_Homepage

Die gelebte Kunst des Juppenmachens

17.08.2025 • 17:00 Uhr
Die gelebte Kunst des Juppenmachens
Jedes Motiv ist ein Unikat, mit echtem Goldgarn gestickt und in traditioneller Technik ausgeführt. Hartinger (8)

Die Juppenwerkstatt Riefensberg ist etwas ganz Besonderes. Hier wird der Bregenzerwälder Juppenstoff hergestellt und ein Trachtenmuseum mit Schaubetrieb geführt. Es ist ein Ort der Vernetzung, Beratung und Ausbildung, der den beteiligten Handwerken eine Zukunft schenkt.

Von Miriam Jaeneke

Damit die damit befassten Fachfrauen traditionelles Glanzleinenplissee herstellen können, braucht es eine sehr günstige Konstellation. Das Wetter sollte sonnig, aber nicht zu heiß, außerdem nicht zu feucht und natürlich keinesfalls nass sein. Denn die um die fünf Meter langen Stoff- bahnen werden von Hand geleimt, ausgewrungen, im Freien ausgeschüttelt und schließlich auf dem Rasen zum Trocknen ausgelegt. Für Letzteres sollten sie an die eineinviertel Stunden brauchen, nicht viel mehr und nicht viel weniger. Im Frühjahr ist es noch nicht heiß genug, im Hochsommer zu heiß. Bleiben der Frühsommer und der Spätsommer.

Die gelebte Kunst des Juppenmachens
Echte Handarbeit mit Fingerspitzengefühl.

Viel Stoff, viel Wissen

4,80 Meter Glanzleinenplissee benötigt eine Bregenzerwälder Frauentracht in Konfektionsgröße 38, bereits 5,40 Meter sind es bei einer Größe 44. Das feine Leinen wird von einem Betrieb in Deutschland extra für die Juppenwerkstatt Riefensberg gewebt. Wenn es in Riefensberg ankommt, ist es bereits schwarz eingefärbt. Der Stoff muss der traditionellen Behandlung standhalten. Dazu wird ein besonderer Knochen-Leder-Leim hergestellt – nach einem über Jahrhunderte tradierten Rezept. Er wird vorsichtig in einem Kessel warm gehalten, um die Stoffstücke eintauchen zu können; das fachmännisch betreute Feuer tut das Seine dazu. Beim Ausbreiten auf dem sonnenbeschienenen Rasen schauen die Frauen genau, ob der Stoff den Leim gleichmäßig aufgenommen hat und sehen dabei Details, die anderen Augen entgehen. In den nächsten Arbeitsschritten sorgen geübte Hände an über hundert Jahre alten Maschinen für das „Glästen“, das heißt für das glänzend Machen und das Fälteln der langen Stoffbahnen.

Die gelebte Kunst des Juppenmachens
Das Leimen, Auswringen und Auslegen des Glanzleinens im Freien folgt streng den Wetterbedingungen.

Eine Tracht, sechs Handwerke

20 bis 25 Stoffe werden im Jahr auf diese Weise für ihr Juppendasein vorbereitet. Die Stoffe können in der Juppenwerkstatt bestellt und gekauft werden. Für eine ganze Tracht braucht es außerdem noch die Kenntnisse und Fertigkeiten einer Knüpferin, einer Stickerin, einer Hut- beziehungsweise Kappen- oder Schappalemacherin, eines Goldschmieds für die Schnalle, eines Sattlers für den Gürtel und einer Juppennäherin, die die Einzelteile zusammenfügt und die Juppe fertigstellt.

Die gelebte Kunst des Juppenmachens

„Das Oberteil der Bregenzerwäldertracht ist mit Schlingstichen körpernah gearbeitet. Auf eine einengende Schnürung wird verzichtet“, erklärt die stellvertretende Leiterin der Juppenwerkstatt Maria Rose Steurer-Lang, die auch für den wissenschaftlichen Bereich zuständig ist. Ihre Erkenntnis aus der Arbeit für die Juppenwerkstatt ist: „Besonders die jungen Leute wollen wissen, was das Besondere an der Tracht ist, worin ihr Wert über das Monetäre hinaus besteht. Glanzleinen gehört zur Festtagskultur. Wie viele Frauen hier aber eine Tracht im Schrank haben, wissen wir nicht.“ Falten finden sich in vielen traditionellen Trachten. An der Bregenzerwäldertracht besonders ist, dass die Frauen sich auf sie setzen und wieder aufstehen können, ohne dass die Falten zerstört sind. Dabei entscheidend ist die Sitzkultur: Stoff zusammenhalten, aufrecht an die Kante setzen, vorsichtig den Po zurückschieben, so geht’s.

