Evangeliumkommentar: Warum nicht hartnäckig?

In unseren wöchentlichen Evangelienkommentaren geben Geistliche, Religionslehrerinnen, Theologinnen und andere ihre Gedanken zum Sonntagsevangelium weiter. Heute mit Wilfried M. Blum, Caritas-Seelsorger.
Sonntagsevangelium
Jesus sagte ihnen durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten: In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm. In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange Zeit nicht. Dann aber sagte er sich:
Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht. Der Herr aber sprach: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden? Lukas 18,1-8
Warum nicht hartnäckig?
Vielleicht ist manchen aufgefallen, dass María Corina Machado aus Venezuela, die Friedensnobelpreisträgerin 2025, Rosenkränze in den Farben ihres Landes um ihren Hals trägt. Uns ist es eher fremd, dort aber selbstverständlich. Jahrelanger Widerstand und Kampf um Gerechtigkeit verkraften Menschen oft nur durch ihren Glauben. Ihr Beten ist „Motor“ und Antrieb dafür. Ich denke auch an Muslime im zerbombten Gaza, die in Interviews stets mit Gottvertrauen trostlose Situation hinnehmen, mit Worten wie „Allah wird uns schon beistehen. Er wird uns helfen“.
Schon sind wir mitten im Evangelium. Jesus erzählt eine Geschichte aus dem Alltag, und zwar anhand eines sehr krassen Beispiels. Es geht um eine Witwe, ohne Schutz in einer Männerwelt. Dann ist da ein Richter, dem Gott wurscht ist und der auch keine Angst vor Menschen hat. Konträrer könnte es nicht sein!
Es geht um einen Konflikt um Recht und Gerechtigkeit. „Schaffe mir Recht!“, fordert hartnäckig die Frau. Sie bedrängt geradezu diesen Richter. Dieser lässt sich „lange Zeit“ betteln. Erst als er sich in seiner Ehre bedroht fühlt, lenkt er ein. Nicht aus Liebe zur Gerechtigkeit handelt er, sondern aus dem einfachen Grund, weil er endlich seine Ruhe haben will. Das kenne ich auch. Seit Jahren kenne ich jemanden mit „ewigen“ Geldnöten. Gegen alle meine Vorsätze überweise ich ihm doch wieder Geld und handle wie der Richter, weil ich wie er Ruhe haben will.
Jesus sagt mit aller Eindringlichkeit: Wenn schon ein harter und gottloser Richter sich letztlich in seiner Ruhe gestört fühlt und deshalb hilft, um wie viel mehr wird dann der liebende Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, zu ihrem Recht verhelfen! Gott geht es um Barmherzigkeit, die noch weit größer ist als Gerechtigkeit. Jesus erzählt von Gott in einer Weise, die den Menschen damals – und ich bin überzeugt auch heute – wohltut und sich als Balsam auf der Seele der Gerechtigkeit erweist.
Was sind die Lernziele der Jesus-Schule? Was kann man bei ihm lernen?
Beten – regelmäßig, mit bekannten Gebeten oder eigenen Worten – ist in die DNA Gläubiger einverleibt. Ansonsten verdunstet Glaube und schmilzt wie die Gletscher auf unseren Bergen. Ein weiteres Ziel Jesu ist, dass Beten auch heißt, an der Sache – den Bitten und Wünschen – hartnäckig dranbleiben. Dabei muss es immer um das wesentliche Anliegen der Gerechtigkeit und Liebe gehen.
Schließlich geht es darum, angstfrei und mutig für seine Überzeugung Farbe zu bekennen wie Corina Machado in Venezuela oder Muslime im Gaza.
Wo wird Glauben zu finden sein? Mit dieser Schlussfrage verstärkt Jesus nochmals die Geschichte. Er scheint sich nicht so sicher zu sein, ob das Vertrauen in Gott wirklich gefestigt ist. Zweifel sind wach geworden. Hat sich alles bisherige Warten und alles Vertrauen in die Sache Gottes nicht als Luftblase erwiesen? So anders ist die Situation heute auch nicht.
