Onkologietage: Innovationen und Hoffnung im Kampf gegen Krebs

Onkologie. Mathis, Nußbaumer
Die Zahl der Patienten mit der Diagnose Krebs nimmt weiter zu. Dies basiert insbesondere auf besseren Behandlungsmöglichkeiten, die mit einem längeren Überleben einhergehen, erklärt Primar Thomas Winder.
Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at
Schon zum siebten Mal veranstaltete das Landeskrankenhaus Feldkirch die Feldkircher Onkologietage für einen heimatnahen Austausch zwischen Experten, Krankenhausärzten, Jungmedizinern und niedergelassenen Ärzten. Es nahmen ca. 220 Teilnehmer an der Tagung teil. Thomas Winder vom LKH Feldkirch ist Abteilungsvorstand der Inneren Medizin II und als solcher Kongress- und Tagungspräsident.
Winder: Sinn der Feldkircher Onkologietage ist ein interdisziplinärer Austausch über diagnostische und therapeutische Innovationen, weil die Behandlung von Krebserkrankungen immer mehrere Fachgebiete umfasst. Highlights sind die Weiterentwicklungen von Medikamenten für einen noch gezielteren Einsatz, die mittlerweile oft schon vor einer Operation zum Einsatz kommen können und dadurch das Ansprechen verbessern. Krebs wird also immer gezielter behandelt. Durch das Messen von spezifischen Merkmalen von Krebszellen gelingt eine individualisierte Therapie von Tumoren mittels gezielter Blockade von Wachstumssignalen und damit Verkleinerung oder im besten Fall Elimination von Krebszellen. Es gibt immer wieder neue innovative Ansätze für eine zielgerichtetere Therapie, immuntherapeutisch und chemotherapeutisch. Auch gibt es mittlerweile Medikamente, die unter die Haut verabreicht werden und damit bei gleicher Wirkung weniger Nebenwirkungen und mehr Patientenkomfort bedeuten.
Durch diese Veranstaltung soll ein starkes onkologisches Behandlungsnetzwerk im Land entstehen. Diskutiert werden nicht nur interdisziplinäre Fälle, wo es also um das Zusammenspiel mehrerer Spezialdisziplinen geht, sondern auch Behandlungsentscheidungen „nahe am klinischen Alltag“. Ergänzend wurden dafür besondere Fälle präsentiert, die von den Experten mit den Fallvorstellenden diskutiert wurden. Solche „Tumorboards“, also Fallbesprechungen von mehreren Fachärzten oder Onkologen, gibt es auch in Vorarlberg?
Winder: Es gibt jeden Tag, fünfmal in der Woche, krankheitsspezifische Tumorboards in Vorarlberg, bei denen wir Fälle und auch Therapievorschläge gemeinsam beraten. Diese Tumorboards finden über die Vorarlberger Landeskrankenhäuser hinweg statt. Wer nicht vor Ort ist, wird online zugeschaltet und kann sich so einbringen oder eine zusätzliche Expertise bekommen. Resultat ist ein Behandlungsplan, basierend auf multiprofessionellen Vorschlägen und Expertise für die bestmögliche Betreuung von Krebspatienten im Land Vorarlberg.
Es wurden sehr viele Studien über neue oder verbesserte am Markt befindliche Medikamente erläutert. Man konnte den Eindruck gewinnen, die Fortschritte in der Krebstherapie verdanken wir immer neuen Medikamenten. Welche Rolle spielen denn Strahlentherapie und vor alle die Chirurgie in der Krebstherapie?
Winder: Das kurative, also das heilende Verfahren in der Krebsbehandlung bleibt die Chirurgie, also die komplette Entfernung der Krebserkrankung. Da haben wir bei gewissen Krankheiten wie beispielsweise dem Prostatakrebs mit der Roboterchirurgie auch neue, schonendere und gezieltere Möglichkeiten. Auch die Strahlentherapie bleibt als Lokaltherapie wichtig und auch die wird heute viel gezielter und damit auch nebenwirkungsärmer wie früher angewendet. Und ja, bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen gibt es glücklicherweise immer neue medikamentöse Therapien mit dem Ziel, eine fortgeschrittene Krebserkrankung langfristig zu kontrollieren und damit zu einer chronischen Krankheit zu machen. Also zusammengefasst: Die Krebstherapie besteht aus zahlreichen Säulen wie beispielsweise der Chirurgie, der Strahlentherapie und der medikamentösen Therapie. Je nach Situation werden die Behandlungen einzeln oder in Kombination angewendet.
