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Menschen ­hinterlassen Spuren – jeder von uns

13.02.2021 • 19:30 Uhr
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Heidi Salmhofer mit Ihrer Sonntags-Kolumne in der NEUE am Sonntag.

In meinen jungen Jahren habe ich in einem kleinen Theater in Wien gearbeitet. Die Intendantin dieses Theaters ist vor ein paar Jahren verstorben. Letzte Woche wäre sie 70 Jahre alt geworden. Ihr Sohn bat mich, ein paar Erinnerungsworte zu Ton zu bringen. Das tat ich natürlich sehr gerne, auch wenn ich sie das letzte Mal vor bald 20 Jahren gesehen hatte. Aber diese tolle Frau hat mich und meinen Blick auf das Theater sehr beeinflusst.
Unwillkürlich musste ich darüber nachdenken, welche Menschen sonst noch so in meinem Leben für eine kurze Zeit vorbeigehuscht sind, mich in eine Richtung geschubst haben und dann wieder verschwunden sind. Oft geht es gar nicht um große Dinge, manchmal sind es die ganz kleinen, unscheinbaren Momente in einer Begegnung, die mich schwuppdiwupp auf eine andere Spur brachten.
Da ist dieser allererste Freund, mit dem ich heimlich Händchen gehalten habe. Mein pubertäres Selbstbewusstsein wurde dadurch in Mondhöhe katapultiert. Er hat mir gezeigt, dass man mich auch mit Zahnspange mögen kann. Wahnsinn, was hatte er für blaue Augen! Oder der zweite Schwarm, der in einer Disko die von mir geschenkte Halskette auf den Tisch gelegt und dabei „Es ist aus!“ gemurmelt hat. Daraus habe ich gelernt, dass Liebe mehr ist als die Coolness eines schnellen Mofas.
Dann war da der Chef eines Hotels in Lech, bei dem ich mein Praktikum machte. Seit dieser Begegnung weiß ich, dass ich nicht alles glauben darf, was mir erzählt wird. Ein Tourist kam damals an die Rezeption und wollte wissen, ob das Auto mit der Beschriftung des Hotels unseres sei. Ich, genauso unüberlegt wie die Frage an sich, ging zu meinem Boss. „Gehört dieses Auto uns?“ – „Nein, eigentlich dem Hotel Post, aber die fahren Werbung für uns!“ – „Ah, danke.“ Jung-Heidi geht wieder Richtung Rezeption, um eben Erfahrenes dem wartenden Herrn mitzuteilen. Mit hochrotem Kopf hinter mir her, mein Chef: „Natürlich gehört es uns, wir machen die Einfahrt gleich frei!“ Seinen augenverdrehenden Blick habe ich bis heute nicht vergessen. Ach, und jener Professor auf der Uni, der mit einer Leidenschaft darüber referierte, wie wichtig es sei, wissenschaftliche Abhandlungen so zu schreiben, dass jeder sie verstehen kann. Das war Musik in meinen Ohren. Ich hatte daraufhin über Jahrzehnte eine revoluzzerhafte Verweigerung, Fremdwörter zu benutzen. Heute denke ich mir, ein Mittelweg wäre schön gewesen.
In Zeiten einer Pandemie, in der man über Prävention, Vakzine, epidemiologische Parameter und Inzidenzen schreibt – mir wäre das Lesen von Nachrichten von Beginn an flüssiger gegangen.

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.