70 Prozent mehr Kokain, doppelt so viel Meth

Das jüngste abwasserbasierte Drogenmonitoring in Vorarlberg liefert Erkenntnisse über den Konsum von legalen und illegalen Substanzen.
Die Ergebnisse der Studie, die unter der Leitung von Univ.-Prof. Herbert Oberacher an der Medizinischen Universität Innsbruck durchgeführt wurde, zeigen signifikante Veränderungen seit der letzten Erhebung im Jahr 2020. Mit Fokus auf Prävention und Therapie betonte die Landesrätin Martina Rüscher bei der Präsentation die Bedeutung solcher Analysen für eine gezielte Gesundheits- und Sozialpolitik.
Die Ergebnisse im Überblick
Von den 23 untersuchten Substanzen stehen Nikotin und Alkohol weiterhin an der Spitze des Konsums. Der tägliche Alkoholkonsum liegt bei 0,7 Standardgläsern pro Person, während der Nikotinkonsum etwa drei Zigaretten pro Kopf beträgt. Cannabis bleibt die meistkonsumierte illegale Droge mit 65 Dosen pro 1000 Personen pro Tag. Dahinter folgen Kokain mit 16 Dosen und Amphetamin mit 5,2 Dosen. Besonders besorgniserregend sei der drastische Anstieg des Kokainkonsums um 70 Prozent sowie die Zunahme von Methamphetamin (114 Prozent) im Vergleich zu 2020.
„Die Ergebnisse spiegeln gesellschaftliche Trends wider, die sich auch europaweit beobachten lassen“, erklärte Oberacher. Der Schwarzmarkt für Cannabis und Kokain in Vorarlberg wird auf über 100 Millionen Euro jährlich geschätzt.
Regionale Unterschiede
Die Studie zeigt außerdem deutliche regionale Unterschiede. Der Drogenkonsum ist in urbanen Zentren wie Dornbirn und Bregenz höher als in ländlichen Gebieten. „Das bedeutet nicht, dass in ländlichen Regionen keine Drogen konsumiert werden, aber der Pro-Kopf-Umsatz ist in Städten signifikant höher“, so Oberacher. Überraschenderweise stellte sich heraus, dass der Tourismus keinen starken Einfluss auf den allgemeinen Drogenkonsum hat. Eine Ausnahme bildet jedoch Methamphetamin, dessen Konsum in touristischen Gebieten wie Lech und im Montafon anstieg.

Pharmazeutische Wirkstoffe
Erstmals untersuchte das Monitoring auch pharmazeutische Substanzen wie Antidepressiva, Schmerzmittel und Schlafmittel. Substanzen wie Venlafaxin, Citalopram und Paracetamol wurden in relevanten Mengen nachgewiesen. „Das Abwassermonitoring zeigt hier einen umfassenden Einblick in den Konsum dieser Substanzen, der bisher nur unzureichend dokumentiert war“, betonte Oberacher. Etwa drei Prozent der Bevölkerung nehmen regelmäßig Antidepressiva ein – eine Zahl, die mit epidemiologischen Daten übereinstimmt und eine gute Abdeckung der Behandlung vermuten lasse.
Gesundheitspolitik
Die gewonnenen Daten fließen direkt in die Weiterentwicklung der Psychiatrie- und Suchtstrategie Vorarlbergs ein, wie Alexandra Kargl, Vorständin der Abteilung Soziales und Integration, erklärte: „Wir planen passgenaue Angebote, die sowohl regionalen als auch altersbedingten Unterschieden Rechnung tragen.“ Ein Beispiel ist das „Taktisch Klug“-Programm, das präventiv auf Festivals und Partys tätig ist, sowie das seit Kurzem ins Regelsystem überführte Drug Checking. Hier können Drogen anonym getestet und eine umfassende Beratung in Anspruch genommen werden.
„Vorarlberg ist nicht nur ein Genussland, sondern auch ein Konsumland“, stellte Philipp Kloimstein, Primar der Stiftung Maria Ebene, fest. Die Ergebnisse zeigen, dass Suchterkrankungen quer durch alle Gesellschaftsschichten verbreitet sind. Besonders auffällig sei der Kokainkonsum, der Vorarlberg im österreichweiten Vergleich auf Platz eins bringt. „Im europäischen Kontext liegen wir jedoch hinter Städten wie Zürich oder Amsterdam“, relativierte Kloimstein.
Prävention und Therapie
Die Bekämpfung des Drogenkonsums erfordere eine umfassende Strategie. Während Cannabis und Kokain weiterhin dominieren, sind Alkohol und Nikotin nach wie vor die Substanzen mit den größten gesundheitlichen Auswirkungen. „Nikotin ist immer noch die häufigste Ursache vermeidbarer Todesfälle“, erklärte Kloimstein und betonte die Notwendigkeit weiterer präventiver Maßnahmen, insbesondere für Jugendliche.
Auf die Frage zur Anschlussbetreuung nach einer stationären Behandlung, ergänzte Kargl: „Sucht ist eine chronische Erkrankung, die kontinuierliche Unterstützung erfordert.“ Neben den stationären Einrichtungen der Stiftung Maria Ebene gebe es zahlreiche niederschwellige Angebote, wie die Beratungsstellen von „Clean“ oder „Die Fähre“. Diese Strukturen sollen durch eine neue Sucht- und Psychiatriestrategie gestärkt und weiterentwickelt werden.