Vorarlberg

Wahlarzt kritisiert veraltetes Kassensystem

21.05.2025 • 11:06 Uhr
Wahlarzt kritisiert veraltetes Kassensystem
Wahlarzt Dustin Schramm fordert verbesserte Systeme. Hartinger/Schäfer/Canva

Der Rankweiler Wahlarzt Dustin Schramm kritisiert das öffentliche Kassensystem. Es lasse zu wenig Zeit für gründliche Patientenbehandlung.

von Sarah Karina Schäfer

Das Problem der überfüllten Wartezimmer beim Arzt ist kein neues. Wenn man nach stundenlangem Warten endlich an der Reihe ist, entsteht nicht selten das Gefühl, dass für die eigentliche Untersuchung und Behandlung zu wenig Zeit bleibt. Ein Eindruck, den wohl kein Arzt seinen Patientinnen und Patienten vermitteln möchte – und der dennoch manchmal entsteht. (Die NEUE am Sonntag berichtete.)

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Wahlarzt und Allgemeinmediziner Dustin Schramm aus Rankweil sieht die Ursache dafür im aktuellen Kassensystem.
Im Gespräch mit der NEUE erklärt er, warum er sich bewusst gegen eine Kassenordination entschieden hat. Der Hauptgrund dafür: Zeit.

System veraltet

Schramm hat sich insbesondere auf Schmerzpatienten und chronisch Erkrankte spezialisiert, etwa auf Personen, die unter Long Covid leiden. Gerade diese Patientengruppe benötige besonders viel Zeit in der Behandlung. Eine ausführliche Anamnese könne hier schon einmal eine Stunde dauern. Zeit, die ihm als Kassenarzt laut eigener Aussage nicht zur Verfügung stehen würde. „Das Punktesystem der ÖGK ist veraltet und muss überarbeitet werden“, erklärt Schramm. Beim sogenannten Punktesystem werden die Ärzte nach Behandlungsform bezahlt. So entspricht ein Punkt 0,737 Euro für einen Allgemeinmediziner. Für eine Blutabnahme an der Vene erhält ein Arzt 15000 Punkte, also verdient damit ungefähr 11,06 Euro. Der zeitliche Aufwand der Behandlung wird dabei von der ÖGK nicht beachtet. „Meine Patienten brauchen Zeit. Das gibt mir das System nicht“, sagt Schramm.

Dr. Dustin Schramm
Dustin Schramm praktiziert in Rankweil. Schäfer


Deshalb würden ihm gelegentlich auch andere Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag ihre Patientinnen und Patienten mit komplexeren Krankheitsbildern überweisen, weil ihnen selbst die Kapazitäten für eine umfassende Behandlung fehlen.

Rund um die Uhr erreichbar

Auf Anfrage der NEUE bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), warum Kassenärztinnen und -ärzte offenbar derart unter Zeitdruck stehen, dass Patientinnen und Patienten an Wahlärzte verwiesen werden müssen, gab die ÖGK an: „Um Patientinnen und Patienten eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung gewährleisten zu können, optimieren die Österreichische Gesundheitskasse und die Ärztekammer gemeinsam das System laufend.“

Wahlarzt kritisiert veraltetes Kassensystem
Die ÖGK (Österreichische Gesundheitskasse) in Dornbirn. Hartinger


Zudem verweist die ÖGK auf sogenannte Disease-Management-Programme, die wissenschaftlich fundierte Behandlungspfade vorgeben und Ärztinnen und Ärzten einen gezielten Ressourceneinsatz ermöglichen, wie etwa das Schmerzboard für chronische Schmerzpatienten in Hohenems, wo ein Beratungsgespräch laut ÖGK schon einmal drei Stunden dauern kann. Trotz dieser Maßnahmen sieht Schramm weiterhin Reformbedarf im öffentlichen Krankenkassensystem und wird vorerst als Wahlarzt tätig bleiben.
Ein weiterer Grund, warum die Kassenordination keine Option für ihn wäre, ist die Tatsache, dass er als einziger Allgemeinmediziner des Gefängnisses in Feldkirch rund um die Uhr erreichbar ist. Hinzu kommen regelmäßige nächtliche Einsätze für die Polizei, etwa für Totenbeschauungen und Zwangseinweisungen.