Große Gefahr: “Kinder ertrinken lautlos”

Dramatischer Badeunfall im Walgaubad zeigt erneut Gefahren mangelnder Aufsicht und Bedeutung funktionierender Rettungsketten. Siebenjährige mittlerweile aus Spital entlassen.
Ein dramatischer Zwischenfall im Walgaubad Nenzing am vergangenen Wochenende hat einmal mehr aufgezeigt, wie schnell es im Wasser lebensgefährlich werden kann – und wie wichtig Aufmerksamkeit, Vorbereitung und eine funktionierende Rettungskette sind. Ein siebenjähriges Mädchen war im Bad untergegangen, konnte aber dank einer Reanimation gerettet werden. Das Kind einer ungarischen Familie war unbeaufsichtigt und trug keine Schwimmhilfe (NEUE berichtete). Walgaubad-Geschäftsführer Oliver Tschabrun schildert die dramatischen Minuten.
„Der aktuelle Vorfall sei der vierte dieser Art seit dem Neubau des Bades im Jahr 2015“, so Tschabrun. Alle Vorfälle liefen gleich ab. „Das Problem ist immer das: Kinder ertrinken lautlos“, betont er eindringlich. „Sie können nicht schreien, sie brauchen die Luft, um zu zappeln – das sieht und hört niemand.“ Das müsse in die Köpfe der Menschen gehen, so der Geschäftsführer. „Und wenn sie dann unter Wasser sind, erkennt man es nicht.“

Wie so oft habe sich das Unglück in wenigen Minuten entwickelt – und unbemerkt. „Ich habe das ganze Ertrinkungsvideo gesehen. Es waren Erwachsene in der Nähe, aber sie konnten es nicht sehen oder hören“, berichtet Tschabrun. Das Kind sei auf einen fremden Schwimmschwan geklettert, sei von diesem abgerutscht – und das genau vom Bademeisterturm weg, sonst hätte es der Bademeister gesehen.
Unglückliche Umstände
Besonders unglücklich: Der Mann, dem der Schwan gehörte, holte sein Spielgerät aus dem Wasser – und jeder dachte, das Kind gehöre zu ihm. Tatsächlich aber blieb die Siebenjährige zurück, kämpfte rund zwei Minuten gegen das Untergehen, bevor sie auf den Beckenboden sank. „Ein Mann ist dann zufällig darüber gestolpert, hat sie herausgehoben und den Bademeister gerufen“, sagt Tschabrun. Die sofort eingeleiteten Reanimationsmaßnahmen waren erfolgreich: „Die Reanimation hat super funktioniert. Nach zweieinhalb Minuten kam das Kind zurück ins Leben und war ansprechbar. Dann haben wir sie dem Notarzt und der Rettung übergeben und anschließend wurde sie ins Landeskrankenhaus Feldkirch gebracht.“ Nachdem die Siebenjährige wieder ansprechbar war, „musste nach Rücksprache mit der Rettungs- und Feuerwehrleitstelle Vorarlberg (RFL) der von mir bereits angeforderte Rettungshubschrauber nicht eingesetzt werden“.

Rettungskette funktionierte
Dass die Rettungskette so gut funktionierte, sei kein Zufall, sagt der Geschäftsführer: „Ich besorge jedes Jahr eine Rettungspuppe, extra auch Kinderpuppen, und organisiere Reanimationsschulungen für alle Mitarbeiter. Das machen wir immer zu Saisonbeginn. Dieses Geld ist hervorragend investiert.“ Der Einsatz am Wochenende zeige eindrücklich, wie wichtig regelmäßige Übungen seien: „Wenn ich sehe, wie meine Mitarbeiter reagiert haben, macht mich das stolz.“
Aufsichtspflicht bei den Eltern
Tschabrun nimmt auch die Eltern in die Verantwortung. „In der Badeordnung steht klar: Die Aufsichtspflicht für Kinder liegt immer bei den Eltern. Mit dem Kauf einer Eintritts- oder Saisonkarte wird diese akzeptiert“, betont er. Ein großes Problem sei die Ablenkung durch Smartphones: „Man sieht oft, dass jemand zwar in der Nähe sitzt, aber mehr Aufmerksamkeit dem Handy schenkt als dem Kind. Das sind dann immer die schlechten Dinge.“ Sein eindringlicher Appell: „Unbedingt Schwimmkurse machen! Wir haben im Land hervorragende Schwimmschulen. Auch Schwimmhilfen helfen. Und natürlich: Kinder nie unbeaufsichtigt lassen.“ Dies unterstreicht auch die Wasserrettung Vorarlberg: Selbst wenn Kinder mit Schwimmhilfen ausgerüstet sind, dürfen sie nie aus den Augen gelassen werden. Für die Bademeister ist es völlig unmöglich, überall gleichzeitig zu sein und zu kontrollieren. Wer Kinder zu einem Bootsausflug einlädt, sollte auch beachten, dass sie in diesem Fall Schwimmwesten tragen.
Aus dem Vorfall zieht Tschabrun auch direkte Konsequenzen: „Ich werde ein Gerät anschaffen, um Sauerstoff geben zu können. Als das Kind wieder zu sich kam, habe ich die Sauerstoffsättigung gemessen – sie war sehr niedrig. Sauerstoff im Blut ist das Wichtigste.“ Derzeit dürfen Bademeister laut Gesetz aber maximal ein Pflaster kleben. „Ich habe jetzt aber einen bekannten Arzt gefunden, der uns eine Schulung gibt und die Anwendung medizinisch freigibt. Damit können wir im Ernstfall künftig noch besser helfen.“

Mentale Belastung
Nicht zuletzt denkt Oliver Tschabrun auch an sein Team: „Man darf auch die mentale Belastung für die Bademeister nicht vergessen. Wir haben am gleichen Abend noch darüber gesprochen. Diese Psychohygiene ist sehr wichtig. Man fragt sich automatisch: Haben wir alles richtig gemacht?“ In diesem Fall kam auch vom Roten Kreuz ein Kompliment – das Walgaubad-Team habe „alles richtig gemacht“.
Aus Spital entlassen
Die positive Nachricht: Das siebenjährige Mädchen ist inzwischen aus dem Spital entlassen worden. Das gab die Krankenhausbetriebsgesellschaft (KHBG) am Montag bekannt. „Dem Kind geht es gut, das ist das Wichtigste“, ist auch für Oliver Tschabrun klar.
Die Eltern hatten laut Polizei zu keinem Zeitpunkt Sicht auf das Kind. Sie hätten erst Kenntnis von dem Vorfall erlangt, als ihre Tochter bereits reanimiert worden war, hieß es. Gegen sie wird nun wegen fahrlässiger Körperverletzung sowie Vernachlässigung der Beaufsichtigung ermittelt.