S 18: “Derzeit herrscht ein Dialogstillstand”

Eugen Schneider von der Initiative „Lebensraum Zukunft Lustenau“ sieht in Gewesslers Plan, die S 18 aufzugeben, eine Chance, den Dialog über „andere umsetzbare Varianten“ wieder aufzunehmen.
In dieser Woche wurde ein weiteres Kapitel in der langjährigen Geschichte der S 18 aufgeschlagen. Ministerin Leonore Gewessler möchte Vorarlberg zur Aufgabe des Schnellstraßenprojekts S 18 bewegen (NEUE berichtete).
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Das Klimaschutzministerium schlägt dem Land in einem noch nicht unterzeichneten Arbeitsübereinkommen vor, den Streckenverlauf der S 18 aus dem Bundesstraßengesetz zu entfernen. Die Entlastung soll über niederrangige Straßen realisiert werden, die vollständig vom Bund finanziert würden.
Irritation
Der medial verbreitete Vorschlag des Klimaschutzministeriums sorgte bei Landeshauptmann Markus Wallner und Verkehrslandesrat Marco Tittler für Irritation. „Die Vorarlberger Bevölkerung erwartet zu Recht die schnellstmögliche Realisierung der Bodenseeschnellstraße und damit eine Verkehrsentlastung.“ An Ministerin Gewessler gerichtet, sagte Wallner: „Solche Vorstöße über die Medien zu kommunizieren, ist in Vorarlberg unüblich. Dies entspricht nicht den Erwartungen an eine konstruktive und transparente Zusammenarbeit.“ Wie das Verkehrsressort mitteilte, sind auch bis gestern noch keine offiziellen Unterlagen vom Ministerium beim Land eingegangen.

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Es führt kein Weg vorbei
Das Land sei allgemein offen für Gespräche über Alternativen. Allerdings betonte Wallner: „An einer hochrangigen Verbindung führt kein Weg vorbei. Sonst gibt es keine Entlastung.“ Er fügte hinzu: „Ich will eine Verkehrsentlastung für die betroffene Bevölkerung, vor allem in Lustenau und im gesamten unteren Rheintal. Wir brauchen dringend und so schnell wie möglich eine Verbindung zwischen den beiden Autobahnen auf beiden Seiten des Rheins. Seit 2016 ist die Bodenseeschnellstraße im Bundesstraßengesetz verankert. Das bedeutet, dass der Bund verpflichtet ist, diese Straße zu planen, zu bauen, zu erhalten und zu finanzieren. Es muss sich also um eine hochrangige Straße, also Schnellstraße oder Autobahn, handeln.“

„Wir erwarten von der Bundesministerin, dass sie ihren Verpflichtungen nachkommt und den gesetzlichen Auftrag zur Realisierung der Bodenseeschnellstraße endlich erfüllt. Die Bevölkerung und die Wirtschaft Vorarlbergs verdienen eine verlässliche und zukunftsorientierte Verkehrsinfrastruktur“, ergänzte Tittler. Unterstützung kommt diesbezüglich auch von der Wirtschaftskammer Vorarlberg und der Industriellenvereinigung.
Bessere Lösung geben
In dem noch nicht offiziellen Arbeitsübereinkommen weist das Klimaschutzministerium erneut auf die Vorteile einer niederrangigen Lösung hin – Gewessler hat bereits im Januar 2023 eine niederrangige Variante „Lustenau Süd“ ins Spiel gebracht. Dazu gehören etwa die Möglichkeit einer schrittweisen Realisierung und somit einer schnelleren Entlastung der Orte. Auch die „großen Genehmigungsrisiken“ des hochrangigen Straßenprojekts S 18 werden erwähnt. Und: Es müsse bessere Lösungen geben als eine Autobahn durch ein Naturschutzgebiet und die Trennung von Wohngebiet und Naherholungsraum.

