_Homepage

Verein “Omnibus”: Betroffene helfen Betroffenen

20.05.2024 • 18:30 Uhr
Verein "Omnibus": Betroffene helfen Betroffenen
Stefan Hagleitner arbeitet seit 2007 auf der Beratungsstelle.Klaus Hartinger

Die Beratungsstelle des Vereins „Omnibus“ ist Anlaufstelle für Menschen mit seelischen Krisen und psychiatrischen Diagnosen. Peer-Berater Stefan Hagleitner gibt Einblick in die Arbeit.

Gegründet wurde der Verein „Omnibus“ (für alle) 1998 von engagierten Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung. Ihre Motivation war die Tatsache, dass Menschen mit einer schweren psychiatrischen Diagnose keine Stimme hatten und der Gedanke der gegenseitigen Unterstützung sowie der Selbsthilfe. 1999 erfolgte der Eintrag ins Vereinsregister. Zwei Jahre später konnten in der Anton-Schneider-Straße in Bregenz Räumlichkeiten angemietet werden, die 2011 erweitert wurden und bis heute als Peer-Beratungsstelle, die 2001 als primäres Projekt des Vereins „Omnibus“, eingestuft wurde, dient. Peer kommt aus dem englischen und bedeutet „gleichgestellt, ebenbürtig“.

Eigene Erfahrungen

Alle Mitarbeiter der Peer-Beratungsstelle haben eigene Erfahrungen mit seelischen Krisen, psychiatrischen Diagnosen und deren Bewältigung. So auch Stefan Hagleitner, der seit 2007 in der Anton-Schneider-Straße arbeitet und den Verein seit den Anfängen kennt. In seinem Leben gab es viele Höhen und Tiefen, „ich habe schon viel mitgemacht“. Die Arbeit helfe auch ihm persönlich und er kann seine Erfahrungen weitergeben. „Im Austausch auf Augenhöhe wollen wir unsere Klienten unterstützen, um ein erfülltes und eigenverantwortliches Leben zu führen“, so der 54-jährige Bregenzer. „Wir können eine professionelle Hilfe natürlich nicht ersetzen, wir stellen auch keine Diagnosen. Wir wollen die seelisch Erkrankten und deren Angehörige mit unseren niederschwelligen Angeboten abholen, sie stärken und begleiten.“

Verein "Omnibus": Betroffene helfen Betroffenen
Stefan Hagleitner bei einer Telefonberatung. Klaus Hartinger

Zentraler Faktor Hoffnung

Dabei stellt das Recovery-Modell (Wiedergesundung) eine wichtige Leitlinie dar. Dieses Konzept schließt ein, dass es auch bei schweren psychischen Erkrankungen möglich ist, zu genesen. „Diese Hoffnung zu vermitteln und gemeinsam mit unseren Klienten umzusetzen, ist sicher eine unserer Hauptaufgaben“, sagt Stefan Hagleitner. „Hoffnung auf eine positive Entwicklung ist ein zentraler Faktor, der darüber entscheidet, ob Gesundungsprozesse in Gang kommen.“

Mehr Frauen als Männer

Mehr Frauen als Männer. Wer sucht die Peer-Beratungsstelle auf? „Menschen mit seelischen Krisen und psychischen Erkrankungen, unabhängig von der spezifischen Diagnose“, weiß Hagleitner. „Dabei sind auch viele, die schon in ärztlicher Behandlung sind.“ Auffallend: Laut Statistik nahmen im Jahr 2023 fast doppelt so viele Frauen wie Männer die „Omnibus“-Dienste in Anspruch. „Ich glaube, dass Frauen weniger Scham haben, darüber zu reden.“ Die Statistik zeigt auch, dass 2024 in den ers­ten vier Monaten gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr deutlich mehr Telefonberatungen und persönliche Gespräche durchgeführt wurden. Hagleitner: „Altersmäßig liegt der Durchschnitt bei gut 40 Jahren, aber auch jüngere Menschen sind herzlich willkommen.“

Das Angebot der Peer-Beratungsstelle in Bregenz umfasst neben Einzelberatungen (telefonisch, online, persönlich), Besuchs- und Begleitdienste, Krisenintervention, Trialoge, öffentliche Vorträge und Veranstaltungen auch Gruppen-Events.

Verein "Omnibus": Betroffene helfen Betroffenen
Die entsprechende Literatur. Klaus Hartinger

Raus aus dem Schneckenhaus

So wird zum Beispiel jeden Montag das Museumscafé besucht. „Die Betroffenen sollen aus ihrem Schneckenhaus herauskommen. Es ist ein offener Treffpunkt für alle außerhalb der Beratungsstelle und fördert die Selbstständigkeit und Integration zurück ins normale Leben.“ Neuerdings wird dieses Angebot auch in Feldkirch unter der Bezeichnung Begegnungstreffpunkt Jahncafé in der Jahnhalle angeboten. „Es wird gut angenommen und läuft erfolgreich.“ Gleiches gilt auch für die Naturwerkstatt mit dem Besuch in der Stadtgärtnerei Bregenz. Beide Angebote werden in Zusammenarbeit mit „Pro mente“ durchgeführt. Weiters können die Betroffenen in den Räumlichkeiten der Beratungsstelle bei den Selbsthilfegruppen für seelische Gesundung ihre eigenen Erfahrungen einbringen und sich gegenseitig stärken.

Alles in allem hat die Peer-Beratung des Vereins „Omnibus“ ein vielseitiges Angebot, das jeder freiwillig, kostenlos und anonym in Anspruch nehmen kann. Hagleitner: „Unsere Tür steht für alle offen.“

Verein "Omnibus": Betroffene helfen Betroffenen
Stefan Hagleitner im Gespräch mit der NEUE. Klaus Hartinger

25-jähriges Jubiläum

Seit mehreren Jahren organisiert der Verein „Omnibus“ gemeinsam mit „Pro mente Vorarlberg“ und HPE Vorarlberg noch das Polizeiprojekt. Auch ein Schulprojekt ist am Laufen. Weiters wird am Psychiatrie-Beirat der Vorarlberger Landesregierung teilgenommen und die zunehmende Vernetzung mit allen Partnern, die sich für die psychische Gesundheit der Menschen in Vorarlberg engagieren, vorangetrieben. „Omnibus“ ist seit der Vereinsgründung von einem zarten Pflänzchen zu einem starken Baum herangewachsen und feiert heuer am 20. September mit einem Tag der offenen Tür sein 25-jähriges Jubiläum.

Bis Ende 2009 wurde der Verein vom Bundessozialamt finanziert. Seit Jänner 2010 hat das Land Vorarlberg aus dem Sozialfonds die Bereitstellung der materiellen Ressourcen für die Arbeit übernommen. Weitere Informationen gibt es im Internet auf www.verein-omnibus.org.