Rankweil setzt ein Zeichen: Endgültige Schließung des umstrittenen Natalie-Beer-Museums

Rankweil hat nun nicht nur die NS-Geschichte aufarbeiten lassen, sondern mit der Schließung und Räumung des Natalie-Beer-Museums im Turmzimmer beim Waldfriedhof ein weiteres Mal konsequent gehandelt.
Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at
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Am Freitag lockte das schon bisher geschlossene Museum zu Ehren der Literatin Natalie Beer noch einmal eine Schar von Interessierten an. Wurde es doch nicht nur geschlossen und geräumt, sondern von den beiden Historikern der Gemeinde, Norbert Schnetzer und Stefanie Kollmann-Obwegeser, noch einmal vorgestellt und ein „Dilemma der Nachkriegszeit“, wie sie es nannten, erläutert.

Beim Waldfriedhof in Rankweil, in zwei Etagen über dem Bogen in den Friedhof gelegen, konnte am Freitag zum letzten Mal das Museum besichtigt werden. Über enge Treppen wurde es durch die etwa 60 Interessierten erklommen. Schon bei den Stiegenaufgängen war klar, hier hat sich niemand mehr um Sauberkeit gekümmert. Die beiden Zimmer waren dann auch muffig und nicht gereinigt, was sicherlich beabsichtigt war, sollte doch hier „Verstaubtes“ und „Unzeitgemäßes“ letztmalig präsentiert werden. Das erklärte schon Vizebürgermeister Johannes Herburger bei der Begrüßung. Es verändere sich der Blick auf Menschen im Laufe der Zeit, und im Falle von Natalie Beer stehe in der heutigen Beurteilung nicht das literarische Werk im Fokus, sondern die gut belegte antidemokratische Gesinnung. Eine Kontextualisierung mit einer zusätzlichen Erklärung sei nicht zielführend und deswegen werde das Museum dauerhaft geräumt. Ideen für eine Nachnutzung willkommen.
Die NS-Geschichte
Immer wieder werden Schrecknisse nicht dem nationalsozialistischen Regime zugeschrieben, was korrekt wäre, sondern unter den 2. Weltkrieg subsumiert, was inkorrekt ist. So immer wieder geschehen bei der NS-„Euthanasie“, die durch die Nationalsozialisten betrieben wurde, aber oft als „Euthanasie“ im Zweiten Weltkrieg bezeichnet wurde.

Beim Fall Beer ist das ähnlich, obwohl Rankweil ja mittlerweile seine NS-Geschichte durch den Historiker Meinrad Pichler umfassend aufarbeiten ließ. Auch im Fall Beer ist es chronologisch zwar ein Dilemma der Nachkriegszeit, gesellschaftspolitisch aber ein Dilemma im Umgang mit der NS-Geschichte und einer ihrer Proponenten. Damit ist jetzt Schluss. Spätestens seit die SPÖ-Fraktion von Rankweil, unter Werner Nesensohn, im Jahre 2018 einen Antrag auf Überprüfung des „Falles Beer“ einbrachte. Der Historiker Nikolaus Hagen wurde in Folge mit einem historischen Gutachten beauftragt und legte schriftlich vor, was schon längst bekannt war. Nach Vorlage des historischen Gutachtens konnte sich die Gemeindevertretung von Rankweil einstimmig zur Aberkennung der Verleihung des Ehrenringes durchringen und erhielt dafür auch berechtigtes Lob. Beers Heimatgemeinde Au im Bregenzerwald, das Land Vorarlberg und der Franz-Michael-Felder-Verein konnten sich bislang nicht zu einer posthumen Ehren-Aberkennung der Nationalsozialistin durchringen. Auch nicht die Kanzlei des Bundespräsidenten im Falle ihrer Ernennung zur „Professorin“.

