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Lage bleibt angespannt: Wirtschaft kommt nicht richtig auf Touren

23.07.2024 • 12:58 Uhr
Simon kampl, Elmar Hartmann, Michael Amann
IV-Geschäftsführer Simon Kampl, IV-Präsident Elmar Hartmann und Michael Amann, Geschäftsführer Sparte Industrie der Wirtschaftskammer. iv

Geschäftsklima-Index der Vorarlberger Industrie: Stimmung und Aussichten weiterhin sehr verhalten. Notwendig sind maßvolle Geschäftsabschlüsse und Bürokratieabbau.

Den Geschäftsklima-Index der Vorarlberger Industrie gibt es seit 2001 und beschreibt vierteljährlich die Stimmung im bedeutendsten Wirtschaftsbereich im Ländle. Die repräsentative Konjunkturumfrage bildet den Mittelwert aus aktueller und erwarteter Geschäftslage in sechs Monaten und gibt damit einen realistischen Konjunkturausblick für das gesamte Bundesland. 36 Vorarlberger Unternehmen mit insgesamt 23.000 Beschäftigten haben sich an der Umfrage für das zweite Quartal 2024 beteiligt.

Leichte Verbesserung

Der aktuelle Indexstand von +0,90 Punkte bedeutet sowohl gegenüber dem letzten Quartal (-7,90 Punkte) als auch gegenüber dem Quartal davor (-18,30 Punkte) eine leichte Verbesserung. Nach den historisch zweitschlechtesten Ergebnissen im dritten Quartal 2023 (-20,90) erreicht der Vorarlberger Konjunkturklimaindex somit zumindest wieder den positiven Bereich. Gemessen an der 23-jährigen Geschichte des Index ist die Stimmung aber nach wie vor mau. „Bringen wir es auf den Punkt, die Lage ist schlecht“, fand der Präsident der Industriellenvereinigung Elmar Hartmann klare Worte. Positiv sei, dass die Tendenz leicht besser ist, aber „leider sehr verhalten, das stimmt uns wiederum nachdenklich“.

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Auch die Maschinen- und Metallindustrie ist betroffen. neue

Sieben von zehn Befragten beurteilten die Geschäftslage derzeit genauso schlecht wie im Vorquartal. Ebenso jeder Zweite den Auftragsbestand und die Auslandsaufträge. Gleiches gilt für die Ertragssituation. 57 Prozent der Befragten sahen gegenüber dem Vorquartal keine Verbesserung.

Sinkende Mitarbeiterzahlen

Zukunftserwartungen: Nur 18 Prozent rechnen in drei Monaten mit steigenden Verkaufszahlen. Hingegen sehen neun von zehn Befragten die Geschäftslage und Ertragslage in sechs Monaten unverändert. Genau wie die Produktionstätigkeit und die Produktionskapazitäten in drei Monaten. Aufgrund der Erwartungen für die kommenden Monate und der aktuellen Geschäftslage gehen 80 Prozent davon aus, dass der Beschäftigungsstand in drei Monaten gleich wie heute sein wird. Nur ein Prozent rechnet mit einer Zunahme, 19 Prozent erwarten sogar sinkende Mitarbeiterzahlen.

Lage ist angespannt

„Auch wenn der konjunkturelle Abwärtstrend durchschritten sei, ist die aktuelle Wirtschaftslage weiter angespannt“, so Elmar Hartmann. „Von einer eindeutigen Entspannung kann keine Rede sein.“ Der Standort Vorarlberg kämpfe weiter mit deutlich gestiegenen Lohnstück- und Arbeitskosten. „Zudem haben sich die Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort nicht verbessert.“ Auch die Auftragslage sei nicht optimal. „Die Unternehmen leiden zudem nach wie vor unter der zunehmenden Bürokratie.“ Als Bürokratie-Monster bezeichnete Hartmann unter anderem den Datenschutz und die Lieferkette. „Der leichten Entspannung steht ein massiver Preis- und Mengenwettbewerb gegenüber“, führt der IV-Präsident weiter aus.

Dies alles würde sich aktuell auch im Verlust von Arbeitsplätzen in Vorarlberg zeigen. So verzeichnete das AMS mit Ende Juni 801 Arbeitslose mehr (+9,6 Prozent) als im Vorjahr. „Auch wenn am Arbeitsmarkt nach wie vor qualifizierte Arbeitskräfte gesucht werden, zeigen die jüngsten Ereignisse, dass mehrere Unternehmen mittlerweile in beträchtlichem Ausmaß Personal abbauen müssen“, so IV-Geschäftsführer Simon Kampl, der ergänzt: „Das sind keine guten Nachrichten für den Arbeitsmarkt und den Wirtschaftsstandort Vorarlberg.“

Alle Branchen betroffen

Betroffen von der aktuell angespannten Lage seien alle Branchen. Im Flaggschiff der Vorarlberger Industrie, der Maschinen- und Metallindustrie, beurteilen derzeit 84 Prozent die Ertragslage als schlecht. Ähnlich ist es in der Textilindustrie. Etwas erfreulicher zeigt sich die Lage der Nahrungs- und Genussmittelindustrie.

In der Elektro- und Elektronikindustrie sehen 52 eine gleichbleibende und 48 Prozent eine schlechtere Geschäftslage. In der Verpackungsindustrie, einem traditionellen Frühindikator für die Wirtschaft, sehen alle Befragten die Geschäftslage und die Produktionslage in drei Monaten sowie die Ertragslage in sechs Monaten gleich wie heute. „Das sind erfreulich stabile Zahlen“, sagt Michael Amann, Geschäftsführer Sparte Industrie der Wirtschaftskammer.

Stimmung ist gedämpft

„Die Industrie ist der größte Arbeitgeber und der wichtigste Wirtschaftsfaktor in Vorarlberg. Die Stimmung ist aber nach wie vor gedämpft und von einem Konjunkturaufschwung kann derzeit keine Rede sein. Wir brauchen daher sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene Maßnahmen zur Stärkung unseres Wirtschafts- und Industriestandortes“, stellt Elmar Hartmann klar. „Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen hat unter den hohen Lohnabschlüssen der letzten beiden Jahre gelitten. Wir sind jedenfalls nicht so viel besser geworden, wie unser Wirtschaftsstandort teurer geworden ist. Was zählt, sind deshalb maßvolle Ergebnisse in der Herbstlohnrunde. Überzogene Forderungen belasten den Standort in einer ohnehin schwierigen konjunkturellen Situation zusätzlich und führen unweigerlich zu einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit.“

Es gehe jetzt um den Standort, die Arbeitsplätze und den Wohlstand im Land. „Hier sind alle gefordert und wir müssen daher alle gemeinsam an einem Strang ziehen“, fügte Simon Kampl hinzu.

Bessere Rahmenbedingungen

Der Politik richtete Hartmann noch aus. „Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die ein gutes Arbeiten erlauben. Das ist bisher nicht wunschgemäß passiert.“ Es gäbe diesbezüglich aber auch Positives, wie zum Beispiel die Kinderbetreuung, zu berichten. „Das darf man auch erwähnen.“

Zur Sprache kam auch noch kurz die S18. Hier sind sich Industriellenvereiniung und Wirtschaftskammer einig. Die geplante Bodenseeschnellstraße sei für die Industrie und für die Entlastung der Bevölkerung notwendig. Diese sei seit 2016 im Bundesstraßengesetz verankert und der Bund sei verpflichtet, diese hochrangige Straße zu planen, zu bauen, zu erhalten und zu finanzieren.