Rücksicht auf sich und den anderen nehmen

Bei der Jahreshauptversammlung des Vereines der Angehörigen von Menschen mit psychischen Erkrankungen (HPE Vorarlberg) wurde ein neuer Vorstand mit neuen Zielen
gewählt.
Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at
Nach drei Jahren der Obmannschaft legte Stefan Riedmann sein Obmann-Amt im Verein zurück und konnte mit Stolz der Generalversammlung seine Nachfolge präsentieren: Magdalena Maderthaner. Riedmann bezeichnete sie als spontan, kreativ, herzlich und gerecht. Sie sei nun das neue Herz und der neue Motor des Vereines. Sie war schon bisher im Vorstand und brachte sich auch sichtbar ein, zum Beispiel bei den „Trialogen“. Das sind Gespräche auf Augenhöhe mit Betroffenen, mit Angehörigen und mit Fachpersonen vor Publikum, das sich bei diesen Diskussionen mit Fragen, Kritik oder auch Ergänzungen einbringen kann. Ein Format, das auch die neue Obfrau zusammen mit dem Verein der Betroffenen, „Omnibus“, unbedingt weiterführen will. Dass auch die Profis, also Ärzte und Ärztinnen, Sozialarbeitende und politisch Verantwortliche sich weiterhin in diese Veranstaltungen einbringen werden, wurde nicht zuletzt durch den Besuch der Generalversammlung unterstrichen. Dr. Elmar Weiskopf, Psychiater und Vorstand von pro mente, war mit Stefan Leitner genauso vertreten wie der Psychiatriekoordinator des Landes Vorarlberg, Stefan Koch. Pro mente bietet im Auftrag der Vorarlberger Landesregierung ambulante sozialpsychiatrische Betreuung, Krisenhilfe und Prävention an.

Angehörigentelefon und Selbsthilfeabende
Neben den Trialogen bietet der Verein ein „Angehörigentelefon“, eine Nummer, bei der sich Angehörige melden können und schnell erste Fragen beantwortet werden können oder auf weitere Hilfemöglichkeiten verwiesen wird. Zum Beispiel auf die Selbsthilfeabende, die von einem der Vorstandsmitglieder geleitet werden und wo in einem geschützten Rahmen mit gleichermaßen Betroffenen ein Austausch auf Augenhöhe und mit viel Empathie stattfinden kann.
Das Schulprojekt
Auf alle Fälle wird der Verein sich auch weiterhin beim Schulprojekt zusammen mit dem Betroffenenverein der Menschen mit Psychiatrieerfahrung, Omnibus, und den Profis von pro mente einbringen. Beim Schulprojekt stellen sich Betroffene, ein Angehöriger und eben Profis mit einem Vortrag und anschießender Fragestunde den Schülern und können damit über psychische Erkrankungen und deren Begleitumstände und Hilfemöglichkeiten aufklären. Ganz wichtig ist den Veranstaltern in diesem Zusammenhang auch die Chance zur Entstigmatisierung zu nützen. Denn psychische Erkrankungen sind erstens nicht so leicht zu erkennen und zweitens immer noch mit Scham behaftet, wofür es keinen Grund gibt. Neu hinzugekommen ist hier die Schule für Krankenpflege, die von sich aus auf den Verein zugegangen ist.
Das Polizeiprojekt
Auch das Polizeiprojekt ist bedeutsam, ist doch in Krisensituationen oftmals auch die Polizei im Spiel. Bei diesem Projekt, das vom Setting her aufgestellt ist wie das Schulprojekt, lernen die Polizeischüler nicht nur Betroffene und deren Angehörige persönlich kennen, sondern sie können auch von deren Schilderungen und deren Erfahrungen mit der Polizei ihre spätere Praxis verbessern. Das führt im besten Fall zu gewaltloserem und damit patientengerechterem Verhalten der Exekutive. Die richtige Ansprache und eine veränderte Amtshandlung lassen viele Situationen von Beginn an nicht eskalieren.
Magdalena Maderthaner wird nun den Verein auch im Vorarlberger Psychiatriebeirat vertreten und dort immer wieder auf noch vorhandene Defizite hinweisen und auf Augenhöhe mit der Versorgungslandschaft mögliche Veränderungen zu initiieren helfen. In diesem Zusammenhang verwies die Obfrau auf die Workshops des Landes zur Erarbeitung eines neuen Psychiatriekonzeptes, wo sie in allen sieben Workshops vertreten sind. Für eine gute psychische Versorgung brauche es ein ganzes Land mit einer gut vernetzten und kooperierenden Versorgungslandschaft, in der die Angehörigen ihre Rolle haben
Neue Stelle zur Unterstützung
Ein Meilenstein in der Entwicklung des Vereines und seiner Arbeit, erklärt Stefan Riedmann, wäre eine Anstellung im Backoffice des Vereines, mit einer 25- bis 50-Prozent-Anstellung. Da gebe es hoffnungsvolle Gespräche im Landespsychiatriebeirat und in den Fachabteilungen des Amtes der Vorarlberger Landesregierung, unter politischer Führung von Landesrätin Martina Rüscher. Bisher wurden alle Leistungen des Vereines von den Funktionären ehrenamtlich geleistet. Die Verhandlungen würden laufen und er sei zuversichtlich, so der Alt-Obmann.

Mehr Sicherheit finden
Eine der drei Kurzreferentinnen kam eigens aus Salzburg und berichtete von ihrem Leben als Angehörige eines Partners mit einer psychischen Erkrankung: Marion Lindinger. Ihr war wichtig darauf hinzuweisen, dass Angehörige innere Sicherheit für sich und ihren Umgang mit den Erkrankten und dem Umfeld finden, was auch für den eigenen Schutz sehr wichtig sei. Denn als Angehöriger neige man zur übertriebenen Rücksichtnahme und sorge zu wenig für eigene Pausen. Dazu brauche es manchmal den Anstoß von außen. Sie rate auch, den Mut zu haben, bei den Arztgesprächen fallweise teilzunehmen und auch für sich selbst psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es brauche das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung und der Austausch mit anderen Angehörigen bringe neue Perspektiven, neue Impulse. Sie habe gelernt, sich abzugrenzen und dennoch empathisch zu bleiben. Auch etwas Gutes kann sie in der psychischen Erkrankung eines Angehörigen erkennen. Es bewahre einen vor zu viel Oberflächlichkeit im Leben, man könne bei sich sein und trotzdem den anderen in seiner Situation wahrnehmen. Es mache bewusst, dass wir alle verletzlich sind.