Rossinis “Barbier von Sevilla”: Ein Opernfest gegen den Novemberblues

Concerto Stella Matutina glänzt mit Rossinis Oper „Barbier von Sevilla“.
Von Katharina von Glasenapp
neue-redaktion@neue.at
Das ganze Jahr schon feiert Vorarlbergs Originalklangensemble Concerto Stella Matutina sein 20-jähriges Bestehen mit spannenden Projekten, das wird jetzt mit Rossinis herrlich quirliger Oper „Il barbiere di Siviglia“ nochmals getoppt: Mit einfachen bühnentechnischen Mitteln (das Bühnenbild muss für einige Gastspiele in Weingarten, Schaffhausen und Aschaffenburg auch tourneetauglich sein) und hinreißender Spiellaune des gesamten Ensembles entsteht unter den Händen von Thomas Platzgummer eine der vergnüglichsten Opernproduktionen, die mir je untergekommen sind.

Die Handlung
Graf Almaviva ist unter anderem Namen und in einfacher Kleidung in die Stadt gekommen, um um die junge Rosina zu werben, die im Hause ihres besitzergreifenden Vormunds Bartolo lebt. Er trifft auf den Barbier Figaro, der nie um Ideen verlegen ist und der ihm hilft, Rosina zu treffen und Bartolo auszutricksen. Bis die beiden zusammenkommen, dreht sich das Schwungrad von Beaumarchais‘ Komödie im Libretto von Cesare Sterbini und mit der so unverwechselbar turbulenten Musik von Rossini. Ständchen unterm Balkon, Briefchen, Verkleidungen, Missverständnisse und köstliche Charaktere treiben das Geschehen immer wieder an, eingefangen in Rossinis Crescendo-Walzen, das sich immer wieder aufschaukelnde Sprachfeuerwerk in den Ensembleszenen oder herzerwärmende Arien.
Das Bühnenbild
Die im Halbkreis aufgestellten Bühnenbildelemente in Vorarlberger Holzbauqualität (Raimund Löhr und Valerie Lutz) bilden den Platz unter Rosinas Balkon, umgedreht die Innenräume mit Salon und Musikzimmer. Die von Lilli Löbl und Lina Platzgummer geschaffenen Kostüme sind stilistisch individuell und mit einer Portion Ironie ausgewählt, unter der sparsamen Regie von Thomas Platzgummer und unter seinem engagierten und aufmerksamen Dirigat wird die Spiellaune des Ensembles befeuert.

Herausragend als Almaviva ist der 28-jährige Italiener Paolo Nevi, der sich mit butterweichem Piano und lyrischen Linien vorstellt, der sich beim Ständchen auch selbst mit der Gitarre begleitet, dessen Koloraturen und Spitzentöne mit Leichtigkeit und Ganzkörperbeweglichkeit kommen und der in der Verkleidung als betrunkener Soldat und als Aushilfsmusiklehrer (wie jung Schubert) mit buchstäblich allen Registern spielt – eine sympathische Entdeckung! Ihm zur Seite ist mit dem Figaro von Matthias Helm im spanischen Kostüm ein Sänger zu erleben, der viel in der alten (geistlichen) Musik präsent ist und hier nun als Strippenzieher nach Herzenslust mit Stimmfarben, Sprache und Mimik spielt. a D’Apolito hat die Rolle des selbstherrlichen Patriarchen Dr. Bartolo in sich aufgesogen und erweckt sie ebenso lustvoll zum Leben wie sein Kollege Markus Volpert, der gleichfalls aus der Alten Musik kommt und der den Ausflug in die Oper als intriganter Musiklehrer Basilio genießt. Die Sizilianerin Martina Saviano gibt die Rosina als selbstbewusste junge Frau, die ihren Vormund um den Finger wickelt und sich nur zu gern von Almaviva verführen lässt. Anna Gitschthaler zeigt als schnupfende Haushälterin Berta Temperament und hat einen tollen Auftritt mit ihrer oft gestrichenen Arie. Nicht vergessen sei die charmante Truppe Vorarlberger Chorsänger rund um Jakob Peböck, die die Bühne als Musikanten und Soldaten beleben.

Im kleinen Orchestergraben der Kulturbühne Ambach bringen vor allem die Bläser jene warmen Farben, die man im „klassischen“ Opernbetrieb sonst nicht hört. Die Streichergruppe wuselt mit Konzertmeister David Drabek so filigran beweglich, wie es Rossini immer wieder einfordert. Johannes Hämmerle begleitet die Rezitative fantasievoll und in enger Verbindung mit den Sängerinnen und Sängern, dass es eine reine Freude ist, und übernimmt in der Gewitterszene auch schon mal das Donnerblech, um Schlagwerker Stefan Greussing zu unterstützen. Erstmals gibt es keine Striche in diesem „Barbier“, dank Thomas Platzgummers wie immer ungebrochener Energie und Rossinis Prosecco-Laune vergehen dreieinhalb Stunden wie im Fluge: Italienische Oper contra Novemberblues!