Evangeliumkommentar: Wenn Glaube Wurzeln schlägt

In unseren wöchentlichen Evangelienkommentaren geben Geistliche, Religionslehrerinnen, Theologinnen und andere ihre Gedanken zum Sonntagsevangelium weiter. Heute mit Margit Willi, katholische Religionslehrerin.
Sonntagsevangelium
In jener Zeit baten die Apostel den Herrn: Stärke unseren Glauben! Der Herr erwiderte: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Entwurzle dich und verpflanz dich ins Meer! Und er würde euch gehorchen. Wenn einer von euch einen Knecht hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Komm gleich her und begib dich zu Tisch? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich und bediene mich, bis ich gegessen und getrunken habe; danach kannst auch du essen und trinken. Bedankt er sich etwa bei dem Knecht, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde? So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan. Lukas 17, 5 – 10
Wenn Glaube Wurzeln schlägt
„Olala, das ist ja ein ziemlicher Brocken, dieses Evangelium“, habe ich mir bei der Auseinandersetzung mit dem Text gedacht. Und das ist es wirklich. Ich möchte mich auf den ersten Teil konzentrieren, in dem Jesus recht angriffig unterwegs ist und den Aposteln vorwirft, kleingläubig zu sein. Ausgerechnet die Apostel, seine treuesten Gefährten. Sie sind vom Wortsinn her sogar Gesandte, also jene, die zuerst das Reich Gottes verkünden.
Auf ihre Bitte nach einem Stärken des Glaubens geht Jesus nicht wirklich ein. Im Gegenteil, er meint sogar, ihr Glaube sei verschwindend klein und entspreche nicht einmal Senfkorngröße. Dieser Vorwurf muss sie hart getroffen haben. Aber, der Vergleich mit dem Senfkorn zeigt auch, dass bereits kleinster Glaube Großes bewirken kann. In diesem Kleinsten liegt großes Potenzial, das als Keim des Anfangs, des Aufbruchs entfaltet werden kann. “Stärke unseren Glauben” heißt in einer anderen Übersetzung auch “Lass unseren Glauben wachsen”. Lass uns also das volle Potenzial ausschöpfen.
Nun ist es in unserer heutigen Gesellschaft nicht immer „salonfähig“, über den eigenen Glauben zu sprechen. In der Schule erlebe ich jedoch junge Menschen, die sehr wohl ihren Glauben mit all den verbundenen Fragen und Zweifeln thematisieren und mehr und mehr als Schatz sehen. Glaube wird bei diesen Heranwachsenden nicht mit Kirchlichkeit verbunden, sondern mit dem Vertrauen darauf, dass “es da etwas gibt”, das Halt schenkt. Ein 16-jähriger Schüler hat letzte Woche im Unterricht auf die Frage, ob die zehn Gebote für Jugendliche heute eine Relevanz haben, geantwortet: „Klar, sie sind halt einfach da und prägen unser Handeln.“ Das ist jugendlicher Glaube, der gewachsen ist und nach wie vor großes Potenzial in sich birgt. Solche Aussagen und überhaupt das offene Sprechen mit jungen Menschen über Glaube und Religion erlebe ich als große Bereicherung für meinen Glauben, meine Fragen, meine Zweifel.
Jetzt bin ich dran, jetzt sind wir dran. Möchten wir unseren Glauben auch wachsen lassen? Wer/Was unterstützt uns auf diesem Weg? Geben wir doch diesem kleinen Senfkorn Glaube die Chance, sich zu entfalten – in uns und unserer Welt.