Klar gegen S 18
So sieht es auch Eugen Schneider von der Initiative „Lebensraum Zukunft Lustenau“. „Unsere Bürgerinitiative ist gegen die S 18-CP-Variante und für einen sofortigen Planungsstopp. Auch die Volksbefragung in Lustenau hat eindrücklich gezeigt, dass die Bodenseeschnellstraße nicht erwünscht ist.“ Der überdimensionierte Straßenbau müsse aufhören. Schneider führt unter anderem den Klimawandel, Umweltschäden und die Bodenversiegelung an. „Anstatt Zeit und Millionen für die Planung eines für mich nicht genehmigungsfähigen Straßenprojektes zu vergeuden, sollten endlich vernünftige und umsetzbare Varianten seriös geprüft und ergebnisoffen im grenzüberschreitenden Dialog diskutiert werden.“ Dies sei derzeit nicht möglich. „Es herrscht Dialogstillstand, das ist das größte Problem.“
Eine Chance
Gewesslers Vorschlag, die Entlastung über niederrangige Straßen zu realisieren, sieht Schneider als Chance. „Es müssen sich alle beteiligten Gemeinden beider Grenzseiten zusammensetzen und darüber diskutieren, ob mit dem derzeitigen Straßenbestand, mit schonenden Zusatzbauten, eine Entlastung möglich ist. Klimafreundlich und auch mit Einbindung der Bahn.“
Bodenseeschnellstraße
Bei der projektierten Variante einer Bodenseeschnellstraße (S 18) handelt es sich um eine 8,5 Kilometer lange Ortsumfahrung Lustenaus, ausgehend vom Autobahnanschluss Dornbirn-West in die Schweiz nach St. Margrethen. Damit würde auch eine hochrangige Verbindung zwischen den beiden Autobahnsystemen der Schweiz und Österreichs geschaffen.
Für Schneider ist bei der Verkehrsproblematik im Rheintal, der Verbindung beider Autobahnen beidseits des Rheins, auch die Möglichkeit einer Verbindung auf kürzestem Weg zur Diskussion zu stellen. Zwar zwischen den beiden Autobahnen im Bereich zwischen Hohenems/Altach/Mäder/Koblach auf der österreichischen Seite und Diepoldsau/Kriessern/Montlingen/Oberriet auf der Schweizer Seite. Hier beträgt die Distanz zwischen den Autobahnen gut zwei bis drei Kilometer. „Diese Optionen haben noch keinen offiziellen Rückhalt, werden jedoch von Initiativen vielfach gewünscht. Diese Variante würde eine gesamtheitliche Sichtweise und eine Neuorientierung der Verkehrsproblematik mit Blick auf das gesamte Rheintal erfordern, was angesichts der Klimaproblematik auch notwendig wäre“, so Schneider. Eine weitere Lösungsmöglichkeit, die zur Diskussion steht, ist ein Kummenbergtunnel als Verbindung zwischen Koblach und Montlingen, vor allem für den LKW-Transitverkehr.

Gesamtes Rheintal
Apropos gesamtes Rheintal: „Es wird Zeit, dass die Landesregierung endlich das gesamte Rheintal für eine Verkehrsentlastung ins Auge fasst und sich nicht starr auf die S 18 als Allheilmittel fixiert. Bundesministerin Gewessler hat nun die Tür geöffnet, dass mehrere niederrangige Straßenlösungen auch vom Bund finanziert werden können. Voraussetzung dafür ist einerseits, dass die Landesregierung dies will und endlich handelt und andererseits, dass die gemeinsamen Arbeitsergebnisse mit der Schweiz aufgegriffen werden und es zu einer Entlastung entlang des gesamten Rheintals kommt“, so NEOS-Verkehrssprecher Garry Thür in einer Medienmitteilung.

Wann und wie der finale S 18-Vorhang fällt, ist also weiterhin offen. Eugen Schneider hofft jedenfalls, dass der Dialog aller Beteiligten wieder aufgenommen wird und das Verkehrsproblem nach dem aktuellen Stand inhaltlich diskutiert wird. Als Schutzmaßnahmen für die Lustenauer Bevölkerung kann er sich eine Temporeduktion, gerechte Aufteilung auf verschiedene Zollämter, erweitertes Nachtfahrverbot und sichere Straßenquerungen vorstellen.