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TBC-Seuche verlangt im Bregenzerwald massiven Rotwildabschuss

06.04.2025 • 07:00 Uhr
Rotwild jagen TBC
Franz Ströhle, Alpenschutzverein, Reinhard Bär, Alpmiteigentümer, Erich Zucchali, Alpenschutzverein und Doris Zucchali von den Naturfreunden beim Lokalaugenschein auf der Alpe Weißenbach. Bereuter (2); NEUE

Auf der Alpe Weißenbach, die zum Gemeindegebiet Schnepfau gehört, wurde die Abschusszahl massiv erhöht. Das erfordert die dramatische TBC-Situation im Seuchengebiet.

Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at

Dem Bauer und Alpmitbesitzer Reinhard Bär aus Andelsbuch blutet das Herz, angesichts der massiven Schäden, die durch das Rotwild entstehen. Dass jetzt angesichts der TBC-Situation beim Rotwild, durch die er ein trächtiges Rind verlor, wie die NEUE berichtete, kommt es immer wieder zur Ansteckung von Weidevieh mit ganzen Bestandskeulungen. Die Abschussquoten wurden massiv erhöht. Das ist auch im Sinne des Bauern. Der gut sichtbare Weideschaden hingegen gefällt ihm gar nicht. Entlang des Weges, wo am warmen 2. April, viele Futterstände gefüllt sind, sind an den Böschungen und am Gehölz massive Schäden gut sichtbar.

Seuchenbekämpfung erfordert andere Maßnahmen

Der Jagdaufseher der Region ersuchte den Bauer um sein Verständnis, weil eine außerordentliche Situation diese Maßnahmen einfach notwendig mache, damit er seine Abschussquote erfüllen könne. Gegenüber der NEUE will er aber keine Aussagen tätigen und verweist auf den Jagdobmann und den Wildökologen Hubert Schatz.

Normale Maßnahmen nicht mehr zielführend

Hubert Schatz, Wildökologe im Amt der Vorarlberger Landesregierung, erklärt, dass die Fütterung jetzt noch zu Vegetationsbeginn in Ordnung sei und der Wildlenkung diene, bzw. um das Wild dort zu halten. Sonst wandern sie in Wildfreihaltezonen und können so auch besser bejagt werden. Das dauere jetzt noch eine Woche und dann werden die Fütterungen auslaufen. Der Rotwildbestand dort, und im angrenzenden Jagdgebiet Hirschberg sei ein hoher und werde heuer „ordentlich angepackt“, so Schatz. Es gebe nahezu eine Verdoppelung der Abschusszahlen und diese Aufgabe sei für die Jägerschaft groß und herausfordernd. Eine „historische Menge“ und „eine brutale Challenge“ für den Jäger, drückt es der Wildökologe aus. Der Bestand soll dort in den nächsten Jahren deutlich abnehmen.

Bär

„Nur durch gegenseitiges Verständnis und guten Willen von allen Beteiligten, Grundbesitzern, Bewirtschaftern und Jägern, können wir die Situation in den Griff bekommen.“

Hubert Schatz, Wildökologe

Bei einer Informationsveranstaltung vor einem guten Monat erläuterte er den Jägern, dass es auch sehr darauf ankomme, welche Tiere geschossen werden. Denn Ziel sei eine nachhaltige Bestandsverringerung, um die TBC-Situation in den Griff zu bekommen, um wieder gesunde Tiere im Jagdgebiet zu haben und die Ansteckung von Weidevieh zu verhindern. Das heißt in der Realität, dass vorwiegend Jungtiere und weibliche Tiere erlegt werden müssen, um die starke Reproduktion zu verhindern. Der dortige Jäger sei ein guter Jäger, aber ob er das auf Dauer ohne Regulierungsgatter schaffe, darauf sei er neugierig. Als Präventivmaßnahme zur Seuchenbekämpfung wäre ein Regulierungsgatter, laut Schatz, allemal geeignet und sollte angedacht werden.

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Der Bauer mahnt

Auch wenn Reinhard Bär das versteht, möchte er ausdrücklich darauf hinweisen, dass diese Situation auf der Alpe erst durch ein verfehltes Jagdmanagement der Vergangenheit entstanden sei. Und statt vieler Worte verlangt er für die Zukunft einen viel kleineren Bestand, damit würde sich für ihn auch die Fütterung erübrigen. Und er verlangt eine strenge Kontrolle der Bestandsgröße durch die Jagdschutzorgane. Denn neben der TBC-Problematik sei auch der Wildverbiss durch den überhöhten Bestand eine „Katastrophe“.

