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Damaskus zwischen Ankara und Jerusalem

06.04.2025 • 11:00 Uhr
Damaskus zwischen Ankara und Jerusalem

Syrien wird erneut Schauplatz eines Stellvertreterkrieges.

Von Thomas Schmidinger
neue-readaktion@neue.at

Nachdem die Türkei angekündigt hatte, die strategisch wichtige Tiyas Militärbasis (T4) in Zentralsyrien zu übernehmen, kam es in den letzten Tagen wieder vermehrt zu Luftangriffen Israels auf militärische Einrichtungen in Syrien. Militärbasen in der Nähe von Hama, Homs, al-Muqaylibah bei Damaskus und eben die Tiyas Militärbasis 60 km westlich der historischen Stätte Palmyra, wurden aus der Luft angegriffen. Mit Bodentruppen drang die israelische Armee zugleich in die Kleinstadt Nawa im Gouvernement Daraa im Süden des Landes vor, wobei neun Syrer ums Leben kamen.

Syrien wird immer mehr zu einem Schauplatz eines israelisch-türkischen Stellvertreterkonfliktes. Während die Türkei sich mit der so genannten „Syrischen Nationalarmee“ im Norden eine eigene Söldnertruppe unterhält und das neue Regime in Damaskus unterstützt, hat Israel bereits unmittelbar nach dem Sturz Assads seine Besatzungszone auf dem Golan ausgeweitet und versucht seither Vertreter religiöser Minderheiten für sich zu gewinnen, die sich verständlicherweise vor den neuen islamistischen Machthabern in Damaskus fürchten. Die wichtigsten Vertreter der Drusen, Alawiten und Christen haben sich bisher nicht für diese Pläne vereinnahmen lassen, fordern aber – genauso wie die Kurden im Nordosten des Landes – eine Dezentralisierung des Staates, die bisher von der Übergangsregierung abgelehnt wurde.

Syria Ramadan Homecoming
Ein neuer Stellvertreterkonflikt lässt Stabilität in Syrien in weite Ferne rücken. AP

Das Rahmenabkommen zwischen dem kurdischen Oberkommandieren der Syrischen Demokratischen Kräfte, Mazlum Abdi und Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa, dem eine Übereinkunft mit dem kurdischen Viertel in Aleppo und ein Gefangenenaustausch folgte, zeigt allerdings, dass die Syrer selbst zumindest in der Lage wären, über ihre unterschiedlichen Vorstellungen zu sprechen.

Wenn das neue Syrien allerdings wieder zum Schauplatz eines Stellvertreterkonfliktes wird – diesmal zwischen Türkei und Israel – besteht wohl kaum eine Chance, dass in diesem zerrissenen Land zumindest wieder eine gewisse Stabilität einkehrt. Der transnationale militärische Konflikt in Syrien würde damit in eine nächste Runde gehen – mit weiteren Fluchtbewegungen in die Nachbarländer und nach Europa.

Thomas Schmidinger
Thomas Schmidinger ist Politikwissenschaftler und Sozial- und Kulturanthropologe. Der Nahost-Experte aus Feldkirch ist Professor für Politikwissenschaft und International Relations an der University of Kurdistan Hewlêr im Irak.