Ohne Spenden wackelt Hilfe für Blinde und Sehbehinderte

Der Blinden- und Sehbehindertenverband Vorarlberg ist für viele Betroffene im Land eine unverzichtbare Anlaufstelle. Doch rückläufige Spenden und fehlende Sammler bereiten Sorgen. Im Oktober heißt es: „Jeder Euro hilft.“
Der Blinden- und Sehbehindertenverband Vorarlberg (BSVV) ist die einzige zentrale Anlaufstelle für blinde und sehbehinderte Menschen sowie deren Angehörige im Land. Als partei- und konfessionsunabhängiger, gemeinnütziger Verein verfolgt der BSVV seit der Gründung im Jahr 1949 ein klares Ziel: Menschen mit Sehbehinderung sollen ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können. Dabei gilt der Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ – und diese Hilfe beginnt in frühester Kindheit und reicht bis ins hohe Alter.

Wer durch Krankheit, Unfall, Alter oder von Geburt an sein Sehvermögen verliert, steht vor tiefgreifenden Herausforderungen. Der Verband gibt in dieser Lebensphase Orientierung, Sicherheit und neue Perspektiven. „Gemeinsam mit dem BSVV können Betroffene durch die fachkundige und persönliche Unterstützung selbst Betroffener und Mitarbeiter viele Hindernisse im Alltag und Berufsleben überwinden“, führt Elias Milz, Leiter vom „Haus Ingrüne“, aus. Der 32-Jährige ist seit Jänner 2019 beim BSVV engagiert.

Finanzierung
Einige Angebote des BSVV für die Betroffenen werden zum Teil über öffentliche Mittel (Sozialfonds des Landes) finanziert, aber zum Großteil durch Spenden von Privatpersonen und Unternehmen. Daher ist die Spendenbereitschaft überaus wichtig – sie macht den Fortbestand und die Weiterentwicklung der Unterstützungsleistungen überhaupt erst möglich.

Mit einer Spende an den BSVV kann konkret geholfen werden: Kinder mit mehrfacher Sehbehinderung erhalten gezielte Sehfrühförderung, Jugendliche und Erwachsene werden auf dem Weg zu mehr Selbstständigkeit unterstützt, Senioren regelmäßig zu Hause besucht und beraten. „Darüber hinaus hilft der Verband seinen Mitgliedern auch finanziell beim Erwerb wichtiger Hilfsmittel – von der sprechenden Uhr bis zur Spezialsoftware. Jede Spende trägt dazu bei, Barrieren abzubauen – sichtbar und unsichtbar. Sie ist ein Zeichen der Solidarität mit Menschen, die tagtäglich mit ihrer Sehbeeinträchtigung leben und trotzdem selbstständig und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhaben möchten“, so Milz, der ergänzt: „Der Blinden- und Sehbehindertenverband kann diesen Weg nur dann weitergehen, wenn genügend Menschen bereit sind, ihn mitzutragen – mit einer Spende, die Mut macht und Zukunft schenkt.“

Spenden haben enorme Bedeutung
Im Oktober führt der BSVV erneut seine jährliche große Landesblindensammlung durch. Elias Milz unterstreicht dabei im Gespräch mit der NEUE im „Haus Ingrüne“ die enorme Bedeutung der Aktion: „Die Spenden sind neben den öffentlichen Mitteln die wichtigste Einnahmequelle des BSVV.“ Ohne sie sei die Arbeit des Verbands kaum denkbar.

Doch das System gerät ins Wanken: „Leider werden es weniger. Wir finden immer weniger Leute, die sammeln, und auch die Spendenbereitschaft nimmt ab“, sagt Milz. In einigen Regionen Vorarlbergs fehle es an engagierten Helfern. „Wenn in jedem Dorf eine Person sammeln würde, wäre das ideal – aber das ist leider eher Wunschdenken“, meint er. Dabei sei der Einstieg einfach: Im September gibt es ein Sammlertreffen mit Informationen, Materialien und Sammelausweisen. Der 32-Jährige erklärt: „Vor allem neue Sammler bekommen dort erklärt, wofür wir eigentlich sammeln und wofür der BSVV steht.“ Während des Oktobers können die freiwilligen Helfer dann selbst entscheiden, wann und wie oft sie sammeln gehen.

