Mein geliebter Kater geht mir fremd

Heidi Salmhofer mit ihrer Sonntags-Kolumne in der Neue am Sonntag.
Mein Kater kommt oft tagelang nicht nach Hause. Irgendwann taucht er dann satt und eine Spur dicker auf, maunzt ein „Hallo“ und legt sich auf mein Bett, als ob nie etwas gewesen wäre. Das Schlimmste: er riecht nach einem fremden Parfüm. Das ist doch unerhört. Es reicht nicht, dass ich ihm seinen gesundheitlichen Wohlstand finanziere, ihm Streicheleinheiten zukommen lasse, Nacht für Nacht seine alle drei Stunden aufkommenden Miau-Anfälle über mich ergehen lasse und es gestattet habe, dass er in jungen Jahren meine Tapeten und Mauern renovierungsbedürftig gekratzt hat. Jetzt macht ihm da irgendwer schöne Futter-Augen und prompt ist er nicht mehr auffindbar. Daraus ziehe ich zwar ungern Parallelen zu menschlichen Verhaltensmustern, aber ganz kann ich es mir nicht verkneifen.
Vielleicht bin ich deshalb so grantig. Anstatt ich mich freue, dass es ihm gut geht, bin ich sauer, dass er irgendwo mehr als nur Zubrot bekommt. Wenn ein Mann sich fremdfüttern lässt, kann ich leider auch nicht aus meiner Haut und mir denken: „Maaaa, so lieb. Ich bin so froh, dass er glücklich ist!“ Ich weiß, es gibt außergewöhnliche Charaktere, die können das. Ich gehöre nicht dazu, finde das aber bewundernswert. Es muss emotional sehr befreiend sein, seinen „Kater-Männern“ uneingezäunten Freilauf gewähren zu können, ohne Sorge zu verspüren. Im Gegenteil, womöglich ebenso selbst andere Kater mit Leckereien zu versorgen und sich glücklich das Geschnurre anhören.
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.