Was die EU im Ländle besprochen hat

EK/APA/Groder(6)
Vertreter aus Politik und Finanzwelt trafen sich in Schwarzenberg.
Wenn zwei EU-Kommissare, eine Ministerin, Noten- und andere Banker, Analysten, Mitglieder des Europäischen Parlaments, Vertreter der Zivilgesellschaft, Journalisten, Studenten, Juristen und weitere Experten zu einer Tagung nach Vorarlberg kommen, würde man sich mehr Aufmerksamkeit erwarten, als sie ein Treffen am vergangenen Wochenende erhielt.
Die Beteiligten des „Schwarzenberg Retreat“ trafen sich auf Einladung der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich zu einem informellen Austausch unter der Maßgabe, dass niemandem danach öffentlich konkrete Aussagen zugeschrieben werden dürfen. Die Berichterstattung erfolgt daher ohne Namensnennung.

Grünes Geld?
Die Veranstaltung widmete sich dem Thema „Green Finance“ und der Ökologisierung der Finanzwirtschaft, und war von einem Spannungsverhältnis zwischen einer gewissen Aufbruchstimmung aufgrund der an Fahr gewinnenden Energiewende und Befürchtungen in Folge aktueller Entwicklungen getragen.
Merklichen Dissens gab es in der Frage der sogenannten EU-Taxonomie. Diese regelt, welche Energieformen auf dem Weg zur Klimaneutralität von der Kommission als unterstützenswert eingeschätzt werden. Die Einrechnung von Gas und Kernenergie haben hier zu Kritik geführt, die auch in Schwarzenberg erneut laut wurde. Befürworter der Regelung sprachen hingegen von einer pragmatischen Lösung und einem Übergangsmechanismus. Andere äußerten Befürchtungen, dadurch könne sich die Energietransformation verzögern.

Die Rolle der Banken
Eine lebhafte Debatte entspann sich auch um die Rolle der Zentralbanken und die Frage, ob das Engagement der EZB im Klimawandel einen angemessenen Platz einnimmt. Auch rechtliche Aspekte des Klimawandels und die ökologische Bewertung von Unternehmen wurden diskutiert.
Green Bonds, also klima- und umweltfreundliche Finanzanlagen, seien bereits sehr gefragt, betonten die anwesenden Finanzexperten. Bemängelt wurde hingegen die mangelnde Planbarkeit aufgrund zu kurzer Förderintervalle und die Schwierigkeit, die Klimaneutralität von Finanzprodukten einheitlich zu bewerten. Es gebe Telefonanbieter die als umweltfreundlich gehandelt würden, weil durch ihre Unternehmenstätigkeit Homeoffice möglich und die Zahl der Pendler reduziert werde, merkte ein Teilnehmer kritisch an.

Angst vor dem Gasausfall
Weitgehend einig war man sich, dass die Gefahr eines russischen Gaslieferstopps im Winter sehr real ist. Der russische Einmarsch in der Ukraine habe eine Zeitenwende ausgelöst, erklärte eine Teilnehmerin. Der Wechsel zu erneuerbaren Energien aus Wind- und Solarenergie sei unaufhaltsam: „Österreich wird am Ende des Jahrzehnts anders aussehen.“
Man sei nun mit einem Gaspreisschock konfrontiert hieß es weiter. Man hätte die Umrüstung der Volkswirtschaft auf alternative Energien wesentlich früher angehen müssen, so ein Diskussionsbeitrag, habe aber darin versagt, harte Entscheidungen zu treffen.
Ein weiterer Diskutant merkte an, dass laut Energiewirtschaft 85.000 Arbeitskräfte allein in Österreich fehlen würden, um die Energiewende zu bewerkstelligen und sich die zunehmend schwierige Situation am Fachkräftemarkt auch hier auswirke.
Europa in Bedrängnis
Dass selbst die Deutschen nun auf europäische Solidarität drängten, solle man nicht mit Triumphalismus beobachten, erklärte ein Teilnehmer, sondern mit Sorge. Deutschland hatte in vergangenen Krisen bei europäischen Lösungen stets gezögert. Nun greife auch dort die Angst vor einem Gaslieferstopp um sich. Man werde im heurigen Winter vielleicht kein solches Seminar wie jenes in Schwarzenberg mehr abhalten können, „weil man alle Hände voll zu tun haben wird.“
Offen angesprochen wurden auch die fehlenden Mittel für die Energietransformation: Von den 350 Milliarden Euro, die man in der Union jährlich dafür brauche, sei vielleicht die Hälfte da und der Gasausstieg bis 2027 werde noch einmal 300 Milliarden im Jahr kosten. Die EU müsse außerdem daran denken, dass sie die Anleihen, die sie für ihren Aufbauplan zur Bewältigung der Corona-Pandemie aufnehmen dürfe, eines Tages auch zurückzahlen müsse.
Bedenken für den Winter
Unter den Teilnehmern wurden auch Befürchtungen geäußert, wie die Bevölkerung auf Gasengpässe im Winter reagieren werde und was dies für den Krieg in der Ukraine bedeute. Es gab Bedenken, dass der Druck auf eine Einigung mit Russland zulasten der Ukraine steigen könnte, dies aber gleichzeitig die Abhängigkeit Europas vom russischen Gas und Putins Einfluss zementieren sowie den Ausstieg aus fossilen Energieträgern bremsen würde.
Man müsse die Frage stellen, was es für die Europäische Union langfristig bedeuten würde, wenn sie die Ukraine zur Aufgabe im Krieg drängte, so einer der Teilnehmer. Es gilt nun, der Bevölkerung klar zu machen, dass energiepolitisch kein Weg zurück führt.
Der Autor nahm auf Einladung der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich teil.