury überzeugt. In der Einreichung habe ich beschrieben, wie wir Politik, Wirtschaft, Kulturschaffende und Kreative einbinden, während die Hallen noch im Umbau sind. Dieser prozessorientierte Ansatz wird in Osaka präsentiert.

Wie wird das aussehen?
Steindl: Wir sind digital im „Innovation Lab“ vertreten. Ein Video zeigt unsere Räumlichkeiten, unseren Prozess und die Menschen, die mit der CampusVäre verbunden sind. Mit Bildern und Texten machen wir unsere Arbeit erlebbar.
Braucht es für solche Projekte disruptive Elemente?
Steindl: Absolut. Disruption ist notwendig, um Komfortzonen zu verlassen. Wir mussten oft zwischen den Anforderungen der öffentlichen Förderung und der kreativen Arbeit vermitteln. Es beeindruckt mich, dass die Politik uns diesen offenen Prozess erlaubt hat. Wir haben die Freiheit bekommen, Dinge nachhaltig und schrittweise zu entwickeln, statt alles in kurzer Zeit fertigzustellen.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit in den Hallen?
Steindl: Es gibt einen regen Austausch. Die Künstlerinnen und Künstler treffen sich regelmäßig im Atelier, helfen einander gegenseitig und teilen ihre Ressourcen. Ein Beispiel: Der Gabelstapler wird zwischen den Hallen verliehen, oder jemand aus der Kunst hilft beim Aufbau einer Ausstellung im Designforum. Dieses Ökosystem ist das Herz der CampusVäre.
Wie beeinflusst die internationale Sichtbarkeit die CampusVäre?
Steindl: Die Teilnahme an der Expo 2025 in Osaka ist ein wirklich großer Schritt. Aber auch jetzt arbeiten wir bereits überregional. Wir sind gut mit der Kreativwirtschaft Austria und anderen Netzwerken verbunden. Es gibt Interesse aus Deutschland, zum Beispiel aus Regensburg und Baden-Württemberg, wo ähnliche Projekte entstehen sollen. Die CampusVäre dient dort als Vorbild, wie man Industrieareale erfolgreich transformieren kann.
„Unser Ansatz, die Politik, die Wirtschaft und auch Kreative früh einzubinden, hat die Jury der Weltausstellung überzeugt.“
Bettina Steindl, CampusVäre
Wo soll die CampusVäre in drei bis fünf Jahren stehen?
Steindl: Bis dahin soll Halle 4 fertig sein, mit einem offenen Innenhof, in den es hineinregnen kann. Es wird Arbeitsräume für 150 Menschen, ein Foodlab, Werkstätten und mehr geben. Die CampusVäre soll ein Vorbild für kollaboratives Arbeiten werden – nicht nur in Vorarlberg, sondern auch international. Es ist auch eine Anerkennung der Arbeit, die wir bisher geleistet haben. Dieser Moment – zwischen Tradition und Moderne – war sehr bewegend.

Was bedeutet es für Sie persönlich, dass die CampusVäre bei der Weltausstellung vertreten ist?
Steindl: Es ist eine riesige Ehre und eine Anerkennung der Arbeit, die wir bisher geleistet haben. Ich erinnere mich genau, es war ein Samstag: ich war zu Hause in meinem alten Wälderhaus, als die Nachricht kam, und war überwältigt. Vorarlberg bei der Weltausstellung vertreten zu dürfen, ist etwas ganz Besonderes.
Wie wurde Ihr Projekt von offiziellen Stellen unterstützt?
Steindl: Ich bin unglaublich dankbar für die Unterstützung von Stadt und Land, besonders von Landesrat Marco Tittler und Bürgermeisterin Andrea Kaufmann. Das Vertrauen, das uns entgegengebracht wurde, ist bemerkenswert. Ich sehe die CampusVäre als Beispiel dafür, wie Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft funktionieren kann.