_Homepage

„Kindern Lebensmut und Orientierung geben“

22.06.2025 • 13:00 Uhr
Kinderdorf
62 Kinder und Jugendliche aus 39 Familien lebten 2024 im Kinderdorf Kronhalde in Bregenz. vk

Fast 3200 Kinder und Jugendliche wurden 2024 durch das Vorarlberger Kinderdorf betreut. Es gibt viele Herausforderungen – auch geplante Sparmaßnahmen des Landes bereiten Sorgen.

Der Blick eines Mädchens auf dem Titelblatt des Jahresberichts 2024 spricht Bände. Mit konzentriertem Gesicht erklimmt sie den neuen Kletterturm „Kids Buin“. Ihr Ausdruck ist eine Botschaft: „Ich trau mich. Ich schaff’ das – auch wenn es nicht einfach ist.“ Eine Botschaft, die exemplarisch für die Arbeit des Vorarlberger Kinderdorfs steht. 340 Mitarbeitende haben sich im Vorjahr dafür starkgemacht, genau dieses Gefühl in Kindern zu wecken.

„Kindern Lebensmut und Orientierung geben“
Geschäftsführerin Alexandra Wucher. Hartinger

„Die offene, wertschätzende und liebevolle Haltung unserer Mitarbeitenden zu den Kindern schenkt ihnen eine zweite Chance, neue Wege zu gehen, Herausforderungen anzunehmen und keine Angst vor Fehlern zu haben“, so die Geschäftsführenden Alexandra Wucher und Simon Burtscher-Mathis. Wucher ergänzt: „Unsere Aufgabe ist es, das Kindeswohl und die Kinderrechte sicherzustellen.“ Und: „Kindern Lebensmut und Orientierung zu geben – das sind wichtige Handwerkzeuge im Leben.“ Die Kinder sollen Zuversicht gewinnen, ihre Talente entfalten und ihren eigenen Weg finden können.

Kinderdorf
Neue Projekte: Der im April 2024 eröffnete Kletterturm “Kids Buin”. vk

Jahresbericht 2024

Die umfangreiche und wichtige Arbeit des Vorarlberger Kinderdorfs spiegeln auch die imposanten Zahlen aus dem Jahresbericht 2024 wider. Für insgesamt 3176 benachteiligte Kinder wurden im vergangenen Jahr mit präventiven, ambulanten und stationären Angeboten gemeinsam mit den Eltern neue Perspektiven erarbeitet. Neue Projekte wie der im April 2024 eröffnete Kletterturm „Kids Buin“ setzen dabei sichtbare Zeichen. Über 1800 Menschen, darunter rund 1200 Kinder, nutzten die inklusive Begegnungsstätte als Raum für Erlebnisse und Selbstwirksamkeit. Auch das Familienimpulse Mobil wurde zu einem Anker für viele: In sieben Siedlungen erreichte es knapp 1000 Eltern und über 940 Kinder.

Zahlen zum Vorarlberger Kinderdorf

3176 Kindern und Jugendliche sowie deren Familien wurden im vergangenen Jahr mit vielfältigen Angeboten geholfen.

62 Kinder und Jugendliche aus 39 Familien lebten 2024 im Kinderdorf Kronhalde. In der Auffanggruppe wurden 74 Kinder betreut.

195 Kinder wurden im Vorjahr in 164 Pflegefamilien betreut. 13 Kinder wurden 2024 in Bereitschaftspflegefamilien aufgenommen. Die meisten Pflegekinder waren zwischen sieben und zwölf Jahren.

147 Familien wurden durch die Kinder- und Jugendhilfe 2024 neu zugewiesen. Insgesamt wurden 403 Familien mit 917 Kindern durch fünf Regionalteams in schwierigen Lebenslagen unterstützt.


80 Kinder wurden 2024 in Wohngruppen des Kinderdorf Kronhalde und der Paedakoop betreut. 62 dieser Kinder und Jugendlichen lebten in sechs familiären Wohngruppen im Unterland. Sie haben traumatisierende Erfahrungen hinter sich, Verletzungen, Vernachlässigung und Verlust erlebt. Kronhalde-Leiter Jürgen Schwendinger: „Wir schaffen Lebens- und Lernerfahrungen, durch die Kinder selbstbewusst werden und lernen, sich in dieser Welt zurechtzufinden.” So wie Sarah Bösch. Die 22-Jährige wuchs im Kinderdorf Kronhalde auf und besucht noch heute regelmäßig ihr altes Zuhause. Die Mitarbeitenden der Ehemaligenbegleitung sind für sie wichtige Vertrauenspersonen, erzählt sie im Jahresbericht. „Ich kann über alles reden, was mich beschäftigt. Hier gibt es immer ein offenes Ohr und einen Rat.“ Der Schritt in die Selbstständigkeit gelang ihr mit Hilfe des Kinderdorfs. Sie bekam eine Starterwohnung, lebt mittlerweile in ihrer eigenen. „Ich will selbstständig sein, aber ich weiß, wo ich hingehen kann, wenn ich Hilfe brauche.“ Heute arbeitet Sarah Bösch als Einzelhandelskauffrau.

