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IV-Präsident Hartmann: “Schießen uns ins eigene Bein”

08.10.2024 • 13:34 Uhr
Elmar Hartmann, Simon Kampl
IV-Präsident Elmar Hartmann (links) und IV-Geschäftsführer Simon Kampl präsendierten die Handlungsfelder für den Wirtschaftsstandort Vorarlberg. iv

Wirtschaftsstandort Vorarlberg schwächelt weiter. Industriellenvereinigung mit Forderungskatalog an die nächste Landesregierung. Wichtige Punkte: Bürokratieabbau und Ausbau der Infrastruktur.

Der Ländle-Wirtschaftsmotor stockt weiter. Wie schon der von der Industriellenvereinigung im Juli präsentierte Geschäftsklima-Index der Vorarlberger Industrie für das zweite Quartal 2024 aufzeigte. Die repräsentative Konjunktur­umfrage bildet den Mittelwert aus aktueller und erwarteter Geschäftslage in sechs Monaten und gibt damit einen realistischen Konjunkturausblick für das gesamte Bundesland. Der Indexstand von +0,90 Punkten bedeutete gegenüber dem letzten Quartal (-7,90 Punkte) als auch gegenüber dem Quartal davor (-18,30 Punkte) zwar eine leichte Verbesserung und lag zumindest wieder im positiven Bereich, aber gemessen an der 23-jährigen Geschichte des Index ist die Stimmung nach wie vor mau. „Bringen wir es auf den Punkt, die Lage ist schlecht“, fand der Präsident der Industriellenvereinigung Elmar Hartmann schon im Juli klare Worte. Positiv sei, dass die Tendenz leicht besser ist, aber leider sehr verhalten. „Das stimmt uns wiederum nachdenklich“.

Umfassende Maßnahmen

Grund genug für die Industriellenvereinigung bereits auf die Zeit nach der Landtagswahl am kommenden Sonntag vorauszublicken. „Unsere Industrie befindet sich mittlerweile im dritten Rezessionsjahr und wenn uns nicht rasch der Turnaround gelingt, wird die Deindustrialisierung immer mehr zur Realität“, erklärte Elmar Hartmann. „Der Wirtschaftsstandort Vorarlberg steht daher vor großen Herausforderungen, die eine zukunftsorientierte, mutige und standortfreundliche Politik erfordern“. Damit diese Herausforderungen von der neuen Landesregierung aktiv angegangen werden, präsentierte die IV Vorarlberg gestern noch vor der Wahl ein umfassendes Maßnahmenpaket. „Die Industrie ist das Rückgrat unserer Wirtschaft. Unabhängig vom Wahlausgang müssen in den nächsten Wochen und Monaten die Weichen gestellt werden, um Wohlstand und Arbeitsplätze in Vorarlberg langfristig zu sichern“, betonte der IV-Präsident an der Pressekonferenz.

Rheintal
Der Wirtschaftsstandort Rheintal darf nicht ins Hintertreffen geraten. Archiv

Sechs zentrale Themenbereiche

Der Katalog umfasst 23 konkrete und laut IV umsetzbare Maßnahmen, die in den nächsten fünf Jahren angegangen werden müssen. Diese sind in sechs zentrale Themenbereiche unterteilt: Bürokratie reduzieren, Kosten senken, Fachkräfte anlocken, Lehre noch besser machen, Forschung stärken und Infrastruktur ausbauen. „Wir haben einen konkreten Maßnahmenkatalog mit für die Industrie wichtigen Schwerpunkten ausgearbeitet, den es von einer neuen Landesregierung umzusetzen gilt. Auch wenn fünf Jahre eine überschaubare Zeitspanne sind, muss eine zukünftige Landesregierung mit Entschlossenheit mutige Weichenstellungen vornehmen“, stellte Hartmann klar.

