Der See und seine Sorgen

Der Bodensee hat mit Auswirkungen von Spurenstoffen und invasiver Arten zu tun.
Insgesamt 11,5 Milliarden Kubikmeter Wasser fließen jährlich in den Bodensee. Das ist 100 Mal mehr, als die Bodensee-Wasserversorgung entnimmt. Bis zu 670 Millionen Liter dürfen aufgrund internationaler Vereinbarungen täglich dem See abgezapft werden, um Millionen Menschen mit Trinkwasser zu versorgen. Der Alpenrhein liefert mit Abstand das meiste Wasser und leitet Schmelz- und Regenwasser aus alpinen Höhen bis auf den Grund des Sees. Die Nährstoffe aller Zuflüsse samt Abwasser und Regen dienen als Nahrungsquelle für Lebewesen im Gewässer. 36,4 Tonnen Fisch haben wiederum alleine die Vorarlberger Berufsfischer in 2020 aus dem See geholt.

Ist der See zu sauber?
Viele menschliche Aktivitäten haben einen direkten oder indirekten Einfluss auf den Bodensee und seine Flora und Fauna sowie die Wasserqualität. Dennoch ist ein oft gehörter oder gelesener Satz „Der Bodensee ist zu sauber“. Doch was soll das bedeuten? „Der See kann niemals zu sauber sein“, sagt Thomas Blank, Vorstand der Abteilung Wasserwirtschaft im Amt der Vorarlberger Landesregierung.
Wesentlicher Parameter für die Wasserqualität ist der Phosphor-Gehalt. Derzeit liegt dieser circa 50 Prozent über dem potenziellen natürlichen Wert.
Der See funktioniert derzeit als Ökosystem sehr gut, die Artenvielfalt ist hoch, sagt Blank. Natürlich ist die Biomasse – wie etwas das Fischwachstum – nicht mehr so groß wie in den 1970er- bis 1990er-Jahren, als der See sehr stark von den Abwassereinleitungen „überdüngt“ war. Diese sogenannte Eutrophierung führte damals zur drastischen Erhöhung der Algen und damit zu hohen Fischerträgen. Der Wert lag noch in den 1980er-Jahren bei über 80 Milligramm Phosphat pro Kubikmeter. Er liegt heute zwischen sechs und acht. Der natürliche Seezustand – ohne menschliche Einflüsse – läge vermutlich bei einem Wert zwischen drei und vier. „Der heutige Wert ist auch im Vergleich zu anderen europäischen Seen ein sehr guter. Im Zürichsee oder im Genfersee beispielsweise liegt der Wert derzeit bei rund 20 Milligramm pro Kubikmeter“, zieht Blank Vergleiche.

