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Von Brokkoli und Sand zwischen den Zähnen

24.01.2021 • 17:07 Uhr
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Heidi Salmhofer mit Ihrer Sonntags-Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Als Tochter Nummer zwei noch ein Wutzizwerg war, hatte sie keine Gelegenheit ausgelassen, alles um sich herum mit ihren Geschmacksnerven zu erkosten. Ließ ich mich für eine kurze Zeit ablenken, war schon der halbe Sandkasten im und rund um den Kleinkindermund verteilt und es knirschte zwischen ihren Zähnen. Das freche Grinsen der Kleinen mit den hellbraunen Körnern im Gesicht hat sich im Fotoalbum meines Kopfkinos einen Ehrenplatz ergattert.
Ein Mal musste ich ihr literweise Wasser einflössen, weil sie am Geschmack von tropischen Blumen interessiert war, dann war da noch der Teelöffel grünes Wasabi von meinem Sushi, den sie innerhalb einer Hundertstelsekunde vom Teller geklaut und in ihren Mund transportiert hatte. Die Farbe Grün wurde übrigens nicht zu ihrer Lieblingsfarbe. Weil sie aber auf alles „geschmacksneugierig“ war, aß sie auch von Brokkoli über Pastinakencreme bis Schokoaufstrich alles mit der gleichen Begeisterung.
Diese Woche feierte dieses Zwetschgerl ihren zwölften Geburtstag. Von der Neugierde, alles via Geschmacksknospen zu erkunden, ist nichts mehr übrig geblieben. Auf der einen Seite ist es gut, dass sie aus dem Ablecken von Türklinken und dem Reinbeißen in Spielsachen herausgewachsen ist, andererseits fehlt mir ein klein wenig diese Freude auf alles Essbare. Davon ist nämlich ebenso nichts mehr übrig geblieben (außer jener auf Palatschinken oder Nougatknödel).
Sie meint zu wissen wie alles schmeckt, und das wenigste löst Begeisterungsstürme aus. Da hilft es leider auch nichts, wenn ich weise erkläre, dass sich Geschmack verändert und ihr womöglich Dinge wieder schmecken, die ihr vormals nicht besonders gemundet haben. Ihre Lippen bleiben fest aufeinandergepresst und lassen nichts an Gemüse oder anderen Spuren von Vitaminen an sich herankommen. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass sich Kind zwei anno dazumal im Babyalter hoffentlich einen Haufen an Abwehrstoffen herangezüchtet hat. Jetzt ist sie nämlich zur „Kontaktperson 1“ geworden und ich bestehe darauf, dass ihr Immunsystem sich gefälligst an die Sandkastenzeit erinnert und gegebenenfalls alles aus ihrem Körper vertreibt, was da versucht unerlaubterweise einzudringen.
Den ersten Testlauf hat sie schon durch. Demnächst kommt der zweite dran und ich bin zuversichtlich, dass auch hier alles gut geht. Aber egal wie, es gibt danach jedenfalls Nougatknödel. Und ich persönlich hoffe sehr, dass ich diese dann auch wirklich schmecke.

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.