Vorarlberg

„Ich bin noch da“ – Leben mit metastasiertem Brustkrebs

11.10.2025 • 17:34 Uhr
„Ich bin noch da“ – Leben mit metastasiertem Brustkrebs
Sybille und Claudia wünschen sich mehr Aufmerksamkeit für die Krankheit und betonen, wie wichtig die Vorsorge ist. Stiplovsek (3), pinkribbon.at

Metastasierender Brustkrebs bedeutet, die Krankheit bleibt, für immer. Sybille (56) und Claudia (44) erzählen, wie sie mit dieser Gewissheit leben und wie viel Mut in alltäglichen Momenten steckt.

Die Sonne steht noch tief über Außerbraz, als Sybille Brandstetter morgens der NEUE am Sonntag die Tür öffnet. Auf den ersten Blick ist nichts Ungewöhnliches an der Gastgeberin zu erkennen, doch schon nach wenigen Sätzen ist klar, dass das hier kein Kaffeekränzchen wird. „Ich war jahrelang brav bei der Mammografie“, sagt die 56-Jährige. „Nur in der Corona-Zeit habe ich die Untersuchung rausgeschoben. Und genau da hat es mich erwischt.“

Diagnose Brustkrebs

Im November 2021 bekam sie die Diagnose Brustkrebs: metastasiert, also bereits gestreut. Eine OP war nicht mehr möglich. „Ich hab gespürt, irgendwas stimmt nicht“, erinnert sie sich. „Die Brust war heiß, gerötet, entzündet. Ich bin sofort zum Arzt. Der hat gehofft, es ist eine Entzündung, das war es aber nicht.“
Claudia Eckert nickt. Die 44-Jährige lebt seit sechs Jahren mit derselben Diagnose. „Bei mir haben sie die Metastasen in der Lunge erst spät erkannt“, sagt sie leise. „Ich war alleinerziehend, hab gewartet, bis ich gar nicht mehr konnte. Da war es eigentlich schon zu spät.“

„Ich bin noch da“ – Leben mit metastasiertem Brustkrebs

Claudia braucht Stöcke als Gehhilfen, eine Folge ihrer Hirnoperation im vergangenen Jahr. „Niemand hat mir gesagt, dass das passieren kann“, sagt sie. „Ich bin gelähmt aufgewacht, konnte mich nicht bewegen. Jetzt kann ich wenigstens wieder gehen – humpelnd halt. Aber ich bin noch da.“

Therapien

Sybille berichtet von den Wochen nach der Diagnose, von Ärzten, Plänen, Hoffnungen. „Eigentlich war alles klar: Chemo, Operation, Bestrahlung. Dann kam das PET-CT, und der Arzt hat gesagt: ,Was nicht passieren sollte, ist schon passiert.‘ Wir müssen den Plan ändern. Es hat schon gestreut, in die Knochen. Keine OP mehr.“ Sie klingt ruhig, fast sachlich. Vielleicht, weil sie sich arrangiert hat. Vielleicht, weil sie keine Kraft für Bitterkeit verschwenden will. „Ich hab dann Chemo bekommen, Immuntherapie. Das wirkt bis heute. Nur 2023 hatte ich eine Hirnmetastase. Die haben sie rausgeholt. Im Spital wollte ich nur, dass das Ding draußen ist.“

Claudia erzählt von ähnlichen Wegen, von Therapien, die nicht mehr wirken, und neuen Medikamenten, die Hoffnung geben. Beide Frauen haben einen HER2-positiven Tumor, eine besonders aggressive, aber mittlerweile gut behandelbare Form. „Früher war das fast ein Todesurteil“, sagt Sybille. „Heute ist es fast schon gut, wenn man das hat, weil die Forschung so weit ist“, ergänzt Claudia.