Sind zu viele Spurenstoffe im See?
Zum Fazit, dass die Wasserqualität des Bodensees generell gut ist, kam auch die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) auf ihrer Tagung Mitte Mai. Die Verbesserung der Wasserqualität ist seit der Gründung 1959 ein entscheidendes Thema. Bei ihrem jährlichen Treffen besprachen die IGKB-Vertreter auch eine gemeinsame Strategie, um Spurenstoffe, die eine Gefahr für die gute Wasserqualität darstellen, im See und in den Gewässern in seinem Einzugsgebiet zu reduzieren.
Spurenstoffe sind ein Sammelbegriff für eine große Zahl verschiedener Substanzen, die in geringen Konzentrationen im See vorkommen. „Sie sind ein Abbild der menschlichen Zivilisation im Einzugsgebiet. Es handelt sich beispielsweise um Industriechemikalien, Pestizide oder auch Medikamentenreststoffe“, erläutert Blank. Kläranlagen etwa filtern das Abwasser mit einem Reinigungsgrad von 95 Prozent, bevor es in den See geleitet wird. Dass besagte Stoffe überhaupt nachgewiesen werden können, sei aber auch dem Fortschritt der Laboranalytik geschuldet. Viele Stoffe waren vor 20 Jahren gar nicht nachweisbar.
Auch in Grönlandeis und im Lünersee
Das Vorkommen von Spurenstoffen in Gewässern ist ein weltweites Thema, erklärt Blank. Sie werden in unterschiedlichen Konzentrationen in allen Zuflüssen zum Bodensee oder auch im See selber nachgewiesen. Viele der sogenannten ubiquitären Stoffe (überall vorkommend, Anm.) finden sich auch im Grönlandeis oder im Lünersee..
Die IGKB verfolgt daher eine Strategie, will Maßnahmen überprüfen und unterstützen, etwa bei der Abwasserreinigung. In Österreich wird auf Bundesebene eine nationale Strategie ausgearbeitet. Eine genereller Handlungsbedarf zum Ausbau der Abwasserreinigung besteht laut Blank derzeit aber nicht.
Bleibt die Quagga-Muschel
Ein wichtiges Thema für den Bodensee, über welches die Kommissionvertreter informierten, sind auch invasive gebietsfremde Arten. Die sogenannten Neozoen sind in den Bodensee eingewandert oder eingetragen worden. Die beiden zugewanderten Tierarten, die sich am stärksten auf das ökologische Gleichgewicht des Gewässers auswirken, sind die Quagga-Muschel und der Stichling. Letzterer wurde schon vor vielen Jahrzehnten im Bodensee nachgewiesen. Er hat sich aber erst in den vergangenen Jahren sehr stark vermehrt. „Derzeit sind rund 80 Prozent aller Individuen im See Stichlinge“, gibt Blank zu bedenken.
Die Quagga-Muschel wurde erst vor wenigen Jahren im See entdeckt, verbreitet sich jedoch rasant. Sie kommt derzeit bereits flächendeckend am Seeboden vor, auch an seinen tiefsten Stellen.
Quagga und Stichlinge sind Gegenstand umfangreicher Forschungsarbeiten im Rahmen des IGKB-Projektes Seewandel in Kooperation mit Forschungseinrichtungen und Universitäten rund um den See. Gegen die Verbreitung von Quagga und Stichlingen gibt es jedoch – wie auch für andere Neozoen – keine wirksamen Gegenmaßnahmen.

Problem für Fischer und Leitungen
Selbstverständlich sind sie Nahrungskonkurrenten für Fische und andere Organismen und leisten auch einen Beitrag für die geringen Erträge der Berufsfischer. Eine Quagga-Muschel kann bis zu einen Liter Wasser pro Tag filtern. Dadurch verändert sie den Fluss von Nährstoffen im See und kann als Konkurrent um Futter das Vorkommen von pflanzlichem und tierischem Plankton reduzieren.
Und nicht nur das. Die Quagga-Muschel hat sich längst in allen technischen Einrichtungen im See, wie Zuleitungen oder auch Trinkwasserentnahmeleitungen angesiedelt. Als Folge müssen diese dann aufwendig gereinigt werden. Laut Auskunft des Zweckverbands Bodensee-Wasserversorgung hat die Quagga-Muschel bis heute Kosten in Höhe von „mehreren Millionen Euro“ verursacht.
Die Experten sind sich der bitteren Realität bewusst: Die Quagga-Muschel wird bleiben, damit muss der See leben müssen. Nichtdestotrotz gilt es, die Menschen für diese Thema zu sensibilisieren, damit zumindest die Verbreitung der Quagga-Muschel in andere mitteleuropäische Seen verhindert werden kann.
Blinde Passagiere vermeiden
Gebietsfremde Pflanzen und Tiere werden häufig ungewollt von einem Gewässer zum nächsten verschleppt.
Kontrollieren Sie, dass keine Rückstände von Schlamm, Pflanzenmaterial oder Tieren an Bootsrumpf, Anker, Tauen, Sport- und Fischereiausrüstung zurückbleiben.
Reinigen Sie Boot, Sport- und Fischereiausrüstung gründlich mit sauberem, heißen Wasser (45 Grad) und einem Hockdruckreiniger. Achten Sie darauf, dass ablaufendes Schmutzwasser nicht in andere Gewässer gelangt.
Leeren Sie Bilge und sonstige wassergefüllte Behältnisse am Ursprungsgewässer.
Trocknen Sie Ihr Boot und Ihre Ausrüstung vollständig für mindestens vier Tage, bevor Sie in ein anderes Gewässer wechseln.
Verwenden Sie nie gebietsfremde Fischarten als Köderfische.
Setzen Sie nie Tiere oder Pflanzen aus Aquarien aus.