Gibt es immer noch Krebsarten oder Onkologie-Therapien, die außerhalb des Landes durchgeführt werden müssen?
Winder: Ja, wenn Transplantationen notwendig sind, also zum Beispiel die Stammzellentransplantation, die dann üblicherweise an der medizinischen Universität in Innsbruck durchgeführt wird.
Es war eigentlich nie die Rede von Kosten dieser Therapien. Spielen die keine Rolle, steht tatsächlich jedes Medikament zur Verfügung, das wirksam ist?
Winder: Die Kosten spielen schon eine wesentliche Rolle, die steigen auch signifikant. Deshalb ist eine moderne Diagnostik so wichtig, um diese Medikamente auch gezielt einsetzen zu können. Erfreulicherweise unterliegen wir im Land Vorarlberg aktuell keinen Restriktionen, wir dürfen alle Medikamente anwenden, sofern eine Zulassung dafür vorhanden ist.
Interessant war auch die Frage des Nebenwirkungsmanagements.
Winder: Eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation mit einer umfassenden Aufklärung steht hier immer zu Beginn einer Behandlung. Wir starten immer mit der in klinischen Studien geprüften Standarddosierung und beobachten den Verlauf der Nebenwirkungen während der Therapie. Nebenwirkungen sind in ihrer Ausprägung nicht exakt voraussagbar und patientenabhängig, weil jeder Mensch anders reagiert. Die Verstoffwechslung eines Medikamentes ist ganz unterschiedlich und bei schlechter Verträglichkeit wird die Dosierung reduziert oder die Behandlung mit einem anderen Medikament fortgesetzt. Das wird also tatsächlich individuell beobachtet und angepasst.
Wo hätte Vorarlberg in der Krebsbehandlung noch Potential, wenn die Mittel dafür zur Verfügung stünden?
Winder: Die Versorgung kann man immer verbessern, die Abläufe, die Infrastruktur oder den Zugang zur Diagnostik. Es gibt immer noch ein Potential, die Möglichkeiten werden ausgelotet. So ist für nächstes Jahr geplant, dass die Onkologie vom Landeskrankenhaus Rankweil nach Feldkirch übersiedelt. Das gewährleistet eine bessere Rundumversorgung hinsichtlich bildgebender Verfahren, die Akutversorgung bei Nebenwirkungen und einen direkten Anschluss an die Intensivstation oder zu anderen Fachabteilungen.
Würden Sie sich neue Vorsorgeaktivitäten wünschen?
Winder: Entscheidend ist es, die bestehenden Vorsorgemöglichkeiten wahrzunehmen, eher früher als später. Bei bestimmten Risikokonstellationen ist das noch wichtiger, beispielsweise bei erblicher Vorbelastung. Je früher wir Krebs oder Frühstadien entdecken, desto besser und einfacher lassen sie sich behandeln. Zurzeit wird ein Lungenkrebsscreening für Risikogruppen diskutiert. Das macht Sinn in Zusammenhang mit einer Risikominimierung, also beispielsweise einem begleitenden Raucherentwöhnungsprogramm.
Es wurde in einem Block auch über die Palliativmedizin, also die Schmerzbehandlung bei Krebserkrankungen, referiert und diskutiert, auch als ethische Herausforderung. Zwischen Schmerzmedizin, Hospizmedizin und Sterbehilfe spannt sich hier ein großer Bogen. Sind wir in Vorarlberg in diesem ethischen Bereich gut aufgestellt?
Winder: Das neue Hospiz- und Palliativfondsgesetz ist in allen Krankenhäusern angekommen. Mit der Palliativstation, dem Hospiz am See, dem mobilen Palliativteam und dem palliativen Konsiliardienst sind wir gut aufgestellt und entwickeln uns auch stetig weiter. Begleitend dazu haben wir im stationären Bereich eine psychoonkologische Unterstützung, die ambulant durch die Krebshilfe Vorarlberg professionelle Hilfe in dieser Ausnahmesituation bietet. Auch ethische Fragen haben auf der Tagung ihren Platz.