Gute Tage und andere

Der Alltag mit der Krankheit ist kein gleichmäßiger. Es gibt gute Tage, an denen sie spazieren gehen, lachen, kochen. Und es gibt die anderen. Tage, an denen jeder Schritt Kraft kostet. „Ich bin nicht mehr arbeitsfähig“, sagt Sybille. „Das war schwer zu akzeptieren. Ich habe unglaublich gern gearbeitet“, sagt sie wehmütig, während ihr die Tränen kommen. „Aber irgendwann findet man seinen Weg.“
Claudia stimmt ihr zu. „Ich hab vorher normal gelebt, war im Krankenhaus zur Therapie, aber sonst habe ich alles gemacht. Ich habe Gesang studiert. Drei Tage vor der OP war ich noch im Konservatorium.“

Heute nutzt sie ihre Stimme anders. Auf Instagram heißt sie „die.humpelheldin“. Dort erzählt sie von ihrem Alltag, zeigt, was hilft und was man lieber nicht sagt. „Ich will aufklären“, sagt sie. „Viele Menschen wissen gar nicht, was metastasierender Brustkrebs bedeutet. Sie glauben, das ist das Gleiche wie frühen Brustkrebs zu haben und danach geheilt sein. Ist es nicht.“

„Ich bin noch da“ – Leben mit metastasiertem Brustkrebs

„Ich war jahrelang brav bei der Mammografie. Nur in der Corona-Zeit habe ich die Untersuchung rausgeschoben. Und genau da hat es mich erwischt.“

Sybille Brandstetter (56),
Brustkrebspatientin

„Offenheit ist das Wichtigste“

Beide wünschen sich mehr Wissen in der Öffentlichkeit, aber auch im ganz persönlichen Umfeld. „Ich bin für Ehrlichkeit“, sagt Sybille. „Ich habe es meinem Sohn immer offen gesagt. Er war noch klein, als mein Mann an einem Hirntumor gestorben ist. Ich will nicht, dass er überrascht wird.“

„Mein Sohn war sechs, als ich krank wurde“, erzählt Claudia. „Heute ist er zwölf. Er weiß Bescheid. Kinder spüren sowieso, wenn etwas nicht stimmt. Ich finde, man soll ihnen die Wahrheit sagen, in ihrer Sprache. Aber wie sagt man einem Kind, dass seine Mama bald sterben könnte?“, fragt die 44-Jährige, mit zittriger Stimme und Tränen in den Augen. Was beide sich wünschen, ist kein Mitleid. „Mitgefühl, ja. Aber nicht dieses ‚Du Arme‘“, sagt Claudia. „Manchmal ist Schweigen schlimmer als eine dumme Frage. Lieber reden. Lieber fragen.“
Sybille engagiert sich heute in einer Brustkrebs-Selbsthilfegruppe: „Ich hab das erst nach zwei Jahren für mich entdeckt“, sagt sie. „Ich dachte immer, das sei nichts für mich. Aber es hilft, weil man mit Menschen redet, die das Gleiche erleben.“

„Ich bin noch da“ – Leben mit metastasiertem Brustkrebs

„Viele wissen nicht, was metastasierender Brustkrebs bedeutet. Sie glauben, das ist das Gleiche wie Brustkrebs zu haben und dann geheilt sein. Ist es nicht.“

Claudia Eckert (44),
Brustkrebspatientin

Meta-Ribbon

Im Oktober tragen viele Menschen die rosa Schleife. Sie steht für Hoffnung und Heilung. Doch wer genau hinschaut, erkennt inzwischen manchmal eine neue Version: das Meta Ribbon. Es ist das Symbol für Frauen, die mit einer metastasierten Brustkrebserkrankung leben.

Das helle Rosa steht für die Ersterkrankung, der mittlere Farbton für das Rezidiv, also das Wiederauftreten, und die dunkle Nuance für das metastasierte Setting: die unheilbare, aber behandelbare Form der Krankheit.

Nicht hoffnungslos

„Unheilbar heißt nicht hoffnungslos“, sagt Claudia. „Ich lebe seit sechs Jahren mit Metastasen, was früher undenkbar war. Es gibt so viele neue Therapien. Man darf sich nicht nur auf Statistiken verlassen und sich davon entmutigen lassen. Eine Statistik sagt über den Einzelnen nichts aus.“

„Ich lebe damit jetzt im vierten Jahr. Und ich gehe davon aus, dass es noch viele weitere Jahre werden“, sagt Sybille voller Zuversicht. „Man kann nicht planen, was das Leben bringt, aber man kann reden. Und das sollten wir viel öfter tun.“

Pink ribbon

Das Pink Ribbon – die rosa Schleife – steht weltweit für Solidarität mit Brustkrebspatientinnen und Bewusstseinsbildung für Früherkennung. 1992 von Evelyn Lauder und der US-Journalistin Alexandra Penney initiiert, wurde sie zum Symbol einer globalen Bewegung.

