“Viele haben das Gefühl, dass nichts passiert”

Die NEUE hat sich am Tag nach der Nationalratswahl in der Bevölkerung umgehört und gefragt, wie sich die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger das Wahlergebnis erklären. Die Unzufriedenheit der Menschen sehen viele als den Hauptgrund für den Sieg der FPÖ.

„Von oben herab“
Dietmar, 60, Dornbirn: “Die bisherigen Parteien haben einfach volksfremd regiert. Sie haben nicht darauf gehört, was das Volk sagt und will. Sie haben nur von oben herab bestimmt, jetzt haben sie quasi die Rechnung dafür kassiert. Ich habe gewusst, dass es so ausgeht. Deswegen habe ich aus Protest keine der Farben, sondern eine schwächere Partei gewählt. Nur, damit keine der anderen Parteien meine Stimme bekommt. Für mich sind die Asyl- und Klimapolitik wichtige Themen, die es jetzt zu bearbeiten gilt.”

„Finde es schade“
Patrick, 33, Dornbirn: “Ich glaube, dass bei uns immer noch das Ländliche, vielleicht auch etwas Zurückgebliebene, entschuldigung, wenn ich das so formuliere, präsent ist. Viele finden alles Neue prinzipiell schlecht, deswegen wollen sie jetzt jemanden, der quasi ausmisten soll. Ich finde es persönlich sehr schade, aber ändern kann man es jetzt auch nicht mehr. Für mich sind die wichtigsten Themen momentan die Leistbarkeit des Lebens. Ich finde, zuerst sollte man diese Themen angehen, bevor man Leute aus dem Land schiebt, die nicht mal etwas dafür können. Vielleicht merken die Leute, dass es ein Fehler war, so zu wählen.”

„Wähler manipuliert“
Yasmin und Melisa, 16/18, Bludenz: “Die Leute sind zunehmend mehr gegen Ausländer. Wir glauben, dass die FPÖ ihre Wähler manipuliert und deswegen so viele Menschen Blau gewählt haben. Wir finden das überhaupt nicht gut. Wenn das Ergebnis bei jeder Wahl so aussehen würde, würden wir irgendwann alle abgeschoben werden. Die Ausländer, die hier sind, arbeiten. Wenn die wegfallen, fallen auch wichtige Fachkräfte weg. Themen, die wir uns in der Politik wünschen würden, wären die Bekämpfung des Rassismus und der Ausländerfeindlichkeit. Es gibt viele problematische Ausländer, aber es gibt auch sehr viele Gute.”

„Tiefe Unzufriedenheit der Menschen“
Carina, 35, Wolfurt: “Die ÖVP und die SPÖ haben es nicht verstanden, dass es eine tiefe Unzufriedenheit bei den Menschen gibt. Die Einzelnen haben es immer schwieriger, ihren gewohnten Standard zu halten. Das gilt vor allem, wenn man Kinder hat. Was für Möglichkeiten wird mein Kind in Zukunft haben?
Andererseits bekommen jene sehr viel, die noch nie gearbeitet haben. Trotz Teuerung, Krieg und Hochwasser haben viele das Gefühl, dass nichts passiert.”

„Eine auf den Deckel“
Wilfried, 70, Lauterach: “Ich finde das Ergebnis super, denn endlich haben Schwarz-Grün-Rot eine auf den Deckel bekommen. Die dachten, sie können mit uns machen, was sie wollen. Darum freue ich mich und bin der Meinung, dass Kickl da jetzt auch mitreden soll.
Ich habe gewusst, dass es so kommt, denn die Menschen sind unzufrieden mit der Regierung. Es werden nur Versprechen gemacht, aber es passiert nichts. Unsere werden im Stich gelassen, während die Ausländer alles geschenkt bekommen.”

„Kasperltheater geht weiter“
Friedrich, 58, Lustenau: “Meine Einschätzung ist, dass die FPÖ die Situation immer ausnutzt, wenn irgendetwas schiefläuft. Die Parteien achten einfach zu sehr auf ihre Farbe und zu wenig auf das Volk. Sie streiten meiner Ansicht nach zu viel. Das und die negativen Schlagzeilen bewirken, dass sich in der Bevölkerung ein ungutes Gefühl ausbreitet. Die Leute finden, dass die Regierung zu wenig arbeitet. Ich schätze, die werden sich jetzt wieder zusammenstreiten und dann wird das Kasperltheater weitergehen.”

„Will bleiben“
Ceren, 15, Hard: “Ich verstehe nicht, warum die FPÖ diese Wahl gewonnen hat. Manche Menschen scheinen nicht zu verstehen, dass das eine dumme Entscheidung ist. Ich finde, es sollte keine Rolle spielen, wo ein Mensch herkommt. Ich habe so viele Fragen im Kopf, weiß nicht, wie es jetzt weitergehen soll. Ich habe keinen österreichischen Pass und hab jetzt Angst, abgeschoben zu werden. Ich will noch hierbleiben.”

„Als Österreicherin schäme ich mich“
Sylvia, 54, Dornbirn: “Als Erstes muss ich betonen, dass die FPÖ keine Mehrheit hat, denn 70 Prozent haben sie nicht gewählt. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist aber groß und die FPÖ hat es verstanden, diese Themen für sich zu nutzen und in den Köpfen der Leute noch zu vergrößern. Tagtäglich verstärken sie das Narrativ, dass die Ausländer an allem schuld sind.
Leider hat man das Gefühl, dass die Leute nicht mehr nachdenken, sondern es sich gerne einfach machen und diese leicht auszumachenden Sündenböcke akzeptieren. Für mich gehört die FPÖ maximal in die Opposition, denn sie haben schon in der Vergangenheit gezeigt, dass es nicht können, wenn sie in Regierungsverantwortung sind. Wenn eine Partei an der Macht ist, erkennt man schnell, wie sie wirklich ist. Leider haben die Österreicher schon wieder vergessen, was mit Ibiza war oder wie die Regierung Schüssel-Haider gescheitert ist. Obwohl wir jetzt nicht wie damals mit Sanktionen anderer europäischer Länder konfrontiert sein werden, glaube auch diesmal, dass sich das wieder von selbst regeln wird. Ich muss aber ehrlich zugeben: Als Österreicherin schäme ich mich für dieses Wahlergebnis.”