TBC-Seuche verlangt im Bregenzerwald massiven Rotwildabschuss
Rotwild muss im Bestand massiv reduziert werden, um die TBC-Ausbreitung und die Ansteckung von Nutztieren zu verhindern.

Alpenschutzverein und Naturfreunde

Bei einem Lokalaugenschein am 2. April waren auch Vertreter der beiden Umwelt- und Naturschutzverbände „Alpenschutzverein“ und „Naturfreunde“ zugegen. Franz Ströhle, vom Alpenschutzverein, erläutert, dass sie schon seit Jahren die Wildfütterung ablehnen würden und für eine Bestandreduzierung eintreten. Ohne Fütterung wäre die TBC-Problematik gar nicht erst entstanden und werde durch diese jetzt aufrechterhalten. Sein Kollege Erich Zucchali erinnert auch an den landesweiten Prozess der „Waldstrategie 2030“ des Landes, in dem ein regulierter Wildbestand gefordert sei. Auch als Naturschützer würden sie sich nicht den Regulierungsgattern, wo Wild in einem geschlossenen Gatter erlegt wird, verwehren, aber „human“ müsse das schon durchgeführt werden. Dem schließt sich auch die Vertreterin der Naturfreunde, Doris Zucchali, an: „Es braucht die massive Regulierung beim Wild für eine Naturverjüngung in unserem Wald.“ Auch ihr ist die Fütterung ein Dorn im Auge und sie verweist auf Liechtenstein und die Schweiz, wo Rotwild nicht gefüttert werden dürfe.

TBC-Seuche verlangt im Bregenzerwald massiven Rotwildabschuss
In der Nähe der Futterstellen hinterlässt das Wild deutliche Spuren am Boden und an der Vegetation.

Verständnis ist erforderlich

Hubert Schatz: „Wichtig ist es in einer Seuchensituation, dass die Jäger nun ihre auferlegten Aufgaben erledigen können, die sind groß genug. Nur durch gegenseitiges Verständnis und guten Willen von allen Beteiligten, Grundbesitzern, Bewirtschaftern und Jägern, können wir die Situation in den Griff bekommen.“ Das sieht auch der Bauer ein, möchte aber trotzdem auf Missstände hinweisen und er wird den Bestand im Auge halten. Ein Tier aus seinem Stall möchte er auf alle Fälle im nächsten Jahr nicht mehr als Verdachtsfall opfern müssen.

Der Herbst wird es zeigen

Ob diese Maßnahmen ausreichend und zielführend waren, wird sich im Herbst zeigen, wenn das Weidevieh wieder von den Alpen in die Ställe kommt und flächendeckend auf TBC untersucht wird. Eine Situation wie heuer wünscht sich niemand, am allerwenigsten die Bauern, denn sie trifft es am meisten. Und für die Land- und Alpwirtschaft ist eine möglichst TBC-freie Region überlebenswichtig, sonst wird bald kein Vieh mehr auf unseren Alpen geweidet werden. Das hätte massive Auswirkungen auf die Landschaft, die Erholungsräume und den Tourismus. Und dass der überhöhte Wildbestand mit dem massiven Wildverbiss unsere Wälder bei der Verjüngung bedroht, wurde auch schon mehrfach berichtet. Die Jägerschaft ist jetzt massiv gefordert, aber auch die Politik, die entsprechende Gesetze und Verordnungen schafft, und eine Verwaltung, die diese umsetzt und kontrolliert. Offensichtlich sind in der Vergangenheit die gemeldeten Bestandszahlen weit unter der Realität gelegen. Dem wird mit teils massiv erhöhten vorgeschriebenen Abschüssen begegnet, die jetzt auch konsequent erfüllt, kontrolliert und bei Nichterfüllung sanktioniert werden müssen. Übrigens seien in die Wildzählungen auch die Waldaufseher eingebunden, und die „schwindeln“ eher nicht, so der Wildökologe Hubert Schatz. Zudem soll es in den nächsten Jahren ein neues Jagdgesetz geben, bei dem alle betroffenen Gruppen eingebunden werden.