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Evangeliumkommentar: Auf der Suche nach dem guten Leben

27.09.2025 • 09:00 Uhr
Evangeliumkommentar: Auf der Suche nach dem guten Leben
Das Turiner Grabtuch: Viele Gläubige sehen in dem Leinentuch das Leichentuch Jesu.Shutterstock

In unseren wöchentlichen Evangelienkommentaren geben Geistliche, Religionslehrerinnen, Theologinnen und andere ihre Gedanken zum Sonntagsevangelium weiter. Heute mit Katharina Weiss, Schriftleitung „Dein Wort – Mein Weg“.

Sonntagsevangelium

Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag glanzvolle Feste feierte. Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war. Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel. Stattdessen kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren. Es geschah aber: Der Arme starb und wurde von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Auch der Reiche starb und wurde begraben. In der Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt, blickte er auf und sah von Weitem Abraham und Lazarus in seinem Schoß. Da rief er: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir und schick Lazarus; er soll die Spitze seines Fingers ins Wasser tauchen und mir die Zunge kühlen, denn ich leide große Qual in diesem Feuer. Abraham erwiderte: Mein Kind, erinnere dich daran, dass du schon zu Lebzeiten deine Wohltaten erhalten hast, Lazarus dagegen nur Schlechtes. Jetzt wird er hier getröstet, du aber leidest große Qual. Außerdem ist zwischen uns und euch ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund, sodass niemand von hier zu euch oder von dort zu uns kommen kann, selbst wenn er wollte. Da sagte der Reiche: Dann bitte ich dich, Vater, schick ihn in das Haus meines Vaters! Denn ich habe noch fünf Brüder. Er soll sie warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen. Abraham aber sagte: Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören. Er erwiderte: Nein, Vater Abraham, aber wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie umkehren. Darauf sagte Abraham zu ihm: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht. Lukas 16,19-31

Auf der Suche nach gutem Leben

Die Redewendung „so sicher wie in Abrahams Schoß“ hat ihren Ursprung im heutigen Gleichnis. Der Reiche kann zwar auf ein „glückliches Leben“ zurückblicken, aber Lazarus hat den Ort der Zufriedenheit errungen. Die Gehirnforschung bestätigt, dass es einen großen Unterschied zwischen Glück und Zufriedenheit gibt. Während Glück nur einen kurzen Moment anhält, besteht Zufriedenheit langfristig. Glücksrezepte des Internets sind: in vollen Zügen genießen, möglichst viel Spaß haben, materielle Güter sammeln, Schmerz und Leid vermeiden, wo es nur geht! Eine perfekte Beschreibung für das Leben des reichen Mannes.

Das Turiner Grabtuch ist ein Leinentuch, das ein Ganzkörper-Bildnis der Vorder- und Rückseite eines Menschen zeigt, der Spuren von Geißelung und Kreuzigung aufweist. Dazu gibt es unzählige Reliquien mit Holzsplitter des Kreuzes Jesu. Es gibt Menschen, die von ihrer Echtheit tief überzeugt sind. Diese Gegenstände sollen Beweise für die Existenz Jesu bis hin zu seiner Auferstehung sein, aber auch Belege für die Echtheit seiner Botschaft. Im Ergebnis ist der Umgang damit eine Bestätigung des heutigen Evangeliums: „Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht“, denn die Orte perfekten, tadellosen christlichen Lebens gibt es nicht.

Durch unsere derzeitige Lebensweise entziehen wir nicht nur anderen den Boden unter den Füßen, sondern mittelfristig auch uns selbst. Vor den Türen der reichen westlichen Welt lagern arme Menschen. Wir erhalten über alles empirische Daten, wissenschaftliche Berichte, Faktenanalysen, Fotos und dennoch nützen sie uns nichts, weil wir nicht die Kraft zur Veränderung aufbringen. Wir spüren, dass es bereichernder wäre, nach der Zufriedenheit aller zu streben, anstatt dem kurzen individuellen Glücksmoment nachzujagen. Kürzlich stieß ich auf ein Poesiebuch meiner Schulzeit mit der Notiz: „Schmerzt dich in tiefer Brust das harte Wort: ‚Du musst!‘, so macht nur eins dich wieder still, das stolze Wort: ‚Ich will!‘“. Der Name Lazarus setzt sich aus „Gott“ und „beistehen bzw. unterstützen“ zusammen. Wie kommen wir nun dazu, das zu wollen, was uns allen guttut bzw. Beistand und Hilfe ist?

Maurice Shourot
Katharina Weiss, Schriftleitung „Dein Wort – Mein Weg“