Die gelebte Kunst des Juppenmachens
Die gelebte Kunst des Juppenmachens

Demonstration von Zugehörigkeit

Die Falten sollten früher demonstrieren, dass die Trägerinnen sich so viel Stoff leisten können, es ging ums Repräsentieren. Heute geht es um das Erhalten einer Tradition, ums Dazugehören, um einen Ausdruck von Identität und das Zeigen von „hier bin ich daheim“. Über das Vererben von Trachten oder Trachtenbestandteilen werden außerdem bleibende Erinnerungen geschaffen. Hinter der Juppenwerkstatt Riefensberg steht ein Verein; er wird von sehr engagierten Frauen geführt. Die Leiterin des Hauses Martina Mätzler verweist stolz darauf, dass dieses mit dem Museumsgütesiegel ausgezeichnet wurde. Das bedeutet unter anderem, dass die Möglichkeit besteht zu sammeln und den Bestand systematisch zu erweitern. Ostseitig wird das alte Holzgebäude durch eine Glasschindelfassade beleuchtet. Auf einen Blick ist klar: Hier treffen Tradition und Moderne aufeinander und vereinen sich im besten Sinne. In einem geräumigen Veranstaltungssaal nebenan werden textile Handwerkstechniken vermittelt.

Die gelebte Kunst des Juppenmachens

Die Welten einer Stickerin

Das Handwerk lebendig zu halten, das ist den Macherinnen hier wichtig. Deshalb ist bei angemeldeten Führungen eine Kunsthandwerkerin vor Ort und präsentiert ihr Wissen und Können. An diesem Tag ist Monika Arnold im ersten Stock und erklärt das Sticken mit Echtgoldgarn. Dieses besteht aus einer Seidenseele, die mit Gold umwickelt ist. Ein Gramm kostet zwölf Euro, Nachlässigkeiten sind also teuer. Außerdem muss der Faden, einmal im Nadelöhr, ohne Knoten fixiert werden, damit er nicht rausrutscht. Arnold verziert Miederausstattungen mit Blumen und abstrakten Ornamenten. Dabei entwirft sie selbst Muster, greift aber auch auf uralte Vorlagen zurück. „Edelweiß und Enzian, das gehört nach Bayern, das sticke ich nicht.“

Die gelebte Kunst des Juppenmachens

Jedes Teil, das sie stickt, ist ein Unikat. Arnold arbeitet zu Hause, wie es schon früher Tradition war. Was braucht sie, um zu arbeiten? „Wichtig sind gutes Sehen“ – sie deutet schmunzelnd auf ihre Brille – „und gutes Licht“. Hinzu kommt natürlich der Spaß an der Sache, sonst wäre das nicht seit über 20 Jahren ihr häuslicher Nebenerwerb. Außerdem hat sie selbst vier Juppen im Schrank hängen, die sie alle gerne anhat. „Tracht zu tragen ist ein b’sundrigs Gefühl, auswärts wird man damit fast auf Händen getragen.“ Was auch an ihren feinen Goldstickereien liegt, die sich zwar an Altem orientieren, aber ganz und gar nicht altbacken daherkommen. Mit ihrer Arbeit sorgt nicht zuletzt Monika Arnold mit dafür, dass das Juppentragen im Bregenzerwald gelebte Kultur bleiben kann.

Juppenwerkstatt Riefensberg

Dorf 52, Riefensberg


Mail: info@juppenwerkstatt.at
Web: www.juppenwerkstatt.at

Öffnungszeiten ohne Führung:
Dienstag, 10 bis 12 Uhr, Freitag,
10 bis 12 Uhr und 14 bis 16 Uhr


Führungen auf Anmeldung:
Montag bis Sonntag


Öffentliche Führungen ohne Anmeldung:
Jeden Samstag und am ersten Sonntag im Monat, jeweils 10 Uhr