Seit 1994 gilt der Oktober als internationaler Brustkrebsmonat. In Österreich brachte die Krebshilfe das Pink Ribbon 2002 ins Land. Seither wurden mit Benefizaktionen und Spendenkampagnen über 2,5 Millionen Euro gesammelt.
Der 13. Oktober ist der Welttag der metastasierten Brustkrebserkrankung. Das dafür von der österreichischen Krebshilfe geschaffene Meta Ribbon zeigt drei Rosatöne: hell für die Ersterkrankung, mittel für ein Rezidiv und dunkel für das metastasierte Stadium – ein Symbol für Hoffnung trotz unheilbarer Diagnose.

Brustkrebs Vorsorge
Dr. Angelika Wolfrum (links) und Breast-Care-Nurse DGKP Elisabeth Lechner (rechts) im Gespräch mit einer Patientin. VLKH

Drei Fragen an… geschäftsführende Oberärztin Dr. Angelika Wolfrum, Gynäkologie und Geburtshilfe, LKH Feldkirch.

1. Ab wann sollten Frauen zur Mammografie gehen?
Wolfrum:
Eine regelmäßige Vorsorge dient der Früherkennung von Krankheiten. In der Regel sind Erkrankungen, welche man im Frühstadium erkennt, besser heilbar. Das heißt: Sie sind besser operierbar und brauchen eine weniger aggressive Therapie.
Das Mammographie-Screening ist für Frauen zwischen dem 45. und 74. Lebensjahr. Frauen zwischen dem 40. und 44. Lebensjahr und ab dem 75. Lebensjahr können sich auf Wunsch anmelden. Das Screening ist für Frauen ohne Beschwerden gedacht.

2. Was beeinflusst das Brustkrebsrisiko am stärksten?
Wolfrum:
Das Brustkrebsrisiko setzt sich aus nicht beeinflussbaren (biologischen) und beeinflussbaren Faktoren (Lebensstil) zusammen. Ein Faktor, der das Risiko an Brustkrebs zu erkranken, stark erhöht, ist eine erblich bedingte Veranlagung. Betroffene haben ein Risiko von bis zu 72 Prozent an Brustkrebs zu erkranken. Allerdings sind nur fünf bis zehn Prozent der Erkrankungen nachweislich erblich bedingt.
Ein erhöhtes Risiko haben auch Frauen mit Verwandten ersten Grades, die an Brustkrebs erkrankt sind. Ein weiterer Risikofaktor ist sehr dichtes Brustdrüsengewebe.
Unter den Lebensstilfaktoren sind insbesondere Übergewicht in der Menopause, Alkoholkonsum und eine kombinierte Östrogen-Gestagen Therapie zu nennen, welche länger als fünf Jahre eingenommen wird. Letzteres muss allerdings differenziert gesehen werden, da diese Therapie wiederum das Risiko für Darm- und Eierstockkrebs senkt.
Eine längere Stillzeit (mehr als sechs Monate), regelmäßige Bewegung, wenig Alkohol und ein normales Gewicht in der Menopause können sich risikoreduzierend auswirken. Frauen mit hochpositiver Familienanamnese für Brust- und Eierstockkrebs können sich beraten lassen. Gegebenenfalls ist eine intensivierte Früherkennung oder risikoreduzierende Operation zu erwägen.

3. Wie haben sich die Behandlungsmöglichkeiten verändert?
Wolfrum: Die moderne Brustkrebstherapie ist zielgerichteter und personalisierter geworden. Im operativen Bereich behandeln wir deutlich weniger radikal als früher und nehmen auch auf das Körperbild der Frau Rücksicht. Es geht um onkoplastische Operationsverfahren, ein ästhetisches Operieren bei maximaler onkologischer Sicherheit. Zahlreiche neue Medikamente wie Immun- und Antikörpertherapien oder Antikörper-Wirkstoff-Kombinationen haben die Heilungschancen verbessert.
Je früher ein Brustkrebs erkannt wird, desto größer sind die Heilungschancen. Im Frühstadium liegt die Überlebensrate bei über 95 Prozent – das zeigt, wie entscheidend die Teilnahme am Früherkennungsprogramm ist.