Die Sechs Handlungsfelder

Weniger Bürokratie
Infrastruktur ausbauen
Kosten senken
Mehr Fachkräfte
Lehre weiter verbessern
Forschung stärken

Vorarlberg stehe zwar auf einem wirtschaftlich soliden Fundament, aber der Trend gehe eindeutig in die falsche Richtung. Hartmann: „Die Arbeitslosigkeit steigt, die Standortkosten werden von Jahr zu Jahr höher und auch die bürokratischen Auflagen nehmen zu. Es ist an der Zeit, auch schwierige Themen anzupacken.”

Schienentransporte
Der Ausbau von Straße auf Schiene soll ausgebaut werden. Hartinger

Moderne Infrastruktur

Einer der wichtigsten Punkte im Forderungskatalog ist der Ausbau der Infrastruktur. „Ohne den Ausbau von Straße und Schiene wird es nicht gehen“, weiß Hartmann. Konkret fordert die IV den Bau neuer Gleise für den Güterverkehr im Rheintal, die Realisierung der Unterflurtrasse zwischen Bregenz und Lochau sowie eine Lösung für die S18 in Lustenau. Exportorientierte Unternehmen seien auf eine moderne Infrastruktur angewiesen, und wenn der Verkehr umweltfreundlicher gestalten werden soll, müsse in die Schiene investiert werden. Die IV drängt darauf, dass alle drei Projekte bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode aktiv vorangetrieben werden. „Die Umsetzung dieser Projekte ist alternativlos, auch wenn sie nicht jedem gefallen werden. Aber das große Ganze muss im Vordergrund stehen“, führt Hartmann aus. „Bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode müssen die Weichen für den tatsächlichen Bau dieser drei Infrastrukturprojekte gestellt werden.“

Antrag
Bürokratieabbau ist für die IV ein ganz wichtiger Punkt. Shutterstock

Bürokratie als Hemmschuh

Ein weiterer zentraler Punkt sei der Abbau überbordender Bürokratie. „Bürokratie verlangsamt und verteuert Prozesse unnötig. Wir brauchen eine Entlastung unserer Unternehmen, um ihre Innovationskraft nicht zu bremsen“, forderte Hartmann. Als Lösung schlägt die IV unter anderem eine zeitlich befristete Stelle vor, die überflüssige Bürokratie identifiziert und abbaut. Zudem soll eine Ombudsstelle geschaffen werden, bei der Unternehmen Missstände anonym melden können. Darüber hinaus soll nach dem Vorbild Oberösterreichs eine neue digitale Verfahrensabwicklungsplattform geschaffen werden, auf der künftig alle notwendigen Genehmigungsverfahren digital abgewickelt werden. Hartmann: Die Bürokratie ist ein echter Hemmschuh, damit schießen wir uns ins eigene Bein.“

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Auch eine Verbesserung der Lehre wird gefordert. Archiv

Lehrberuf Kinderbetreuung

Neben Infrastruktur und Bürokratie sind Themen wie die hohen Arbeits- und Flächenkosten, der Fachkräftemangel sowie der Ausbau des Forschungsstandortes von zentraler Bedeutung. Darüber hinaus fordert die IV Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Lehre und der Ausbildung von Kinderbetreuungspersonal. „Es ist in den letzten Jahren einiges passiert. Etwa in der Kinderbetreuung, wo wichtige Weichen gestellt wurden. Wir dürfen aber nicht nachlassen und müssen die noch offenen Herausforderungen angehen“, sagte IV-Geschäftsführer Simon Kampl. “Eine innovative Lösung wäre die Etablierung eines Lehrberufes für Kinderbetreuung“, ergänzte Hartmann.

Zusammenarbeit

Die IV Vorarlberg bietet der neuen Landesregierung eine enge und konstruktive Zusammenarbeit an, so Hartmann: “Wir sind bereit, gemeinsam mit allen politischen Akteuren die Zukunft unseres Landes aktiv mitzugestalten. Die Herausforderungen sind groß, aber mit Mut, Entschlossenheit und gemeinsamer Arbeit kann jede Herausforderung für unseren Wirtschaftsstandort gemeistert werden.”