Bürger gestalten ihre eigene Stromzukunft

Während am Lünersee Milliarden in ein neues Pumpspeicherkraftwerk fließen, setzt das Brandnertal auf eine andere Form der Energiewende.
Ein herrlicher Frühsommertag in Brand, vor dem energieeffizienten Gemeindehaus stehen zwei Männer in der Sonne: Klaus und Andreas Bitschi. Gemeinsam haben sie die „Erneuerbare Energiegemeinschaft Brandnertal“ (EEG) ins Leben gerufen. Es ist ein Statement für regionale Eigenverantwortung, gemeinschaftliches Handeln und eine nachhaltige Energiewirtschaft auf Augenhöhe.
„Wir haben dieses Projekt initiiert, um allen im Brandnertal zu ermöglichen, Teil der EEG zu werden“, erklärt Klaus Bitschi. Über 50 Mitglieder hat der Verein bereits gewonnen, darunter Privatpersonen, Gewerbebetriebe und große Stromverbraucher. Ziel sei es, bald 100 Mitglieder zu erreichen. „Das Interesse ist enorm. Die Menschen wollen wissen, woher ihr Strom kommt und was damit passiert.“
Großes Potenzial
Seit den 1970er-Jahren wird in Brand auf Kleinwasserkraft gesetzt. Heute ergänzen zahlreiche Photovoltaikanlagen, etwa auf öffentlichen Gebäuden, Hotels oder Wohnhäusern, die Energieerzeugung. „Das Potenzial ist groß“, sagt Andreas Bitschi, „und es ist weitgehend ungenutzt.“ Im gemeinsamen Netzgebiet, welches Voraussetzung für die Teilnahme der EEG ist, befinden sich die Gemeinden Brand, Bürserberg, Bürs und Lorüns. Das erlaubt einen gemeinsamen Energieaustausch, der durch reduzierte Netzentgelte und Entfall von Abgaben das System für Stromabnehmer und Stromporoduzenten interessant macht.
Die EEG macht auch besonders, dass sie als Nonprofit-Modell organisiert ist. „Natürlich haben wir gewisse Kosten, die wir decken müssen, aber wir arbeiten nicht gewinnorientiert“, sagt Klaus Bitschi. Die Mitgliedschaft ist bewusst niedrigschwellig gestaltet: Eine einmalige Einschreibegebühr von 40 Euro und ein jährlicher Mitgliedsbeitrag von 20 Euro ermöglichen die Teilnahme. „So können auch kleinere Haushalte oder Betriebe unkompliziert mitmachen.“
„Wir haben dieses Projekt initiiert, um allen im Brandnertal zu ermöglichen, Teil der EEG zu werden.“
Klaus Bitschi, Bürgermeister Brand
Die EEG macht auch besonders, dass sie als Nonprofit-Modell organisiert ist. „Natürlich haben wir gewisse Kosten, die wir decken müssen, aber wir arbeiten nicht gewinnorientiert“, sagt Klaus Bitschi. Die Mitgliedschaft ist bewusst niedrigschwellig gestaltet: Eine einmalige Einschreibegebühr von 40 Euro und ein jährlicher Mitgliedsbeitrag von 20 Euro ermöglichen die Teilnahme. „So können auch kleinere Haushalte oder Betriebe unkompliziert mitmachen.“

