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Langzeitarbeitslosigkeit: Regionale Jobgarantie gefordert

09.10.2025 • 18:59 Uhr
Langzeitarbeitslosigkeit
Fachdiskussion zum Thema „Zukunft ohne Sackgasse – Wege aus der Langzeitarbeitslosigkeit“: Bernhard Bereuter, Bernhard Heinzle, Simon Theurl, Clara Moder, Dominic Götz und Ulli Schmid-Santer (v.l.).akv

Massiver Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit in Vorarlberg. AK und arbeit plus fordern daher eine regionale Jobgarantie, die laut Arbeitsmarktexperten finanzierbar und umsetzbar ist.

Die Arbeiterkammer (AK) Vorarlberg und arbeit plus – Soziale Unternehmen Vorarlberg schlagen Alarm: Innerhalb eines Jahres ist die Langzeitarbeitslosigkeit im Land um 23 Prozent gestiegen. Waren Ende September 2024 noch 1679 Menschen langzeitbeschäftigungslos, sind es heuer bereits 2065 – fast 400 mehr. Gleichzeitig sinken die AMS-Ressourcen für aktive Arbeitsmarktpolitik. Bei einer Fachdiskussion mit Experten und Expertinnen in der Schaffarei in Feldkirch suchten AK und arbeit plus nach Lösungen für diese bedenkliche Entwicklung.

23 Prozent Zuwachs

„Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Im September 2025 waren 10.565 Menschen in Vorarlberg arbeitslos – ein Plus von 3,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Besonders stark trifft es Langzeitarbeitslose mit einem Zuwachs von 23 Prozent“, führte AMS-Landesgeschäftsführer Bernhard Bereuter zu Beginn aus.
„Wir beobachten die Entwicklung am Arbeitsmarkt mit großer Sorge“, ergänzte AK-Präsident Bernhard Heinzle. „Während sich die Wirtschaftsprognosen nur langsam erholen, steigen die Arbeitslosenzahlen weiter. Gleichzeitig wird auch beim AMS gespart und die hohe Inflation schwächt die Kaufkraft zusätzlich.“
Das bedeutet: Mehr Arbeit für das AMS, bei sinkenden Ressourcen. Immer mehr Arbeitssuchende stehen einer schrumpfenden Beratungs- und Betreuungsstruktur gegenüber – mit zunehmender Perspektivlosigkeit für immer mehr Menschen als Folge.

Großes Problem

Vor allem die steigende Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen sei ein großes Problem, betonte Heinzle: „Unabhängig von der Konjunktur übernehmen Unternehmen zu wenig soziale Verantwortung – das ist auch ein gesellschaftspolitisches Problem.“ Die Lage würde sich zusätzlich verschärfen, da die Zahl jener Personen steigt, für die Land und AMS keine ausreichenden Angebote haben. Besonders betroffen von Langzeitarbeitslosigkeit seien ältere Menschen, Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen, niedriger Bildung oder Migrationsgeschichte. „Je länger die Arbeitslosigkeit dauert, desto schwieriger wird der Wiedereinstieg – bis hin zu massiven psychischen Belastungen“, führte der AK-Präsident aus.

AMS


Dass es auch anders geht, würden die Mitgliedsbetriebe von arbeit plus Vorarlberg beweisen. Sie bieten im Rahmen von Sozialökonomischen Betrieben (SÖB) und Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten (GBP) im Jahr 2025 für rund 400 langzeitarbeitslose Menschen Beschäftigung, Qualifizierung und soziale Begleitung. „Soziale Unternehmen bieten ein großartiges Produkt an – Arbeitsplätze“, so Ulli Schmid-Santer, Geschäftsführerin von arbeit plus Vorarlberg. „Hier gelingt vieles: bedürfnisorientierte Arbeits- und Aufgabengestaltung, Erwerbstätigkeit statt Arbeitslosigkeit, soziale Begleitung.“ Doch auch hier zeigen sich die Grenzen des bestehenden Systems: „Nicht alle können in externe Unternehmen vermittelt werden, obwohl sie Arbeitsfähigkeit unter bestimmten Rahmenbedingungen bewiesen haben“, sagte Schmid-Santer weiter. „Für diese Menschen benötigen wir ein neues Angebot, um sie nicht wieder zurück in die Arbeitslosigkeit schicken zu müssen.“


Ein Ansatz, auf den sich die Experten und Expertinnen in der gestrigen Runde einigten, ist eine regionale Jobgarantie. „Wir wollen eine Arbeitsplatzgarantie“, stellte Heinzle klar. „Vorarlberg hat mit der Lehrstellengarantie gezeigt, dass so etwas funktioniert – jeder Jugendliche, der eine Lehrstelle will, aber keine findet, bekommt eine. Warum also nicht auch eine regionale Arbeitsplatzgarantie? Alle, die arbeiten wollen, sollen arbeiten können.“

Finanzierbar

Laut Simon Theurl, Arbeitsmarktexperte der AK Wien, wäre ein solches Modell auch finanzierbar: „Der Schlüssel liegt darin, bestehende Ausgaben für Arbeitslosigkeit in die Finanzierung von Arbeitsplätzen umzulenken. Durch Kooperationen zwischen Gemeinden, AMS und Unternehmen können zusätzliche Ressourcen mobilisiert werden.“
„Die Erfahrung zeigt, dass gute, sinnstiftende Arbeit die negativen Folgen von Arbeitslosigkeit umkehren kann“, betonte Clara Moder, Expertin für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. „Eine regionale Jobgarantie bietet neue Perspektiven – freiwillig, existenzsichernd und mit Entwicklungsmöglichkeiten. Sie eröffnet Chancen für Menschen, die sonst oft aufgegeben werden.“

Modell funktioniert

Die Vorarlberger Sozialen Unternehmen haben mit ihren 53 Standorten, rund 400 fix Angestellten und einem Jahresumsatz von 26 Millionen Euro (2024) bereits bewiesen, dass dieses Modell funktioniert. Nun fordern AK und arbeit plus die Politik auf, die Rahmenbedingungen für eine regionale Jobgarantie zu schaffen. „Wir müssen neue Wege suchen, Kooperationen eingehen“, so Bereuter. Moder ergänzt: „Recht auf Arbeit hat jeder. Regionales Denken ist dabei sicher positiv und förderlich für eine Jobgarantie.“ Und für Heinzle ist klar: „Wir müssen Arbeit und nicht Arbeitslosigkeit finanzieren.“ Es seien auch in Österreich schon diesbezügliche Modelle vorhanden, „wir müssen sie nicht neu erfinden“.