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Evangeliumkommentar: Der Gärtner vom Comer See

10.08.2025 • 11:00 Uhr
Evangeliumkommentar: Der Gärtner vom Comer See
Die Villa Arconati am Comer See. Shutterstock

In unseren wöchentlichen Evangelienkommentaren geben Geistliche, Religionslehrerinnen, Theologinnen und andere ihre Gedanken zum Sonntagsevangelium weiter. Heute mit Norman Buschauer, Vikar in Bregenz.

Sonntagsevangelium

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Eure Hüften sollen gegürtet sein und eure Lampen brennen! Seid wie Menschen, die auf ihren Herrn warten, der von einer Hochzeit zurückkehrt, damit sie ihm sogleich öffnen, wenn er kommt und anklopft! Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt! Amen, ich sage euch: Er wird sich gürten, sie am Tisch Platz nehmen lassen und sie der Reihe nach bedienen. Und kommt er erst in der zweiten oder dritten Nachtwache und findet sie wach – selig sind sie. Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, in welcher Stunde der Dieb kommt, so würde er verhindern, dass man in sein Haus einbricht. Haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet. Lukas 12,35–40

Der Gärtner vom Comer See

Auf einer Halbinsel des Comer Sees träumt die Villa Arconati einsam vor sich hin. Nur der Gärtner lebt dort, und er führt auch die Besucherinnen und Besucher. Ein Besucher fragt ihn: „Wie lange sind Sie schon hier?“ – „24 Jahre.“ – „Und wie oft war die Herrschaft hier in dieser Zeit?“ – „Viermal.“ – „Wann war das letzte Mal?“ – „Vor zwölf Jahren. Ansonsten bin ich immer allein. Sehr selten, dass Besuch kommt.“ – „Aber Sie halten den Garten so gut in Schuss, so herrlich gepflegt, dass Ihre Herrschaft morgen kommen könnte!“ Der Gärtner lächelt: „Oggi, Signore, oggi! Heute, mein Herr, heute!“ An diese Geschichte musste ich als Erstes denken, als ich das Evangelium las. Nicht etwa, weil der Comer See – nicht nur jetzt im Sommer – ein wunderbares Plätzchen ist, sondern weil mich die Haltung des Gärtners fasziniert. Heutzutage könnten wir uns vorstellen, dass die Herrschaft sich per E-Mail anmeldet, damit alles nach ihren Wünschen hergerichtet wird und das Personal nicht ständig auf Stand-by parat sein muss. Aber der Gärtner zeigt uns eine andere Haltung: Er ist bereit – jederzeit! Nicht erst auf Abruf, sondern aus seiner Grundhaltung heraus. Das stellt mich natürlich unmittelbar vor die Frage, wie es denn mit meiner Grundhaltung aussieht. Und konkret – wir lesen ja das Evangelium zu diesem Sonntag – mit meiner Beziehung zu Jesus Christus, der Worte der Frohen Botschaft heute an uns richtet. Bin ich bereit, mich auf ihn und seinen Lebensentwurf einzulassen? Ganz? Teilweise? Nach meinen Vorstellungen?

Friedrich Nietzsche wird ein ganz entscheidendes Zitat zugeschrieben: „Wenn alle Christen Christen wären …“ Und zwar voll und ganz nach Christi Botschaft: friedens- und feindesliebend, gerecht, barmherzig, offen – besonders für jene Menschen, die am sogenannten Rand unserer Gesellschaft stehen. Wie würde das unsere Welt verändern? Was Jesus uns heute sagt, wird noch deutlicher, wenn wir die längere Fassung des Sonntagsevangeliums lesen – Lk 12, 32–48 –, ich denke aber, dass in den meisten Pfarrgemeinden bei der kurzen Fassung geblieben wird. Nach dem Lebensplan Jesu zu leben, seine Worte ernst zu nehmen – auch wenn so mancher gesellschaftlicher Gegenwind zu spüren ist –, das heißt, Christ sein. Nicht irgendwann einmal, wenn es gerade in den Kram passt, sondern jederzeit: „Oggi, Signore, oggi!“ Oder wie Papst Leo am Samstag der Vorwoche tausenden jungen Menschen zurief: „Dient den Armen und bezeugt das Gute, das wir uns selbst immer vom Nächsten wünschen würden! Lernt, arbeitet, liebt im Stil Jesu – des guten Meisters, der immer an unserer Seite geht. Wie sehr braucht die Welt Missionare des Evangeliums, die Zeugen der Gerechtigkeit und des Friedens sind! Wie sehr braucht die Zukunft Männer und Frauen, die Zeugen der Hoffnung sind!“ „Wenn alle Christen Christen wären …“ – wie würde die Welt verwandelt werden? Nur mit konkretem Leben und Handeln müssen wir unsere Bereitschaft zur Nachfolge zeigen – nicht irgendwann einmal, sondern: „Oggi, Signore, oggi!“ Man wird doch wohl noch träumen dürfen!

Caritasseelsorger Buschauer
Norman Buschauer ist Vikar in Bregenz.