“Das wäre fatal”
Dass die Spenden zurückgehen, hat laut Milz schwerwiegende Folgen: „Wenn sie zurückgehen, könnten wir sogar die Spendenabsetzbarkeit verlieren.“ Das hätte gravierende Auswirkungen, denn: „Wenn Spenden nicht mehr steuerlich absetzbar sind, spenden viele noch weniger. Das wäre fatal.“ Fakt ist: „Die Spenden sind in den letzten Jahren stetig rückläufig.“

Auch wenn der Verband derzeit von den Sparmaßnahmen der Landesregierung nicht betroffen ist – durch Verhandlungen konnten die Förderungen gesichert werden – blickt Milz vorsichtig in die Zukunft: „Wie es in zwei Jahren aussieht, wissen wir allerdings nicht.“
BSVV im Überblick
Ein zentrales Element des BSVV ist das barrierefreie Zentrum am Kehlerpark 2 in Dornbirn, wo sich die Rehabilitationsstelle, der Hilfsmittelshop und die pädagogische Sehfrühförderstelle „sehsam“ befinden. Hier wird individuell und alltagsnah gearbeitet: Im Bereich Orientierung und Mobilität lernen Betroffene, sich sicher in ihrer Umgebung zu bewegen. Das Training findet direkt im Lebensumfeld – zu Hause, in der Schule oder im Beruf – statt. Parallel dazu unterstützt das Training in lebenspraktischen Fähigkeiten beim Bewältigen alltäglicher Aufgaben: vom Essen über die Haushaltsführung bis zur Körperpflege oder der Kommunikation mit Telefon, Geld oder Punktschrift. „Auch die Low-Vision-Beratung gehört zum Angebot: Ziel ist es, das verbleibende Sehvermögen optimal zu nutzen“, so Elias Milz.
Besonders wichtig ist die Sehfrühförderung von Kindern zwischen 0 und 6 Jahren, wie sie im Programm „Pädagogische Sehfrühförderung sehsam“ geleistet wird. Hier werden Kinder mit Sehbehinderung individuell und spielerisch begleitet – zu Hause, im Kindergarten oder in der Spielgruppe. Eine gezielte visuelle Sehförderung in diesen frühen Lebensjahren legt den Grundstein für eine möglichst selbstständige Entwicklung.
Ein weiterer Ort der Begegnung ist der Vereinssitz „Haus Ingrüne“ in Schwarzach, das vom BSVV betrieben wird. Es bietet besondere Erlebnisse wie das „Dinner in the Dark“ oder das „Frühstück im Dunkeln“, sowie Kegelveranstaltungen, Grillfeste oder Ausflüge an. Eine eigene Blindenschießanlage, ein Außenpool, den die Gemeinde Schwarzach für Schwimmkurse nutzt, barrierefreie Spazierwege und ein großer Veranstaltungssaal, der für Anlässe gebucht werden kann, runden das vielseitige Angebot ab. „Vor allem das ‚Dinner in the Dark‘, bei dem ein Viergänge-Menü in völliger Dunkelheit serviert wird, kommt gut an“, sagt Obmann-Stellvertreterin Herta Gächter. „Dabei herrscht immer eine tolle Stimmung.“ Die 76-Jährige ist auch aktiv involviert – als Kellnerin.
Ein weiteres Problem: Immer wieder gibt es im Rahmen der Spendenaktion Betrugsfälle. „Ganz wichtig: Unsere Sammler tragen einen offiziellen Sammelausweis. Wenn man unsicher ist, einfach danach fragen – sie haben ihn immer dabei“, rät Milz. Denn: „Leider gab es schon einige Fälle, wo Menschen ohne Genehmigung gesammelt haben.“

Auf Spenden angewiesen
Einbringen können sich bei der Landesblindensammlung Menschen ab 14 Jahren, Jüngere nur in Begleitung. Milz wünscht sich, dass sich mehr Menschen beteiligen – ob beim Sammeln oder beim Spenden: „Der BSVV ist die einzige Anlaufstelle in Vorarlberg für blinde und sehbehinderte Menschen. Wir sind auf Spenden angewiesen. Je mehr gesammelt wird, desto besser für die Menschen, die auf die Arbeit des BSVV angewiesen sind.“

Auch für Herta Gächter, Obmann-Stellvertreterin beim BSVV, ist klar: „Der Verband ist als einzige Anlaufstelle sehr wichtig und bietet auch viele Aktivitäten an. Wir brauchen aber die Unterstützung der freiwilligen Helfer und die Großzügigkeit der Spender. Jede Hilfe zählt“, sagt die 76-Jährige, die von Geburt an blind ist und seit 1967 aktiv im Verband tätig ist.

Spenden sind auch außerhalb der Landesblindensammlung im Oktober jederzeit auf der BSVV-Hompage www.bsvv.at möglich.