Von Zwischenwasser nach Berlin: „Vielfältig, groß und lebendig“

Ab sofort berichtet Sophia Juen alias Nika in Form einer Kolumne in der NEUE am Sonntag über ihr Leben in der pulsierenden Großstadt.
Sophia Veronika Juen, stammt aus Zwischenwasser und ist inzwischen besser bekannt als Nika, hat sich in der facettenreichen Welt der Berliner Musikszene fest etabliert.
„Ich bin für mein Schauspielstudium nach Berlin gekommen. Nach einem Jahr habe ich das Studium gewechselt und mich immer mehr in die Musikbranche reingefuchst“, erzählt die Künstlerin. Heute ist sie Musikerin, PR-Managerin und Mitgründerin der Musikagentur „Livin Music Agency“, die sie 2023 mit ihrem Partner Dario ins Leben rief.

Ort der Kreativität. Berlin ist für Nika der perfekte Ort, um ihre Kreativität auszuleben: „In Berlin musst du schon sehr übertreiben, damit du auffällst. Es gibt theoretisch jeden Tag ein Event, zu dem man gehen könnte.“ „Ich bin geblieben, weil in Berlin die Musik spielt“, sagt sie über ihren Entschluss, dort sesshaft zu werden. Berlin ermöglicht ihr nicht nur, als Künstlerin zu wachsen, sondern auch als PR-Managerin andere Artists zu unterstützen.
Licht- und Schattenseiten
Ihr Alltag in der Großstadt ist abwechslungsreich und von der Musik geprägt: „Von Montag bis Mittwoch betreue ich vor allem Musikprojekte von anderen Artists. Abends geht es meistens auf Konzerte oder Musikbranchen-Events. Am Wochenende arbeite ich an meiner eigenen Musik, spiele Gigs oder lass es etwas ruhiger angehen.“ Diese Balance zwischen eigenen Projekten und dem Aufbau anderer Künstler macht ihren Alltag spannend, aber auch herausfordernd.

Einer der Höhepunkte ihrer bisherigen Karriere war ein Konzert als Support Act von Paula Hartmann an der Freien Universität Berlin, wo sie vor 3000 Kommilitoninnen auftrat. „Der Präsident der Freien Universität hat mich anmoderiert“, erinnert sie sich stolz.
Doch Berlin hat auch seine Schattenseiten. Nika musste erleben, wie gefährlich das Leben in einer Großstadt sein kann. „Auf dem Weg zur Arbeit wurde ich aus dem Nichts von einem Obdachlosen und Junkie angegriffen“, schildert sie ein traumatisches Erlebnis. Zum Glück kam sie mit einem Schock davon, aber die Erfahrung hat ihr gezeigt, dass das Leben in Berlin auch riskante Seiten hat.

Ihre Wurzeln in Vorarlberg hat Nika trotz ihres aufregenden Lebens in der Hauptstadt nicht vergessen. „Ein Großteil meiner Familie lebt in Vorarlberg, dementsprechend bin ich mehrmals im Jahr im Ländle“, berichtet sie.
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Mit ihrem Uniabschluss in der Tasche hat sie nun mehr Zeit, auch in ihrer Heimatregion wieder aktiv zu werden: „Ich hoffe, bald wieder öfters in der Region Konzerte spielen zu können.“
NEUE Kolumnistin
Ihr Weg ist noch lange nicht zu Ende, und eines ist klar: Von Nika werden wir noch viel hören. Und lesen, denn ab sofort schildert sie in regelmäßigen Abständen ihr Leben in der pulsierenden Weltmetropole in einer eigenen Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Sophias erste Kolume: “Zwischen Kässpätzle und Currywurst – eine Vorarlbergerin in Berlin
Ich war 19, als ich meinen Koffer packte und die verschneiten Gipfel Vorarlbergs gegen die funkelnden Lichter Berlins eintauschte. In meinen ersten Wochen in der größten Stadt Europas war ich ständig müde. Vielleicht lag es an den unzähligen neuen Eindrücken, die mich wie eine Tsunamiwelle überrollten: die grellen Lichter der Stadt, die endlosen Menschenmassen, die U-Bahn-Stationen, die wie Tore zu einer anderen Welt wirkten. Oder es lag am strikten Stundenplan meines Schauspielstudiums, der von mir verlangte, frühmorgens im Training vollen Körpereinsatz zu zeigen, während mein Kopf noch irgendwo zwischen den Alpen und dem Berliner Großstadtdschungel schwebte.
Ich hatte immer davon geträumt, Schauspielerin zu werden. Es war dieser Traum, der mich von der ruhigen Idylle des Vorarlberger Bauernhofs meiner Eltern in die Wohnung eines bekannten homosexuellen Künstlers im Prenzlauer Berg katapultierte. Statt majestätischer Bergpanoramen strahlten mir von den Wänden meiner Übergangswohnung riesige Malereien nackter Männer entgegen – ein bisschen wie Berlin selbst: bunt, chaotisch und alles andere als konservativ.
Eine meiner ersten großen Entdeckungen in der Stadt waren die Spätis. Diese kleinen, rund um die Uhr geöffneten Läden, die mit ihrem bunten Sortiment an Snacks, Getränken und kuriosen Souvenirs quasi an jeder Ecke zu finden sind, verkörperten für mich das Lebensgefühl Berlins. Um ein Uhr nachts Lust auf eine Limo? Kein Problem – runter zum Späti und schon hatte ich meine Fritz Limo in der Hand. Diese grenzenlose Verfügbarkeit, diese Freiheit, jederzeit alles zu haben, war für mich der Inbegriff der Berliner Unabhängigkeit. Alles ist möglich, immer, zu jeder Zeit.