„Eine Kontextualisierung des Museums schien allen nicht die geeignete Form zu sein, deshalb wird das Museum dauerhaft geräumt.“
Johannes Herburger, Vizebürgermeister Rankweil
Natalie Beer hasste die Demokratie
Inhaltlich muss über Natalie Beer nicht mehr viel erzählt werden, es finden sich schon ausreichend Spuren in gedruckter Form und im Netz, sogar die Künstliche Intelligenz habe schon zur Kenntnis genommen, dass die Gemeinde Rankweil der ehemaligen Ehrenbürgerin den Ehrenring posthum aberkannte, erzählte Stefanie Kollmann-Obwegeser vom Gemeindearchiv. Natalie Beer und ihre Brüder waren seit Anfang der 30er-Jahre deklarierte NS-Sympathisanten und ab Herbst 1938 war Natalie Beer Angestellte der NSDAP bei der Gauleitung Tirol-Vorarlberg, trat 1939 offiziell in die NSDAP ein und leitete von 1942 bis Kriegsende als Gau-Abteilungsleiterin das Amt „Presse-Propaganda der NS-Frauenschaft“ für Tirol-Vorarlberg und war damit wohl die ranghöchste Nationalsozialistin Vorarlbergs. Sie gehörte damit „als Parteiführerin zum Kreis der belasteten Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen“. Noch 1983 erklärte sie, dass sie Demokratie hasse, obwohl es die mit ihr sehr gut meinte. Denn bald nach ihrer Rückkehr nach Vorarlberg verhalfen ihr NS-belastete Kreise in der wiedererstandenen Demokratie zu einer beruflichen Stellung bei der Dornbirner Messe, im Kreis weiterer ehemaliger Nationalsozialisten. Sie konnte ab 1951 in den Vorarlberger Nachrichten ihres Freundes Franz Ortner publizieren und arbeitete unter dem Pseudonym Ursula Berngath für Radio Vorarlberg und wurde vom Land Vorarlberg mit einem lebenslangen Stipendium bedacht und eben mit Ehrungen überhäuft. Anlässlich der Verleihung der Franz-Michael-Felder-Medaille des Felder-Vereines habe der damalige Direktor der Vorarlberger Landesbibliothek, Eberhard Tiefenthaler, ihre NS-Vergangenheit ausgeklammert und später in der Anthologie „Funde am Lebensweg“ „unkritisch als Vorgeschichte eines späteren Leidensweges zu Beginn der Zweiten Republik“ erwähnt. Das Ende der NS-Herrschaft beschrieb sie selbst als völligen „Zusammenbruch“ und die Wiedererrichtung der Demokratie und die damit einhergehende Entnazifizierung als Zeit des Hasses.

Das Interview mit Michael Köhlmeier
Im Juli 1983 gestaltete Michael Köhlmeier für den ORF Vorarlberg ein Hörfenster mit Natalie Beer, nachdem sie ihre Lebenserinnerungen unter dem Titel „Der brennende Rosenbusch“ veröffentlichte. Immer wieder unterstellten die Anhänger Natalie Beers Köhlmeier, dass er diese alte Dame „vorgeführt“ habe und sie zu unüberlegten Aussagen provoziert habe. Wer sich das Interview anhört, zum Beispiel im Archiv der Marktgemeinde Rankweil, wird feststellen, dass dies nicht der Fall war, sondern sich Natalie Beer „ohne Not“ als überzeugte Nationalsozialistin präsentierte und das Wort „Demokratie“ nicht einmal aussprechen wollte.
Die Marktgemeinde Rankweil
Die Marktgemeinde Rankweil, in deren Gemeindegebiet die während der NS-Zeit für viele den Tod bedeutende „Landes-Heil- und Pflegeanstalt Valduna“ lag, hat sich für die Aufarbeitung der NS-Geschichte Zeit gelassen. Sie ist damit vielleicht auch dem einen oder anderen Konflikt aus dem Weg gegangen, hat aber nun einen fundierten Band des Historikers Meinrad Pichler vorliegen und – Taten folgen lassen.
Nicht nur mit der posthumen Aberkennung des Ehrenringes für Natalie Beer, sondern jetzt auch mit der dauerhaften Schließung des Natalie-Beer-Museums beim Waldfriedhof. Übrigens, großen Unmut erregte diese Schließung nicht, lediglich Werner Nesensohn musste sich von einer Besucherin, die dem Freundeskreis Natalie Beers vorstand, vorhalten lassen, dass er das „angezettelt“ habe. Er trug es mit Fassung.

Wer war natalie beer?
Geboren: 1903 in Au, Bregenzerwald
Gestorben: 1987 in Dornbirn
Beruf: Schriftstellerin, Lyrikerin, Rundfunkautorin
NS-Vergangenheit:
Ab Anfang der 1930er-Jahre erklärte Nationalsozialistin
1938 Anstellung bei der NSDAP Gauleitung Tirol-Vorarlberg
1939 offizieller Parteieintritt
Ab 1942 Gau-Abteilungsleiterin für „Presse-Propaganda der NS-Frauenschaft“
Eine der ranghöchsten Nationalsozialistinnen Vorarlbergs
Nach 1945:
Rasche Reintegration in die Nachkriegsgesellschaft
Publikationen unter Pseudonym für Radio Vorarlberg
Mitarbeit bei dn Vorarlberger Nachrichten
Zahlreiche Ehrungen, darunter ein lebenslanges Landesstipendium, der Ehrenring der Marktgemeinde Rankweil und die Franz-Michael-Felder-Medaille
Späte Aufarbeitung:
2018 Antrag zur historischen Überprüfung
Historisches Gutachten durch Nikolaus Hagen
2020 posthume Aberkennung des Ehrenrings durch Rankweil
Besonderheit:
Noch 1983 bekannte sie sich öffentlich zur Ablehnung der Demokratie
Gilt heute als Symbolfigur für den problematischen Umgang mit NS-Belasteten in der Nachkriegszeit