Stehen Vorarlbergs Spitalsärzte vor einem Dienstplan-Kollaps?

Gehaltsstopp gefährdet Betriebsvereinbarung für verlängerte Dienste – Kurienobmann Blaßnig warnt vor „nicht wiedergutzumachendem Schaden für die Gesundheitsversorgung“.
Noch im Juli 2024 herrschte Aufbruchsstimmung. Landeshauptmann Markus Wallner, Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher, die Krankenhausbetriebsgesellschaft (KHBG), Ärztekammer und Zentralbetriebsrat präsentierten ein umfassendes Gehalts- und Karrieremodell für Krankenhausmitarbeiter. Ziel war es, Abwanderungstendenzen zu stoppen und die ärztliche Versorgung im Land langfristig abzusichern.
Wie die NEUE berichtete, hat die Landesregierung den zweiten Teil des Gehaltspakets nach der Landtagswahl bis auf Weiteres ausgesetzt. Brisant: Die Verlängerung der Betriebsvereinbarung war ausdrücklich an diesen zweiten Gehaltsschritt gekoppelt. Mit der Betriebsvereinbarung erklären sich die Spitalsärzte grundsätzlich damit einverstanden, mehr Stunden am Stück zu arbeiten als im Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG) als Maximalarbeitszeit festgeschrieben sind. Insbesondere werden damit verlängerte Dienste (24 Stunden am Stück) möglich. Nun drohen arbeitszeitrechtliche und organisatorische Probleme in den Landeskrankenhäusern.

Große Verunsicherung
In einem Schreiben an die Spitalsärzteschaft, das der NEUE vorliegt, warnt Kurienobmann Hermann Blaßnig vor weitreichenden Folgen. In den Krankenhäusern herrscht derzeit große Verunsicherung. Denn läuft die Vereinbarung mit Ende November aus, sind ab 1. Dezember verlängerte Dienste über 13 Stunden rechtlich nicht mehr möglich. Die Auswirkungen, so Blaßnig, könnten nicht abgeschätzt werden, auch nicht, ob gesplittete Dienste auf allen Abteilungen möglich sein werden. Statt planbarer Freizeit drohen laut Blaßnig nun mehr Abenddienste, weniger ganze Tage frei – und Dienstplanwünsche könnten weniger berücksichtigt werden.
“Ein Geschenk der besonderen Art”
„Das bedeutet ein Ende der Bemühungen, attraktive und familienfreundliche Arbeitszeiten zu schaffen“, schreibt der Kurienobmann. Zudem müssten an Feiertagen künftig doppelt so viele Ärzte Dienst leisten wie bisher. Blaßnig spricht mit Blick auf die Weihnachtsfeiertage von einem „Geschenk der besonderen Art“. Ein Wegfall der Betriebsvereinbarung würde, so Blaßnig, einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für die Spitäler und die Gesundheitsversorgung im Land bedeuten. Die Ärztekammer appelliert daher an das KHBG-Management, sich für die Umsetzung der Gehaltsanpassung einzusetzen Auch rechtlich könnte es heikel werden: Die Einhaltung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes (KA-AZG) wäre laut Blaßnig kaum mehr möglich. Er rät Primarärzten, ihre Zustimmungserklärungen gegenüber der Arbeitsinspektion schriftlich zu widerrufen.

Kurienobmann kritisiert “Wortbruch”
Schon 2023 forderten 85 Prozent aller Spitalsärzte im Land in einer Petition eine Erhöhung der Grundgehälter um 30 Prozent. Die Einigung im Juli 2024 war sozusagen ein Kompromiss. Damals sagte Blaßnig, er sei zuversichtlich, dass auch der zweite Teil des Pakets gemeinsam geschnürt werde. Diese Hoffnung ist allerdings enttäuscht worden. In seinem Rundschreiben spricht Blaßnig offen von einem „Wortbruch“ seitens der Landesregierung. Seinen ursprünglichen Absichtserklärungen zum Trotz habe Landeshauptmann und Finanzreferent Markus Wallner den Gehaltsanpassungsprozess gestoppt.
Rüscher: Gespräch Ende September
Die NEUE hat sowohl Wallner als auch die zuständige Landesrätin Martina Rüscher (beide ÖVP) um eine Stellungnahme gebeten. Geantwortet hat ausschließlich Rüscher. Sie erklärte, dass „über den Sommer Optionen analysiert und intern besprochen werden“. Ein Gespräch mit Ärztekammer und Zentralbetriebsrat sei bis spätestens Ende September vorgesehen. „Eine Betriebsvereinbarung ist grundsätzlich im beiderseitigen Interesse. Den Gesprächen im Herbst soll aber nicht vorgegriffen werden“, so Rüscher auf Anfrage.
Zugleich betont die Landesrätin, dass es in den vergangenen Monaten „konstruktive Gespräche“ mit Ärztekammer und Zentralbetriebsrat gegeben habe. Zur Eindämmung von Abwanderungstendenzen verweist Rüscher auf eine Reihe bereits gesetzter Maßnahmen: Etwa auf das neue Karrieremodell für Spitalsärzte, auf verbesserte Ausbildungsstrukturen und auf Maßnahmen zur Führungsentwicklung. Diese hätten laut Ressort zu einer insgesamt stabilen Personalsituation beigetragen.