Die ganze kulinarische Welt in einem Gasthaus

Hotelier Peter Fetz verwandelt den Hirschen in das “Gasthaus zum Fernweh”.
Die Welt ist kleiner geworden. Auf einmal ist die Reisefreiheit eingeschränkt. Dinge, die vorher selbstverständlich waren, sind plötzlich unmöglich. Was bleibt, sind die Gedanken an vergangene Reisen in die Ferne. Erinnerungen dieser Art sind oft mit Geschmäckern verknüpft. Warum also nicht das Fernweh kulinarisch stillen? Geht nicht? Geht doch. In Schwarzenberg. Im Hirschen. Doch eines nach dem anderen.
Übernahme vom Vater
Im November 2017 hat Peter Fetz das Traditionshaus Hirschen in Schwarzenberg von seinem Vater Franz übernommen. Sehr euphorisch und mit einer klaren Vision. Wohl musste er hier und da etwas nachbessern. „Doch alle Veränderungen, bei denen ich fürchtete, dass diese auch nach hinten losgehen könnten, sind die erfolgreichsten Produkte. Mut rentiert sich“, sagt Peter Fetz rückblickend.

Anfangs haben viele die Traditionskeule in seine Richtung geschwungen. Tradition verpflichtet schließlich. Also recherchierte er, um herauszufinden, was denn diese Tradition des Hirschen meint. „Das einzige, was alle Wirte vor mir vereint hat, ist Weltoffenheit. Die Bereitschaft bei aller Heimatverbundenheit auch zu ergründen, was sich im Rest der Welt abspielt“, hat der Hotelier herausgefunden.

Spagat gelungen
Doch es blieb ein Spagat. Zum einen möchte der junge Schwarzenberger den Einheimischen entsprechen. Doch es ist klar, dass das Haus alleine von denen nicht leben kann. 1800 Einwohnern stehen acht Gasthäuser in Schwarzenberg gegenüber. Zum anderen soll der Hirschen kein abgeschottetes Resort sein, welches sich an der schönen Umgebung labt und nichts zurückgibt.
Und so rief Fetz die Chef’s Choice, ein Carte-Blanche-Menü ins Leben. Konkret: Statt fixer Speisekarte wird täglich frisch und abwechslungsreich gekocht. Das Konzept hat bis zum Schluss funktioniert. Über 50 Prozent der Gäste haben diese Option gewählt. Das wiederum hat dazu geführt, dass der Betrieb verstärkt mit regionalen Produzenten zusammenarbeiten konnte. Schlicht, weil es Flexibilität und kulinarischen Spielraum gab.

Alles prima eingespielt
Gäste verjüngt. „Und auch die Mitarbeitersituation hat sich super entwickelt“, ist der Gastgeber zufrieden. Gleichzeitig hat sich das Publikum verjüngt. Diese Akquise ist dringend notwendig gewesen, da die Stammgäste mit dem Hirschen gealtert waren. Nun buchen sich auch Mittdreißiger aus Wien, München und Zürich ein. Alles in allem hatte sich der Betrieb prima eingespielt. Bis sich die für Fetz größte Herausforderung seit seiner Übernahme im März langsam aber sicher ankündigte.
„Mir war von Anfang an klar, dass das eine fatale Geschichte werden wird. Ich hatte kein gutes Gefühl“, berichtet er. Schließlich musste der Hirschen zusperren. Es war bitter, als täglich Stornos reinflatterten. Dennoch war es nicht die Zeit des Lockdowns, die Fetz Sorgen bereitete, sondern die Zeit danach. Fragen wie: Wann sperren wir auf? Für wen sperren wir auf? Und wann öffnen die Grenzen? bereiteten ihm schlaflose Nächte.

Aussichtslosigkeit weicht Lebensfreude
Bis irgendwann die Aussichtslosigkeit der Lebensfreude wich. „Jammern hat eine heilende Wirkung, deswegen muss man das eine Zeitlang tun, doch dann ist auch gut“, sagt Fetz. Kurzerhand hisste er am Haus eine unübersehbare Fahne. In großen Lettern ist darauf zu lesen: Und alles wird gut.
Zum Thema Lebensfreude kam ihm sofort Mexiko in den Sinn, wo er einst auf einer seiner vielen kulinarischen Reisen in einer landestypischen Cantina einkehrte. Dort war er dann alle Tage. Einfach, weil es ihm so „taugte“. „Nun dachte ich mir: eine mexikanische Cantina sollte man haben.“
Und das war gar nicht so weit hergeholt. Zufällig hat er eine mexikanische Köchin im Team. Sie kam drei Tage vor der Schließung in Schwazenberg an und hatte ihren Dienst gar nicht erst antreten können. Nun blieb Zeit, um ein Konzept auszuarbeiten. Schließlich sperrte nach den relevanten Lockerungen die Cantina Montenegro auf. Es war ein Erfolg, jeden Tag ausgebucht.

Portion Realismus
Doch Fetz blieb realistisch. Für die Vorarlberger Hotellerie und Gastronomie sei es immer noch das Endspiel. Keiner weiß, wie der Sommer wird. „Nach heutiger Buchungslage eher desaströs.“ Im Sommer ist Hochsaison im Hirschen. Normalerweise kommen kulturaffine Gäste, um die entsprechenden Veranstaltungen zu besuchen. Doch alles ist abgesagt. Nun lautet die Challenge, ein neues Publikum anzusprechen. „Und keiner kommt zu mir, um zu erfahren, wie schlimm alles ist“, war sich der Hotelier von jeher bewusst.

Gasthaus zum Fernweh
Also entschloss er sich, das Konzept aus Lebensfreude und Geschmäckern dieser Welt auszubauen. „Alle Geschmäcker, die man sonst nur im Urlaub genießen kann, holen wir nach Schwarzenberg ins Gasthaus zum Fernweh“, erklärt Fetz. Verwendet werden weiterhin regionale Produkte, und darum wird auch nicht mit unschärferer Klinge gekocht.
Von Donnerstag bis Montag verwandelt sich der Hirschen jäh in ein anderes Restaurant. Osteria al Amore (Italien), Brasserie Aux Amis Sauvages (Frankreich), Chef’s Choice (Vorarlberg), Cantina Montengro (Mexiko) und Yorokobi (Japan) öffnen die Pforten.

„Ich habe das Gefühl, damit schaffen wir es am ehesten durch den Sommer“, ist Fetz überzeugt. Natürlich gebe es existenzielle Ängste. Andererseits hat Fetz das Gefühl, dass nun alles möglich ist. Als könne er sich auf einer weißen Leinwand neu erfinden. Es gibt nichts zu verlieren.
An Fronleichnam hat der Hirschen und das Gasthaus zum Fernweh aufgesperrt. Kurz vor der Grenzöffnung, um zu schauen, ob sie es noch können. Sie können.
Infos und Reservierungen unter: Gasthaus zum Fernweh