Was tun mit dem Photovoltaik-Überstrom im Sommer: Zahlen oder Verbrauchen?

Wie die NEUE schon letzten Sommer berichtete, wird vor allem im Frühjahr und im Sommer zu viel Strom produziert. Die Photovoltaik-Anlagen machen dies möglich – bislang mit teuren und ökologischen Folgen.
Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at
Vorweg, das Problem des Überstroms im Frühjahr und Sommer haben nicht nur Österreich und die Illwerke vkw, sondern alle mitteleuropäischen Länder und deren Stromversorger. Damit die Stromversorgung stabil ist und keine Blackouts entstehen, müssen sich die Stromproduktion und der Stromverbrauch die Waage halten. Gleich drei geförderte Ökomaßnahmen stellen eine Herausforderung dar: Die vielen Wärmepumpen und die Elektrofahrzeuge verbrauchen im Winter viel Strom, der dann Mangelware ist, weil die Wasserkraft und die Photovoltaik-Anlagen im Winter schwächeln. Auf der anderen Seite bringen die Photovoltaik-Anlagen im Sommer bei viel Sonnenschein riesige Überschüsse an Solarstrom und der lässt sich – zumindest noch nicht – in den Winter transferieren. Und dieser Sommerstrom bereitet Sorgen, weil zu viel Strom die Netzstabilität bedroht.
Kosten von Sommerüberstrom
Kosten von Sommerüberstrom. Bis letztes Jahr nahmen die Illwerke vkw bei Photovoltaik-Überschussstrom Kraftwerke vom Netz und das führte in den Fließgewässern – vor allem der Bregenzerache – zu den ökologisch schädlichen Wasserschwällen. Die Neue berichtete. Andreas Neuhauser von der Illwerke vkw: „Heuer sollen diese Wasserschwälle mit einer geänderten Speicherbewirtschaftung möglichst vermieden werden.“ Dieser Strom kann nämlich auch für die Pumpspeicherwerke nicht verbraucht werden, weil auch die in solchen Stunden schon auf Volllast laufen und nicht mehr Strom verbrauchen können. Er kann aber auch nicht ins Ausland verkauft werden, weil auch dort die Photovoltaik-Anlagen zu viel Strom liefern. Eine Variante wäre, den Strom zu Negativpreisen auf dem Markt zu verkaufen, also für den Strom zu bezahlen, damit er verbraucht wird, oder den Photovoltaik-Anlagenbetreibern den Strom zu solchen Zeiten nicht abzunehmen, was aber nur bei großen Anlagen möglich ist. Oder ihn zu speichern.
Deutsches Solarspitzengesetz
Deutschland reagierte bereits mit dem am 31. Jänner beschlossenen Solarspitzengesetz. Es soll die Netzstabilität sichern und regionale Blackouts verhindern. Und zwar durch die Vermeidung von Einspeisespitzen bei Solarstrom. Dazu müssen alle Solaranlagen technisch fernsteuerbar werden, durch Smart Meter und eine Steuerbox. Dadurch kann die Einspeiseleistung der Photovoltaik-Anlagen gemessen und gesteuert werden, damit das Stromnetz nicht überlastet wird. Wenn zu viel Strom im Netz ist und der Strompreis negativ ist, wird die Einspeisung gedrosselt und es gibt für den Solarstrom auch keine Vergütung mehr, weil er nicht gebraucht wird und die Netzstabilität gefährdet.

Energiespeicher für Überstrom
Es ist eine Binsenweisheit, dass E-Autos im Winter deutlich mehr Strom für ihre Fortbewegung benötigen als im Sommer. Aber im Sommer könnten sie bei Überstrom zumindest als lokale und kurzfristige Speicher genutzt werden. Das würde aber auch bei den Stromanbietern neue Maßnahmen erfordern, beispielsweise über Kommunikation mit den Elektrofahrzeugnutzern über SMS, WhatsApp oder die Smartmeter. Sprich, wenn Überstrom vorhersehbar ist, das ist vor allem am Samstagnachmittag und teilweise am Sonntag, könnten die Elektrofahrzeuge ihre Speicher laden. Dann erzeugen nämlich neben Privaten auch Industrie- und Gewerbebetriebe mittels Photovoltaik-Strom, verbrauchen ihn aber nicht und dies führt zu einem Stromüberschuss. Über Smart Meter ließen sich diese externen Speicher sogar automatisch miteingliedern, in dem der Netzbetreiber den Verbrauch über diese intelligenten Stromzähler steuert, wenn denn die Fahrzeuge am Netz hängen.

