Evangeliumkommentar: Mir reicht’s!

In unseren wöchentlichen Evangelienkommentaren geben Geistliche ihre Gedanken zum Sonntagsevangelium weiter. Heute mit Jakob Geier, Kaplan im Seelsorgeraum Bludenz.
Sonntagsevangelium
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! Ich muss mit einer Taufe getauft werden und wie bin ich bedrängt, bis sie vollzogen ist. Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf der Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, sondern Spaltung. Denn von nun an werden fünf Menschen im gleichen Haus in Zwietracht leben: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei; der Vater wird gegen den Sohn stehen und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.
Lukas 12,49-53
Mir reicht’s!
Unzählige Kommentare, Bibelauslegungen, Predigtvorschläge und natürlich auch die künstliche Intelligenz habe ich befragt. Was soll man zu diesem Evangelium sagen? Ich habe es satt, wieder einmal einen Abschnitt aus der Bibel so zurechtzudrehen, dass die geschätzte Leserin und der fromme Hörer meiner Predigt sich zufrieden zurücklehnen können und sagen: Gott sei Dank hat der Herr Kaplan das Bild vom lieben Gott gerettet – dann kann ich mich ja getrost meinem Alltag widmen. Diesmal nicht. Mir reicht’s! Man muss nicht alles schönreden – so ist das Leben nicht; zumindest nicht immer.
Denn Jesus sagt heute nicht: „Kommt alle her, ich werde euch umarmen, trösten, liebhaben und eure Konflikte wegkuscheln.“ Nein. Er sagt: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen.“ Und gleich danach: „Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden zu bringen? Nein, sondern Spaltung.“ Das geht ganz klar gegen den Strich. Gegen unser Bedürfnis nach Harmonie, unsere Vorstellung vom „lieben Gott“, der alles glattbügelt und alles duldet.
Aber vielleicht ist es genau das, was wir heute brauchen: ein Gott, der nicht mehr duldet. Der nicht mehr schweigt. Der nicht mehr zusieht. Ein Gott, der seine Jüngerinnen und Jünger nicht zur Friedhofsruhe ruft, sondern zum mutigen Bekenntnis. Denn Jesu Feuer ist kein blindes Wüten, das alles ziellos zerstören will. Es ist das Feuer der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Liebe – aber einer Liebe, die nicht alles mitmacht. Es brennt. Es fordert heraus. Es ist unbequem.
Und genau da fängt unser Glaube an, lebendig zu werden. Wo wir nicht mehr alles beschönigen. Wo wir uns der Wirklichkeit stellen: Ja, es gibt Spaltungen – auch in Familien, auch in Gemeinden, auch in unserer Kirche. Und manchmal, so schwer das ist, gehören sie dazu. Weil ein Glaube, der nie aneckt, vielleicht auch nie etwas bedeutet hat.
Jesus wusste, dass seine Botschaft nicht alle vereinen würde. Dass sie Unruhe bringen würde – auch in scheinbar heile Welten. Wer für Gerechtigkeit einsteht, legt sich zwangsläufig mit den Profiteuren des Unrechts an. Wer Wahrheit ausspricht, wird nicht überall willkommen geheißen. Und wer radikal liebt, zieht Grenzen – dort, wo Hass und Gewalt die Oberhand gewinnen wollen.
Also: Nein diesmal rette ich das Bild vom „lieben Gott“ nicht. Diesmal lasse ich den Text stehen – hart, fordernd, brennend. Vielleicht ist es genau das, was wir brauchen: ein wenig mehr heiliges Feuer. Denn manchmal reicht es eben wirklich. Mit dem Wegducken. Mit dem Schönreden. Mit der Angst, anzuecken. Christsein heißt nicht, alle Konflikte zu vermeiden. Christsein heißt: dem Feuer Raum geben, das in uns brennt, weil Christus es entzündet hat. Und dann zu brennen – für das Gute, das Wahre, das Gerechte. Auch wenn’s wehtut.
