Vorarlberg

“Mehr als nur Räume voller Bücher”

24.01.2025 • 08:00 Uhr
"Mehr als nur Räume voller Bücher"
Vor kurzem noch eine Baustelle, jetzt ein warmer Rückzugsort. Canva/Gemeinde Lustenau/Hartinger

Die neueröffnete Bibliothek in der Lustenauer Pontenstraße birgt viele kleine Besonderheiten und Details. Für Bibliothekarin Alexandra Jank ist es ein Ort des Seins und des Zusammenkommens.

Um moderne, innovative Konzepte zu finden, die ihre Aufgabe nicht nur darin sehen, Bücher herzuleihen, muss man nicht zwingend in eine urbane Großstadt wie Berlin oder Kopenhagen fahren. Ein kurzer Abstecher nach Lustenau reicht völlig aus, um ein großstädtisches Büchereikonzept zu finden.

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Alexandra Jank ist die Leiterin der Bibliothek. Hartinger (13)


Die neueröffnete Bücherei in der Pontenstraße in Lustenau bietet einen konsumfreien Raum für jeden und jede, der oder die sich darauf einlassen will. Schon beim Eintreten in das nunmehr hochmoderne Gebäude fällt das angenehme Lichtkonzept auf. So oft wie möglich wird dem Tageslicht die Möglichkeit geboten, die Räumlichkeiten zu fluten. Aber noch etwas fällt auf: Ab dem Zeitpunkt, wenn die Türe hinter einem zufällt, wird man von einer bemerkenswerten Stille umgeben. Obwohl nicht wenige Kinder in den Gängen zwischen den Bücherregalen hin und her laufen und der kindlichen Euphorie geschuldet nicht immer mucksmäuschenstill sind, wird man von einer angenehmen Ruhe in die Tiefe der Bibliothek gesogen. Es scheint fast so, als hätte man eine fremde Welt, eine andere Sphäre betreten. Die Bücherei liegt direkt an einer befahrenen Straße, sobald man allerdings zwischen den Regalen steht, bekommt man davon nichts mehr mit.

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Kleine Details

Das Konzept ist ausgeklügelt, jedes Detail durchdacht. „Buchbar“, „trinkbar“ und „denkbar“ sind die Leitwörter, die sich durch die gesamte Bibliothek ziehen. „Der Begegnungsort steht im Fokus“, erklärt Alexandra Jank, Leiterin der Bücherei. Sie nennt die Bibliothek ein „multifunktionales Konzept“, alles hat eine, oder sogar mehrere Funktionen. So zum Beispiel die Bücherregale im vorderen Bereich des Erdgeschosses, die allesamt rollbar sind. „Diese Regale können zur Seite gerollt werden, wenn hier Veranstaltungen stattfinden“, sagt Jank. So kann mit minimalem Aufwand ein ganzes Zimmer freigeräumt werden.

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Die Regale können für Veranstaltungen zur Seite gerollt werden.


Aber damit noch nicht genug. An der hinteren Wand des Raumes steht ein kleineres, unauffälliges Bücherregal am Boden. Bei genauerem Hinsehen fällt eine Holzplatte auf, die bei Bedarf über das Regal geklappt werden und somit als Buffettisch verwendet werden kann. Außerdem findet sich im Eingangsbereich eine Art kleine Cafeteria, inklusive Kaffeeautomat zur freien Nutzung. Es wird nicht kontrolliert, ob der richtige Betrag pro Kaffee bezahlt wird. Jedoch findet sich ein kleiner Hinweis neben dem Automaten. Es kann mehr Geld als nötig eingeworfen werden, damit sich jemand anders gratis ein Getränk holen kann.

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Vor gar nicht allzu langer Zeit war von den modernen Räumlichkeiten noch wenig zu sehen. Gemeinde Lustenau

Für jeden etwas dabei

Der erste Bereich der Bibliothek ist der Kinderlektüre gewidmet. Ergänzt von einer treppenartigen Sitzmöglichkeit bietet der Raum Kindern die perfekte Möglichkeit zu schmökern, sich zu entspannen, oder kreativ zu sein. „Gerade Gruppen, wie Kindergärten oder Volksschulklassen, schätzen diesen Bereich sehr“, erzählt Jenk.

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Der Kinderbereich ist bereits sehr beliebt bei den Besuchern.


Der hintere Bereich des Erdgeschosses‘ ist der Jugend gewidmet. Von Graphic Novels über Comics und Romane ist für junge Menschen alles dabei. Auch hier gibt es an jeder Ecke Rückzugsmöglichkeiten. Oder besser gesagt hinter jedem Vorhang. Die grauen Schleier umschließen die in Grün gepolsterten Sitzmöglichkeiten und ziehen sich durch das gesamte Raumkonzept. Sie können jederzeit nach Belieben zugezogen werden, erklärt Jank. Doch besonders auffällig ist der große Bildschirm. Hauptsächlich wird er als Infoscreen verwendet werden. Doch auch auf den ein oder anderen Filmabend können Besucher und Besucherinnen gespannt sein. „Das darf jetzt alles wachsen“, sagt Jank. Sie blickt gespannt in die Zukunft und darauf, wie sich die Bibliothek in all ihren Einzelheiten entwickeln wird.

