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Schluss mit lustig – aber nur für kurze Zeit

08.11.2020 • 20:00 Uhr
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Heidi Salmhofer mit Ihrer Sonntags-Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Es ist nicht einfach. Es ist nicht einfach, meine Leich-tigkeit dem Leben gegenüber weiterhin zu bewahren. Es ist nicht einfach, meinen Humor nicht zu verlieren, der mir eben genau dabei hilft, die kleineren und größeren Undinge des Le-bens zu bewältigen, ohne Stücke der großen Freude, die das Le-ben so macht, einbüßen zu müs-sen. Arbeit, die schon wieder aufgeschoben wird, Geldsorgen, die daraus resultieren, und dann noch ein Wahnsinniger, der meine alte Heimat Wien schwer verletzt hat. Wie erklärt man das seinen Kindern? Wie hält man sie fern von diesen unfassbar emotions-los hochgeladenen Schreckens-bildern einer Tat, die in den Tie-fen des Internets kursieren, und wie spricht man mit ihnen darüber, wenn sie diese doch irgendwie zu sehen bekommen? Und was ist mit Weihnachten? Das schwappt über mich he-rein wie eine dunkle Welle. Ich predige mir dann immer wieder vor: Es gibt Schlimmeres! Meine Kinder sind gesund, meine Fa-milie ist gesund, meinen Freun-den in Wien geht es gut, ich habe ein Dach über dem Kopf und noch immer einen vollen Kühlschrank. Manchmal aber, manchmal muss ich mir erlau-ben, traurig zu sein, mir Sorgen zu machen und einmal das Ge-fühl der Hilflosigkeit zu spüren. Auch dann, wenn es selbstver-ständlich wesentlich größere Probleme auf dieser Welt zu bewältigen gibt, als Heidis Alltagstauglichkeit wieder auf Vordermann zu bringen. Denn wenn ich das nicht tue, dann vermengen sich alle meine Beklemmungen zu einem graugrünen Brei aus Missmut und Nörgeleien. Dann trample ich von einem Tag zum anderen und bin ein unerträg-licher „Grantscherben“. Auf diese Form der Heidi hat weder mein Umfeld Lust noch ich. Also dann so: Einmal fest ins Taschentuch schnäuzen und eventuellen Tränen kurz einen Ausflug gönnen. Anschließend ist es enorm wichtig, mit fol-genden Vorstellungen weiterzu-machen: die Sorgen verbildli-chen, als Ding oder jemanden, den man einfach nicht mag. Bei mir ist es gerne Donald Trump. Diesem Bild dann einen kräfti-gen Kick in den Popo geben und dabei möglichst ganz viele, sehr grausliche Schimpfwörter aus sich raussprudeln lassen (ich achte dabei natürlich darauf, ob mein Kindervolk anwesend ist). Das macht wieder Platz für Energie und Ideen. Das werde ich jetzt auch meiner Tochter sagen. Sie ist nämlich gerade am Boden zerstört, weil sie die schlechtestmögliche Note in Ma-thematik heimgebracht hat. Sie darf jetzt der Fünf einen Potritt geben (das mit den Schimpfwör-tern lassen wir aus) und dann hoffentlich befreit rangehen an die nächste Schularbeit.

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.