„Jephtha“: Mehr Fragen als Antworten

„Jephtha“ von Georg Friedrich Händel ist im Landestheater zu erleben.
Ein alttestamentarischer Stoff im barocken musikalischen Gewand eines Oratoriums von Georg Friedrich Händel hatte nach einem Jahr Corona-Pause nun endlich seine Premiere im Vorarlberger Landestheater: Musikalisch glanzvoll durch das bewegliche Symphonieorchester Vorarlberg und den erfahrenen Dirigenten Heinz Ferlesch, ein überzeugendes Ensemble von Solistinnen und Solisten und den von Benjamin Lack hervorragend einstudierten Festspielchor, wirft Stefan Ottenis Inszenierung von „Jephtha“ durch ihre Zusätze mehr Fragen auf, als sie beantwortet.
Es ist eine alte schreckliche Geschichte: Jephtha, Halbbruder des Hohepriesters und Heerführer der Israeliten im Kampf gegen die Ammoniter, hat versprochen, das erste Wesen, das ihm nach siegreicher Heimkehr entgegenkommt, Gott zu opfern. Als es seine Tochter Iphis ist, sind Entsetzen und Verwirrung groß. Ein Engel greift ein, Iphis soll Gott als Jungfrau dienen, der Chor preist Gottes Ratschluss – schließlich ist „Jephtha“ ein geistliches Oratorium.

Dirigent Heinz Ferlesch und Regisseur Stefan Otteni haben aus aufführungspraktischen Gründen rund 40 Minuten gestrichen und musikalisch gestrafft. Bühnenraum und Kostüme (Ayse Gülsüm Özel) sind überwiegend streng und dunkel gehalten, ausgenommen das Gewand von Iphis, der Engel und die blutige Rückwand in der vorletzten Szene.
Andererseits hat Otteni zwei Figuren, Maria Lisa Huber und Nico Raschner vom Ensemble des Landestheaters, als Kinder des Hohepriesters Zebul eingeführt: Sie kommentieren, mischen sich ein, rücken vor allem eine Entscheidung in den Mittelpunkt: „Muss man halten, was man Gott versprochen hat?“ Problematisch jedoch ist, dass diese eingefügten Texte entweder zu leise oder zu schnell und emotional gesprochen werden und man sie deswegen kaum versteht. Die Erscheinung des rettenden Engels wird als Theater auf dem Theater inszeniert – und damit ironisch gebrochen.

Dass Jephtha zwar von allen abgelehnt wird, sich zuletzt jedoch auf einem Podest feiern lässt, ist befremdlich. Wird der zuvor abgeschaffte Götzenkult einfach ersetzt? Beispiele gäbe es ja in der Weltpolitik. Iphis wird als hingebungsvolle, opferbereite Tochter gezeigt, während die Beziehung zu ihrem Geliebten Hamor, der mit Jephtha in den Kampf zieht, recht blass bleibt.
Starke Szenen hat Storgè, die Gattin Jephthas, wird sie doch nach seinem Schwur von Alpträumen geplagt und versucht, Iphis umzustimmen. Warum aber packt sie in der Vorbereitung zu Iphis’ Opfertod einen Koffer? Und warum beginnt Zebul im Zorn auf Jephtha, die Bühne zu putzen? Vielleicht entzieht sich ein biblisches Oratorium doch einer Interpretation auf der Opernbühne.

Händels dramatische Kunst in den Chören und Arien aber bleibt dank Heinz Ferlesch, seiner reichen Erfahrung in plastisch gestalteter Barockmusik und Chorarbeit mit dem Symphonieorchester Vorarlberg und dem spielfreudigen Festspielchor unbenommen.
Die Solisten sind Tenor Michael Feyfar als Jephtha mit seinen großen Gewissenskonflikten, Thomas Stimmel als mahnend zorniger Hohepriester Zebul und James Hall mit seinem warmen und geschmeidigen Contratenor als Hamor. Große Gestaltungskraft mit flammenden Koloraturen und großem Ambitus hat Annelie Sophie Müller als Storgè, Elisabeth Wimmer gibt sich ihrer Iphis mit etwas abgedunkelt kehliger Stimme hin, Veronika Vetter hat einen kurzen Auftritt als Engel.
Erkrankungen und Umbesetzungen
Nach den Worten von Intendantin Stephanie Gräve über die vielen Erkrankungen unter den Technikern oder den zahlreichen Umbesetzungen im Orchester kann man sich nur wundern, dass die Premiere überhaupt stattfinden konnte und hoffen, dass die Sängerinnen und Sänger verschont bleiben! Acht weitere Aufführungen sind geplant.
Katharina von Glasenapp
Weitere Aufführungstermine unter www.landestheater.org