„Die Illwerke vkw ist in der Testphase dynamischer Stromprodukte und plant, diese 2025 im Frühjahr für den Bezug und im Herbst für Einspeiser einzuführen.“
Andreas Neuhauser, Illwerke vwk
Der Energieexperte
Klar sei, dass der Ausbau der umweltfreundlichen Photovoltaik-Energiegewinnung auch Landesstrategie sei, erklärt der Vorarlberger Energieexperte Martin Reis, Geschäftsführer des Vorarlberger Energieinstitutes. Er berichtet von einem neuen „flexiblen Stromtarif“ der Illwerke vkw, der kundenseitig Anreize bieten könnte, die Nachfrage nach Strom auf Zeiten zu verlegen, in denen viel günstiger Öko-Strom im Netz verfügbar ist. Kommen soll er noch in diesem Frühjahr. Reis: „Nur muss dieser Tarif so gestaltet sein, dass er bei entsprechend klugem Nutzerverhalten über das Jahr gerechnet gegenüber einem Fixpreis-Stromtarif klare finanzielle Vorteile bringt. Ist das nicht der Fall, wird vermutlich kaum ein Kunde auf diesen Tarif umsteigen.“ Begrüßen würde er eine Förderung von Stromspeichern für Photovoltaik-Anlagen, wenn die Betreiber gleichzeitig bereit sind, die maximale Einspeiseleistung ins Netz zu begrenzen. Auch das bidirektionale Laden bei E-Fahrzeugen, dass also auch Strom vom Auto ins Hausnetz, beziehungsweise in das öffentliche Netz eingespeist werden kann, könnte einen großen Beitrag leisten. Die technische Seite der Entwicklung sei weitgehend abgeschlossen, es gibt aber nach wie vor Herausforderungen, was die gesetzlichen Regelungen und organisatorischen Standards wie die Verrechnung zwischen Netzbetreiber und Energieproduzenten anbelangt.
Das Geschäftsmodell der Illwerke vkw
Laut Andreas Neuhauser von der Illwerke vkw können bislang kleine Photovoltaik-Anlagen nicht vom Netz genommen werden und der Strom muss von ihnen zum garantierten Einspeisetarif abgenommen werden, obwohl er nicht nur nicht benötigt wird, sondern Kosten verursacht, sei es durch die nötige Abschaltung von Kraftwerken oder durch Negativpreise auf dem Strommarkt. In Oberösterreich wird Photovoltaik-Strom bei Spitzen nicht mehr eingespeist und vergütet. So werden die Illwerke vkw-Gruppe noch heuer dynamische Tarife anbieten, die an die Strombörse gekoppelt sind, allerdings mit der Notwendigkeit, dann aktiv den Strommarkt zu beobachten und kurzfristig im Verbrauch zu reagieren. Andreas Neuhauser: „Kunden im dynamischen Stromprodukt können auf der Website der Illwerke vkw jederzeit einsehen, wie viel die Energie in welcher Stunde kostet. Zudem werden die Anlagen zukünftig vermehrt mittels intelligenter Energiemanagementsysteme
Faire Preise und Kommunikation
Die andere Variante wäre eben Verbraucher zu informieren, dass zu bestimmten Zeiten Strom für das Elektroauto oder andere Großverbraucher, inklusive Batteriespeicher im Haus, besonders günstig bezogen werden kann. Solange es keine kostenverträglichen saisonalen Speichermöglichkeiten gibt, sollte der Strom zeitnah verbraucht werden. Das könnte durch faire, zeitlich hochflexible Tarife der Netzanbieter wie der Illwerke vkw möglich werden. Bei (drohendem) Überstrom im Netz könnte das Aufladen der Elektrofahrzeuge und das Einschalten von größeren Energieverbrauchern, wie der Waschmaschine, durch eine zeitnahe Kommunikation angeregt werden, mittels WhatsApp-Nachricht oder SMS, an Stelle des stündlichen Beobachtens der Tarife auf der Website.