Berlin fühlt sich an wie ein endloses Buffet an Möglichkeiten: Partys, Konzerte, Ausstellungen, Techno in verlassenen Industriebrachen, Hip-Hop in verrauchten Kellern, experimentelle Kunst in verfallenen Altbauwohnungen. Man fühlt sich wie ein Kind in einem Süßwarenladen – völlig überfordert und gleichzeitig fasziniert von den unendlichen Optionen. Und dann sind da noch die Menschen: ein bunter Mix aus allen Ecken der Welt, jeder mit seinem eigenen Traum, jeder auf der Suche nach einem Stück Zuhause in dieser riesigen Metropole.
In Vorarlberg war ich von der Geborgenheit meiner Heimat umgeben, von Menschen, die mich seit meiner Kindheit kannten. Hier in Berlin war ich nur ein Gesicht unter Millionen, alleine in einer Stadt, die niemals schläft. Vor allem im grauen Berliner Winter gab es Abende, an denen ich mich fragte, ob ich in diesem Großstadtdschungel wirklich mein Glück finden würde. Armut und Drogen schlugen mir in Form von Crackgeruch und schuhlos gebückten Gestalten entgegen, sobald ich aus der U8 ausstieg.

Doch dann gibt es wieder diese magischen Momente, die einem nur Berlin schenken kann. Wie eines meiner ersten Konzerte, die ich besuchte, in denen der sehr bekannte Künstler Marteria, mir und den 200 Gästen Tequila Shots spendierte. Kurz danach unterhielt sich ein sichtlich angetrunkener Marteria neben uns mit zwei Gästinnen über sein Anglerhobby. “Dit kannste dir nischt ausdenken”. Am selben Abend stand auch der damals noch sehr aufgeregte MAJAN zum ersten Mal auf der Bühne. Die Geburtsstunde eines Künstlers, der heute große Hallen füllt.
Berlin ist eine Stadt ohne Filter, die dir ihre Widersprüche ungefragt präsentiert. Hier liegen Glanz und Elend, Erfolg und Scheitern dicht beieinander. Sie zieht dich einerseits in ihren Bann mit dieser unendlichen Freiheit und Kreativität, während sie dich gleichzeitig herausfordert, deine eigene Stabilität zu finden. Es ist ein Ort, an dem dir alles möglich erscheint, aber in dem du genauso leicht verloren gehen kannst. Ich habe gelernt, dass es okay ist, sich manchmal verloren zu fühlen, und dass Heimat kein fester Ort ist, sondern ein Gefühl, das man in sich trägt. In Berlin habe ich mir selbst ein Zuhause geschaffen – und am Ende habe ich erkannt, dass genau das der wahre Luxus dieser Stadt ist: die Freiheit, sein eigenes Stück Heimat zu finden, egal, woher man kommt.
(NEUE am Sonntag)