Kinderdorf
Sarah Bösch wuchs im Kinderdorf Kronhalde auf. vk


Auch die Paedakoop setzt sich dafür ein, junge Menschen in ihrer persönlichen, sozialen und emotionalen Entwicklung zu unterstützen. Der heute 25-jährige Dominic Ackerer verbrachte als Jugendlicher zwei Jahre in der Tagesbetreuung der Paedakoop. Diese Zeit bezeichnet er als prägende und zukunftsweisende Erfahrung. Der damals 15-Jährige wurde durch die Trennung der Eltern aus der Bahn geworfen, eckte überall an, verweigerte die Schule. „In der Paedakoop wurde mir klar, welches Potenzial in mir steckt und dass Veränderungen ein Teil des Lebens sind“, berichtet Ackerer.

Kinderdorf
Dominic Ackerer bezeichnet seine zwei Jahre in der Tagesbetreuung der Paedakoop als prägend und zukunftsweisende Erfahrung.vk

Sich in schwierigen Lebenssituationen neu zu orientieren und Kraft zu schöpfen, um das Leben wieder in den Griff zu bekommen, müssen jene Familien und Alleinerziehenden, die ambulant und präventiv begleitet werden. 403 Familien mit 917 Kindern bekamen durch den Familiendienst Rückenstärkung. Auch Netzwerk Familie setzt alles daran, Familien mit kleinen Kindern möglichst früh zu unterstützen. Über 900 Kinder leben in den 468 Familien aus 55 Nationen, die Netzwerk Familie im Vorjahr begleitete. Auffallend hoch war mit knapp 70 Prozent der Anteil an armutsgefährdeten Familien. Alexandra Wucher sieht darin eine gesellschaftliche Aufgabe: „Etwa ein Viertel aller Kinder in Vorarlberg sind benachteiligt. Das betrifft uns alle.“

„Kindern Lebensmut und Orientierung geben“
Geschäftsführerin Alexandra Wucher im Gespräch mit der NEUE am Sonntag. Hartinger


Herausforderungen gibt es viele. „Gerade im Kinder- und Jugendbereich hat Corona tiefe Spuren hinterlassen“, weiß Wucher. Dazu kommen Teuerung und wirtschaftliche Unsicherheit – besonders belastend für ohnehin benachteiligte Familien. Die soziale Schere öffnet sich weiter. „Unsere tägliche Arbeit zeigt: Die Not ist da. Und wir müssen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln möglichst viel bewirken.“ Die große Herausforderung sei es, gezielt zu helfen – dort, wo es am dringendsten ist.

Vorarlberger Kinderdorf

Das Vorarlberger Kinderdorf wurde 1951 von Hugo Kleinbrod gegründet und ist heute die größte Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung in Vorarlberg. Das Vorarlberger Kinderdorf gliedert sich in einen gemeinnützigen, überparteilichen und konfessionell unabhängigen Verein und eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die GmbH umfasst alle Fachbereiche, die überwiegend im Auftrag der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe arbeiten. Spendeneinnahmen fließen in den Verein für die Begleitung der ehemaligen Kinderdorfkinder, finanzielle Unterstützung von Familien in Notlagen sowie wichtige, innovative Projekte, durch die Kinder, Jugendliche und Familien im Bereich Freizeit und Bildung ermutigt und gestärkt werden.
Die Organisation bietet präventive, ambulante, teilstationäre und stationäre Unterstützungsangebote für über 3000 Kinder und Jugendliche sowie deren Familien an. Neben dem Kinderdorf Kronhalde gibt es noch weitere Fachbereiche: Familienimpulse, Pflegekinderhilfe, Netzwerk Familie, Familiendienst, Auffanggruppe, Paedakoop und Ehemaligenbegleitung. Zudem wurden neue Angebote wie der Kletterturm „Kids Buin“ ins Leben gerufen. Im Mittelpunkt des Wirkens stehen Kinder und Jugendliche, deren psychosoziale Entwicklung beeinträchtigt oder gefährdet ist. Die Hilfestellungen orientieren sich an der individuellen Lebenswelt der Kinder und ihrer Familien. Wichtigster Auftraggeber ist das Land Vorarlberg, konkret die damit betrauten Kinder- und Jugendhilfeabteilungen der Bezirkshauptmannschaften.

“Auswirkungen auf unsere Leistungen”

Die angekündigten Kürzungen im Sozialbereich machen dabei auch dem Kinderdorf Sorgen. Zwar seien derzeit noch keine konkreten Einschnitte erfolgt, doch einige Angebote seien schon jetzt nicht kostendeckend. „Wenn es so weitergeht, wird das Auswirkungen auf unsere Leistungen haben – vor allem auf jene für benachteiligte Familien“, warnt Wucher. Dabei sei die Arbeit des Kinderdorfs stark beziehungsorientiert. „Unsere Mitarbeitenden sind direkt in den Familien. Sie sehen die Herausforderungen hautnah“, betont sie. Umso wichtiger sei es, Qualität und Wirksamkeit langfristig zu sichern.

Kinderdorf