Günstig und ökologisch sinnvoll
Auch die Stromtarife können sich sehen lassen, gerade in Zeiten steigender Energiepreise. Private Mitglieder (NE7-ungemessen) der EEG zahlen beim
Bezug 12 Cent pro Kilowattstunde (netto), Gewerbebetriebe (NE7-gemessen) 13 Cent. Wer Strom einspeist, erhält zwischen 10 und 11 Cent, je nach Art und Leistung der Erzeugungsanlage. „Zusammen mit den stark reduzierten Netzentgelten liegen wir deutlich unter den üblichen Marktpreisen. “, sagt Bitschi. „Die Preise bleiben für die Abnehmer des Stroms außerdem stabil. Wir sind nicht den Schwankungen am internationalen Strommarkt ausgesetzt.“
Mit dieser Kombination aus ökologischer Verantwortung und ökonomischem Vorteil positioniert sich die EEG als echte Alternative zum klassischen Strombezug. Dabei ist es auch möglich, nur Strom zu beziehen, ohne selbst zu produzieren, was das Modell für noch mehr Menschen im Brandnertal interessant macht.
Vernetztes Denken
Besonders innovativ ist auch das Forschungsprojekt, das die EEG begleitet. Mithilfe eines digitalen Zwillings – also einer digitalen Abbildung aller Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen in der Energiegemeinschaft – werden in Echtzeit Daten analysiert. Ziel ist es, die Verteilung des Stroms zu optimieren. „So sehen wir genau, wo die Gründung einer lokalen EEG mit noch besseren Konditionen, ein weiterer Trafo oder ein Speicher den größten Nutzen hätte“, erklärt Andreas Bitschi. Die Ergebnisse fließen direkt in die Weiterentwicklung der Infrastruktur ein.
Großabnehmer wie die Bergbahnen oder Hotels, die jährlich mehr als eine Million Kilowattstunden und mehr verbrauchen, sollen Teil des Konzepts sein. „Die besten Ergebnisse erzielen wir, wenn man mehrere Maßnahmen kombiniert: Photovoltaik, thermische Sanierung, intelligente Heizsysteme“, so Bitschi. Es geht um Kreislaufdenken, nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich.
„Wir sind sicherlich keine Konkurrenz zu Großprojekten, aber wir möchten zeigen, dass auch im Kleinen und im Verbund einiges bewegt werden kann.“
Andreas Bitschi, Technik EEG Brandnertal
Ein Projekt für alle
„Wir sind derzeit noch in der Aufbauphase. Für den Start waren starke Partner wichtig, wie die So-Strom und Awipro aus Dornbirn als Dienstleister. Die EEG ist bereits produktiv und das Interesse zur Teilnahme ist ungebrochen groß“, sagt Klaus Bitschi. Dass er als einer der beiden Initiatoren Bürgermeister ist, sei zwar hilfreich für die Organisation, aber nicht entscheidend. „Der Verein hat eigentlich nichts mit meiner Funktion zu tun. Wir wollen das Projekt mittelfristig ganz in Bürgerhand übergeben.“ Das Ziel sei eine dezentrale, resiliente Energieversorgung, die im Fall eines Blackouts ebenso wie im Alltag zuverlässig funktioniert.
Die Energiegemeinschaft Brandnertal ist mit ihren Voraussetzungen wohl eine der aussichtsreichsten Vorarlbergs. Dass sie ausgerechnet dort entsteht, wo das Land Vorarlberg gemeinsam mit der vkw am zwei Milliarden Euro schweren Neubau des Lünerseewerks arbeitet, ist ein starkes Symbol, aber: „Wir sind sicherlich keine Konkurrenz zu Großprojekten, aber wir möchten zeigen, dass auch im Kleinen und im Verbund einiges bewegt werden kann“, sagt Andreas Bitschi.
EEG-Start in Lauterach
Informationsveranstaltung:
Der neue Verein „Erneuerbare Energiegemeinschaft Lauterach“ lädt zur öffentlichen Infoveranstaltung. Ziel ist es, das Modell verständlich zu erklären und sofort durchzustarten: Fördermittel sind gesichert, der Einstieg ist unkompliziert, auch ohne eigene PV-Anlage.
Wann: Donnerstag, 10. Juli, 19 Uhr
Wo: Hofsteigstraße 4, Lauterach

3 Fragen an …
… Heribert Strasser, Gründer und CEO So-Strom GmbH
1. Was bringt eine Plattform wie So-Strom für Energiegemeinschaften?
Heribert Strasser: Wir unterstützen selbstbestimmte Energiegemeinschaften. Die Entscheidungsträger vor Ort behalten die Hoheit über Mitglieder, Tarife und Daten. Der wirtschaftliche Wert bleibt in der Region. Das unterscheidet uns von unternehmerisch geführten Modellen. Zudem ist die laufende Abrechnung über unsere Plattform einfach, steuerlich korrekt und reduziert die Haftung für Vereinsorgane.
2. Wie profitieren Stromkundinnen und -kunden konkret?
Strasser: Bezieher zahlen weniger, Einspeiser bekommen mehr. Der Grund: Bei regionalen Energiegemeinschaften liegt die Netzkosten- und Abgabenersparnis bei rund 4,6 Cent brutto pro Kilowattstunde auf der Netzebene 7, wo Privathaushalte angeschlossen sind. Darüber hinaus bietet unsere Plattform maximale Transparenz, einfache Verwaltung und faire Kosten.
3. Was braucht es, damit Energiegemeinschaften flächendeckend funktionieren?
Strasser: Eine große Hürde ist der komplizierte Freigabeprozess beim Netzbetreiber. Einfacher wäre es, wenn das die EEG übernimmt. Damit wäre der Beitritt zu einer EEG gleich einfach wie der Wechsel des Stromanbieters. Zusätzlich wären gesetzliche Vorgaben für PV auf Neubauten sinnvoll. Denn jedes Modul senkt langfristig die Wohnkosten und die Abhängigkeit von fossilen Energien.