Die Natur mitten im Gesicht

Schneider und Fend entwickeln, rühren, verpacken Cremes in Dornbirn.
Das Grundstück liegt fast am Ende von Dornbirn am Berg, auf 800 Metern Seehöhe. Die Rehe kommen hierher und sonst eher seltener jemand. Das könnte sich ändern, denn Ingeborg Schneider hat hier ihre Firma eröffnet: Hier, wo nur hinaufkommt, wer eine 22-prozentige Steigung in Kauf nimmt, liegt der Firmensitz von Sentis Cosmetics. In einem über 1000 Quadratmeter großen Kräutergarten wachsen Salbei, Lavendel, Ringelblume, Malve und Königskerze. Die Pflanzen genießen erstklassige Luft. Eine erstklassige Sicht aufs Rheintal, den Bodensee, nach Deutschland hinüber und natürlich zum namensgebenden Säntis und in die Schweiz. Und sie genießen eine erstklassige Behandlung: Für ihre Kosmetik zieht Schneider Biopflanzen, setzt Nützlinge ein, wenn es sein muss. Zupft die Blüten beziehungsweise Blütenblätter einzeln von den Stängeln und lässt die Pflanzen sich selbst versamen. Ist im nächsten Jahr entzückt, an welcher Stelle plötzlich die Köpfchen einer Königskerze aus dem Beet lugen. Aus den Pflanzenteilen macht sie Öle, Auszüge, ätherische Öle. Daraus wiederum werden Cremes, Körperpflegemittel, Lippenbalsame oder Duschgels.

Zukauf nur, wo nötig
Schneider zeigt die Ausbeute einer Malvenernte vom vergangenen Jahr: ein Papiersack, voll mit zarten, leuchtend lilafarbenen Blüten. Dagegen die zugekaufte Malve, ein Papiersack voll grüner Schnipsel samt lilafarbenen Tupfern. „Das zweite ist eine Maschinenernte der gesamten Pflanze – auf biologischer Basis. Trotzdem ist es nicht dasselbe wie die Handernte.“ Dass Ingeborg Schneider alles von Hand macht, ist tatsächlich ziemlich einzigartig. Vom Samen-Aussäen bis zum Abfüllen und Verpacken. „Das können wir uns leisten, weil Bioprodukte andere Grundpreise haben. Außerdem steigt die Nachfrage nach Naturkosmetik“, erklärt die 53-Jährige.

Bis vor wenigen Jahren hat sie in der Schweiz gearbeitet. Hatte zuerst die Landwirtschaftsschule in Hohenems und dann eine Ausbildung zur Kräuterpädagogin absolviert. Im Appenzell hat sie dann eine Geschäftspartnerin gefunden, die viele Rezepturen auf biologischer Basis entwickelt hat. Rezepturen, die Schneider auch jetzt verwendet. Deshalb steht auf ihren Cremes auch „Original Schweizer Rezeptur“.

„Sentis“ auch von „sentir“
Zum Beispiel auf Gesichtscremes, Shampoos, Duschgels – oder acht verschiedenen Lippenbalsamen, mit Aprikose, Ringelblume oder Melisse, mit Rose-Kokos oder Sanddorn-Avocado, die Schneider herstellt. Gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin Sophie Fend, die ihr seit Jänner unter die Arme greift. Die Aromakologin in Ausbildung und ihre Chefin entwickeln seither die Pflegelinien weiter, indem sie sie um neue Produkte ergänzen.

Außerdem wird Schneider mit Fend Unterstützung im Garten haben, den sie seit diesem Jahr offiziell „biologisch bewirtschaftet“ nennen darf. Eine Umstellung auf biologisches Wirtschaften macht nämlich offiziell erforderlich, dass der Boden drei Jahre Zeit bekommt, eventuelle Schadstoffe abzubauen. Die Kontrollen sind streng: Um sich „Naturkosmetik“ nennen zu dürfen, muss Schneider nachweisen, welche Erde sie gekauft hat, welche Nützlinge sie aufgebracht hat, was wann gepflanzt wurde. Aber die Arbeit lohnt sich: Mit der Natur zu arbeiten und nicht gegen sie, das ist einfach ein ganz anderes Gefühl. Sentis Cosmetics heißt nämlich nicht nur wegen des Säntis so.
„Es kommt auch von dem französischen ,sentir‘, ,fühlen‘. Und Sentis Cosmetics macht ein gutes Gefühl. Nicht nur auf der Haut, sondern auch, weil es Bio-Qualität ist“, freut sich die Unternehmerin Schneider.

Traum-Arbeitsplatz
Die 27-jährige Fend hat über ihre Schwester diesen Arbeitsplatz auf 800 Metern Seehöhe gefunden. Ihr Traum. „Hier oben auf diese Weise zu arbeiten – besser geht’s nicht.“ Das würde sicherlich auch ihr junger Jack-Russel-Hund sagen, der jeden Tag mit rauf darf und vom Duo liebevoll „Kräuterspürhund“ genannt wird. Im Haus von Schneider ist auch für ihn Platz.
Ebenso wie für einen Hofladen, in dem man die Produkte genauso erwerben kann wie in einem Flagstore in Wien. Dort, bei MiaVia in der Landstraßer Hauptstraße 14–16, kann frau im Kosmetiksalon eine Gesichtsbehandlung mit Sentis-Cosmetics-Produkten erhalten und die Produkte auch gleich mit nach Hause nehmen. Ist ein neues Produkt kreiert, kommt es zunächst einmal ins Labor. Dort wird fünf Wochen lang die Keimbelastung gemessen. Ist sie zu hoch, wird der Versuch abgebrochen, es muss weitergetüftelt werden. „Um ein neues Produkt zu entwickeln, brauchen wir im Schnitt drei Monate, für Babyprodukte sechs Monate“, zählt die Dornbirnerin Schneider auf. „Ist Alkohol im Produkt enthalten, sieht die Haltbarkeit und Verkeimung anders aus als bei einem Öl oder einer Wasser-in-Öl-Emulsion.“

Mit günstigen Ölimporten etwa aus Asien hat sie schlechte Erfahrungen gemacht. „Das Öl war an sich schon stark verkeimt.“
Muss sie Inhaltsstoffe zukaufen, achtet sie also sehr genau darauf, von wem – so gut es geht, kauft sie aus der Region. „Wir haben auch Männerprodukte im Sortiment wie Deos, Rasierschaum oder eine leichte Lotion nach der Rasur. In der Regel nehmen Frauen Produkte für ihre Männer mit. Und kommen Männer, heißt es ,ich komme wegen meiner Mutter‘ oder ,wegen meiner Frau‘“, schmunzelt Schneider. Auch wenn die Kosmetik tatsächlich für die Verwandtschaft sein sollte: An diesem wunderschönen Ort einmal durchatmen, das tut jeder für sich selbst.