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Wenn die Superkräfte auf Rauchpause gehen

19.12.2021 • 20:00 Uhr
Kopfkino von Heidi Salmhofer <span class="copyright">neue</span>
Kopfkino von Heidi Salmhofer neue

Heidi Salmhofer mit Ihrer Sonntags-Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Ich bin müde. Leider nicht dieses „müde“, weil ich mir die Nacht zuvor wippend und hüpfend in einer schrillen Disco die Seele aus dem Leib getanzt habe. Das wäre nämlich echt lässig. Sondern jenes „müde“ von gefühlt jeden Tag neue, scheinbar nie enden wollende Herausforderungen bewältigen zu müssen. Dieses andauernde Zurück-versetzt-Werden in die Studentenzeit, in der man sich jeden Monat gefragt hat, wie das WG-Zimmer gezahlt wird, und das Grundnahrungsmittel Spaghetti mit Tomatensauce war. (Nur damit man ein paar Münzen auf der Seite hatte, damit man sich am Abend in der Bar gegenüber ein kleines Bier leisten konnte.) Da nagt die Frustration in der Bauchgegend, und meine Kamp­fes­lust, mein Positivismus und meine Humorfreudigkeit ziehen sich in das letzte Winkerl meines kleinen Zehs zurück und verharren dort, gemeinsam an einer Zigarette rauchend. „Jetzt luagan wir amol, ob sie üs widr findat!“ (Meine Kampfeslust redet Vorarlbergerisch.) „Dia hot jo ka Ahnung, die Oide. Do kannst woatn bist schwoaz wiast!“ (Mein Humor hat einen Wiener Einschlag.) „Jetzt gebt ihr bitte eine Chance. Ich bin überzeugt davon, dass Heidi aus allem etwas lernen und für das Leben mitnehmen kann. (Mein Positivismus bedient sich eines oberlehrerinnenhaften Hochdeutschs.) Während sich also meine Eigenschaften, auf die ich mich sonst recht gut verlassen kann, rauchend zurückgezogen haben, sitze ich mit Tee und Augenrändern am Küchentisch und frage mich ausnahmsweise, warum es nicht möglich ist, bei Bedarf in ein Universum ohne Fledermäuse und Pandemie auszuwandern. „Heast, du tatast eh ka Visum kriagn, ois Wirtschaftsflüchtling.“ Mein (schlechter) Humor kann die Klappe einfach nicht halten. „Kasch di bitte jetzt a biz zemma riessa. Andra gohts no viel schlechta. Du bisch xund, diene Kind sind xund, und du hosch no immer a paar Kartoffla im Sack!“ – „Jetzt sitze nicht da wie ein begossener Pudel. Hebe deinen Popo hoch. Dir fällt schon etwas ein. Du weißt, ein Schritt nach dem anderen. Sagst du selbst immer wieder!“ Die Zigarette dürfte wohl ausgeraucht sein und der Platz im kleinen Zeh’ etwas zu eng. „Gang jetzt an Wiehnachtsbom kofa!“ – „Na, des is a Idee! Dia Streitarei vo deine Klanan beim Kaufn, des holt die wieda zruck.“ – „Ein wunderschöner Plan. Gemeinsam für weihnachtliche Stimmung sorgen entspannt dich und macht Raum für neue Ideen und Lebensplanung!“ Ich werde jetzt in meinem Körper ein öffentliches Rauchverbot verhängen. Diese Rauchpausen meiner Superkräfte kosten mich den letzten Nerv. Yeah! Schönen vierten Advent.
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.