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Der Blick nach oben

In einer Bibliothek wandert der Blick in den seltensten Fällen an die Decke. Doch in jener in Lustenau würde es sich durchaus rentieren. Ein kleines Glasfenster gewährt einen Blick ins Obergeschoß. „Man soll neugierig werden.“ Alexandra Jank lächelt. Man merkt, die Bibliothek ist ein Herzensprojekt für sie. Doch die Luke in der Decke soll nicht ausschließlich neugierig machen, sie trägt auch ein bisschen Historie in sich. „Hier führte früher die Metalltreppe ins Obergeschoß“, erklärt Jank. Ein Glasfenster als Memoire an eine Treppe. Nur eines der vielen durchdachten Details. Über der Treppe hängen kleine, runde, schwarze Lampen von der Decke. Ein zierliches Detail, das der Bibliothekarin aber Freude bereitet. „Die Lämpchen erinnern mich ein bisschen an Glühwürmchen.“ Wer die neue Treppe nicht verwenden möchte, oder kann, dem steht seit dem Umbau ein Lift zur Verfügung. „Es war uns enorm wichtig, dass mit dem Umbau jetzt alles barrierefrei wird“, bekräftigt Jank.

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Der Blick vom oberen Stock durch das Fenster im Boden.


Im Obergeschoß angekommen, erwartet einen nur noch ein einziger Raum, abgesehen vom Dock 20. Der Kunstraum ist von der Bibliothek aus nun ebenfalls barrierefrei zugänglich. Dieser Raum trägt die Bezeichnung „denkbar“. Er steht als Arbeitsplatz zur Verfügung. Schüler, die ihre Hausübungen machen, oder Referate vorbereiten, Leute, die nach der Arbeit hierherkommen, um ihre Buchhaltung zu machen. Ein weiteres multifunktionales Konzept der Bibliothek. „Wenn man zu Hause aus welchen Gründen auch immer nicht arbeiten, oder lernen kann, hat man hier einen Rückzugsort“, so Jank. Hier stehen auch Computer zur freien Verfügung.

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Auch sonst finden sich viele Fenster im Gebäude.

Eine versteckte Tür

Doch auch dieser Raum hat ein verstecktes Highlight zu bieten, was das Herz von so manchem Filmfan höherschlagen lassen könnte. Eines der Bücherregale kann mit Hilfe eines Schalters geöffnet werden. Dahinter befindet sich ein weiterer, kleiner Raum, in dem neue Bücher aufbewahrt werden. Solche, die erst ins System aufgenommen werden müssen.

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Für Filmfans bestens geeignet: Die versteckte Türe.


In einer Bibliothek verbringt man gut und gerne einmal länger als nur eine halbe Stunde. Dabei kann es durchaus passieren, dass man mehr als nur ein, zwei Bücher findet, die einen begeistern. Damit das Tragen nicht zur Belastung wird, stellt die Bücherei nachhaltige Taschen zur Verfügung, in die die Lektüre während des Aufenthalts in der Bibliothek geladen werden können. Die Tragtaschen sind aus Bauplanen angefertigt und wurden von einer Künstlerin aus Lustenau bereitgestellt. Bereits seit dem 2. Jänner ist die Bibliothek nun wieder geöffnet.

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Die Tragetaschen.
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Das DOC 20 ist direkt von der Bibliothek aus zugänglich.
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Gekommen, um zu bleiben

Das Team aus acht Personen rund um Alexandra Jank zieht bisher positive Bilanz. „Wir wollen dem entgegenwirken, dass solche Orte immer mehr verschwinden. Wir erleben, dass der Bedarf an solchen Räumen enorm groß ist“, so Jank.

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Mitarbeiterinnen Susanne Hohmann und Jasmine Etter (v.l.)

„Bei uns muss man nichts. Man kann einfach, wenn man offen ist, da sein. Für manche ist es der einzige Ort, an dem sie mal eine Stunde lang Ruhe haben, für andere ist der Tratsch mit uns an der Theke das Highlight der Woche. Es ist deutlich mehr als nur Räume voller Bücher.“ Junge Menschen werden mit einem großen Angebot an digitaler Lektüre abgeholt.

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Mitarbeiterin Jasmine Etter bei der Ausgabe der Bücher.


„Wir sind gekommen, um zu bleiben“, schmunzelt Jank. Die klare Entscheidung für den Standort in der Pontenstraße stellte sich als voller Erfolg heraus. „Es wertet die Gegend hier auf, es ist einfach etwas Besonderes.“ Um die 23.000 Medien finden sich in den Räumen der Bibliothek, darunter auch “Tiptois”, CDs und Filme. Regeln gibt es keine in der Bibliothek keine, erklärt die Leiterin. „Es gibt bei uns fast nichts, was man nicht darf, außer vielleicht Bücher werfen und schreien. Man darf und soll mitgestalten.“