Hinter den Kulissen der Gemeindewahl

Morgen wird in den Vorarlberger Kommunen über Gemeindevertretung und Bürgermeister abgestimmt. Das Wahlrecht hat dabei einige Kuriositäten parat.
1. Wer ist bei der Gemeindewahl wahlberechtigt?
Nebst den bekannten Kriterien – ein Mindestalter von 16 Jahren und keinen Auschluss von der Wahl aufgrund einer gerichtlichen Verurteilung – gibt es einen Fakt, der die Wahlen in den Gemeinden von jenen auf Landes- und Bundesebene unterscheidet. Bei den Kommunalwahlen dürfen nicht nur Österreicher zur Wahlurne in ihrem Heimatort treten, sondern auch die dort wohnhaften Staatsbürger jedes EU-Landes. Im Übrigen dürfen sich EU-Bürger auch zur Wahl für die Gemeindevertretung stellen – nicht aber in den Gemeindevorstand oder ins Bürgermeisteramt. Diese Gremien betreffen nämlich die Hoheitsgewalt und diese obliegt nur österreichischen Staatsbürgern.
2. Warum gibt es zwei Stimmzettel bei den Gemeindewahlen?
Die einfache Erklärung: Weil es sich um zwei getrennte Wahlen handelt. Einerseits wird die Gemeindevertretung gewählt, andererseits gibt es seit dem Jahr 2000 in Vorarlberg auch die Direktwahl des Bürgermeisters – und seither gab es Diskussionen um den Stimmzettel. Ursprünglich gab es einen für beide Wahlen, bis 2017 im Landtag die Trennung der Wahlzettel beschlossen wurde. Bei der letzten Gemeindewahl im Jahr 2020 wurden Gemeindevertretung und Bürgermeister erstmals mit verschiedenen Stimmzetteln gewählt, morgen ist das wieder der Fall.
3. Wer steht bei der Bürgermeisterwahl auf dem Stimmzettel an erster Stelle?
Diese Frage ist besonders bei der Bürgermeisterwahl spannend. Dort steht jener Kandidat ganz oben, dessen Fraktion die meisten Sitze in der Gemeindevertretung hat. Weil das nicht immer auf die Bürgermeisterfraktion zutrifft, führt das gelegentlich zu kuriosen Umständen. In Bregenz steht beispielsweise Roland Frühstück an erster Stelle auf dem Stimmzettel, weil seine ÖVP 15 Mandate hat. Der amtierende Bürgermeister Michael Ritsch steht an zweiter Stelle, denn seine SPÖ hat nur elf Mandate. Sollte es zu einer Stichwahl zwischen Frühstück und Ritsch kommen, würde der ÖVP-Kandidat wieder an erster Stelle stehen – selbst dann, wenn Ritsch im ersten Wahlgang mehr Stimmen geholt hätte. Ähnlich sieht es in Hard für Martin Staudinger (SPÖ) sowie in Höchst für Stefan Übelhör und in Lochau für Frank Matt (beide Grüne) aus: Auch dort hat die Bürgermeisterpartei nicht die Mehrheit in der Gemeindevertretung, sondern die ÖVP.
4. Was passiert, wenn nur ein Bürgermeisterkandidat zur Wahl antritt?
In diesem Fall finden die Wahlberechtigten nur einen Namen auf dem Stimmzettel vor, bei dem sie „Ja“ oder „Nein“ ankreuzen können. Um gewählt zu werden, braucht der Kandidat mindestens 50 Prozent der Stimmen. Ist das nicht der Fall, stimmt die Gemeindevertretung über die Besetzung des Bürgermeisteramts ab. Zur Auswahl stehen prinzipiell alle Mitglieder der Gemeindevertretung – unter anderem auch jener Bürgermeisterkandidat, der bei der Wahl abgelehnt wurde. In 30 Vorarlberger Gemeinden tritt morgen nur ein Kandidat an.
5. Was passiert, wenn kein Bürgermeisterkandidat antritt?
Wo sich niemand zur Bürgermeister-Direktwahl stellt, entscheidet ebenfalls die Gemeindevertretung. Das ist in 22 Gemeinden morgen der Fall. Findet sich übrigens auch kein Kandidat, über den die Gemeindevertretung abstimmen kann, so ist die Gemeinde handlungsunfähig. In solchen Fällen löst die Landesregierung die Gemeindevertretung per Bescheid auf, setzt einen Amtsverwalter und drei Personen als dessen Beiräte ein und muss weitere Versuche unternehmen, einen Bürgermeister zu finden. Gelingt das nicht, droht als letzter Ausweg die Auflösung und Fusion mit einer oder mehreren anderen Gemeinden.
6. Was ist eine Einheitsliste?
Bei der Gemeindevertretungswahlen stellen sich meist mehrere Listen zur Wahl. Ist das nicht der Fall und alle Kandidaten organisieren sich in einer gemeinsamen Fraktion, spricht man von einer Einheitsliste. Dafür ist eine Vorwahl vonnöten: Die Gemeinde schickt Listen der wählbaren Personen in die Haushalte, auf denen die wählbaren Gemeindebürger stehen. Daraus können potenzielle Kandidaten angekreuzt und somit eine Reihung ermöglicht werden. Kritik an diesem System gibt es aus datenschutzrechtlichem Blickwinkel: Für den informellen Vorwahlgang auf Meldelisten zurückzugreifen, ist datenschutzrechtlich problematisch. Eine Einheitsliste findet man bei der Wahl morgen in 39 Gemeinden vor.
7. Was ist eine Mehrheitswahl?
Ein Unikum in Österreich, das nur in Vorarlberg vorkommt, ist die Mehrheitswahl. Sie wird in Kommunen angewendet, in denen keine Partei oder Liste antritt zur Gemeindevertretungswahl antreten. Die Wahlberechtigten schreiben dort auf einen leeren Stimmzettel handschriftlich die Namen jener Gemeindebürger, die ihrer Ansicht nach in die Gemeindevertretung einziehen sollen. Die Anzahl der Namen variiert nach Bevölkerungsstärke in der Gemeinde, wobei immer doppelt so viele Namen auf den Stimmzettel geschrieben werden können, wie es Gemeindevertreter gibt – so werden auch die Ersatzmitglieder bestimmt. Ein Detail am Rande: Leben in einer Gemeinde zwei oder mehrere Personen mit demselben Namen, müssen die Wähler auf dem Stimmzettel weitere Angaben machen, beispielsweise das Geburtsjahr oder die Wohnadresse des Kandidaten.
8. Gibt es eine Mindestprozentzahl, um in die Gemeindevertretung einzuziehen?
Nein. Anders als bei der Landtagswahl, wo fünf Prozent der Wählerstimmen für den Einzug nötig sind, gibt es bei der Gemeindewahl keine Sperrklausel. Je nach Bevölkerungszahl in der Gemeinde gibt es zwischen neun und 36 Mandate in der Gemeindevertretung. Verteilt werden die Sitze nach dem d‘Hondtschen Verfahren. Nach diesem mathematischen Verfahren wird das Ergebnis (die Sitze in der Gemeindevertretung) auf die Listen verteilt.