Felsen mit Rissen

In unseren wöchentlichen Evangelienkommentaren geben Geistliche, Religionslehrerinnen, Theologinnen und andere ihre Gedanken zum Sonntagsevangelium weiter. Heute mit Dominik Toplek, Pfarrer in Dornbirn.
Sonntagsevangelium
In jener Zeit, als Jesus in das Gebiet von Cäsaréa Philíppi kam, fragte er seine Jünger und sprach: Für wen halten die Menschen den Menschensohn? Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elíja, wieder andere für Jeremía oder sonst einen Propheten. Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! Jesus antwortete und sagte zu ihm: Selig bist du, Simon Barjóna; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Ich aber sage dir: Du bist Petrus – der Fels – und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein.
Matthäus 16,13-19
Felsen mit Rissen
Wenn wir am 29. Juni das Hochfest der Apostel Petrus und Paulus feiern, gedenken wir zweier Säulen der frühen Kirche – zweier Männer, die wie kaum andere das Christentum geprägt haben. Doch wer in ihre Lebensgeschichten blickt, stößt nicht auf Heldenerzählungen mit heroischen Taten und felsenfesten Glaubensüberzeugungen, sondern auf Brüche, Schattenseiten und Umwege.

Jesus nennt Petrus den „Fels“, auf dem er seine Kirche bauen will. Doch dieser Fels schwört später, Jesus nie gekannt zu haben. Derselbe, der im entscheidenden Moment wegläuft. Kein Held – ein Mensch, der stolpert. Und dennoch aufgerichtet wird und in die Verantwortung genommen wird. Gerade das macht ihn glaubwürdig. Vielleicht kann nur ein Mensch, der selbst gefallen ist, anderen ein Fels werden.
Paulus war anfangs ein Verfolger der Christen. Mit fanatischem Eifer jagte er jene, die an Jesus glaubten. Erst durch seine erschütternde Berufung (eine innere Umkehr?) wird er zum Apostel. Auch seine Briefe zeigen einen Paulus, der ringt: mit Gemeinden, mit seiner Biografie, mit seiner Schwäche.
Was verbindet die beiden? Nicht ihre Fehlerfreiheit. Sondern: Gott traut ihnen trotz allem – oder gerade deswegen? – eine große Aufgabe zu. Ohne Petrus kein “Du bist der Christus”, kein Hirtendienst. Ohne Paulus keine Mission zu den Heiden, kein Römerbrief, kein Galaterwort: “Zur Freiheit hat uns Christus befreit.”
Die Kirche lebt bis heute nicht von der Vollkommenheit ihrer Führungsfiguren. Sie lebt davon, dass Gott mit Menschen Geschichte schreibt, die Brüche haben. Petrus und Paulus verkörpern diese Gnade: Dass Gott uns nicht nur trotz unserer Schattenseiten beruft und einsetzt, sondern vielleicht gerade wegen ihnen.
Ich erinnere mich an eine Predigt, die – so empfand ich es – misslungen war. Ich war unkonzentriert, nicht bei mir, Gedanke und Botschaft kamen nicht an. Und doch kam nachher jemand auf mich zu: „Danke, genau das habe ich heute gebraucht.“ Auch das ist Kirche: Dass etwas wirkt, obwohl es bruchstückhaft ist. Dass Gott durch unsere Schwäche hindurch sich schenkt. Das Fest Peter und Paul lädt uns ein, genau so Kirche zu denken: Nicht als Ort für Perfekte, sondern als Raum für Menschen mit Geschichte – mit Ecken, Kanten und offenen Händen. Für Menschen wie Petrus, Paulus – und wie uns.