Am Sonntag steh ich Schlange

Heidi Salmhofer mit ihrer Sonntags-Kolumne in der Neue am Sonntag.
Wie alle in Österreich wahlberechtigten Personen hab auch ich eine hochoffizielle, amtliche Wahlinformation zugeschickt bekommen. Mit dieser wird einem auch gleichzeitig die Möglichkeit offeriert, seine Stimme per Wahlkarte abzuschicken. Immer wieder liebäugle ich mit dieser Idee, um sie dann aber wieder beiseite zu schieben. Ich brauch den Gang zur Wahlurne am Sonntag. Ich!
Die Heidi, die sich, wenn nur irgend möglich, sonntags gerne noch einmal die Decke über den Kopf zieht, wenn der Biorhythmus sie um 7:30 Uhr weckt. Genau diese Heidi steht an einem Wahlsonntag geschniegelt und gestriegelt Schlange und wartet geduldig auf den Eintritt in die Wahlkabine. Ich bin mit der Erkenntnis großgezogen worden und in die Erwachsenenwelt eingetreten, dass die Chance, seine eigene Meinung mittels Stimmabgabe kundzutun, ein hohes und zu würdigendes Gut ist. Und nur dann, wenn wir dieses Gut hegen und pflegen, besteht die Gefahr, dieses wieder zu verlieren, viel weniger. Ich zelebriere diesen Schatz, indem ich mir die Zeit nehme, zum Wahllokal zu spazieren und dabei noch einmal nachzudenken über die eigene Entscheidung und ob diese für unsere demokratische Gesellschaft dann auch wirklich die beste ist.
Bei dieser Bundespräsidentenwahl hat mich eines ein wenig verwirrt, das hohe allgemeine Ärgernis über die Kandidaten und ob denn nun „jeder“ Bundespräsident werden könne, der genug Unterstützungsstimmen sammelt. Ja! Weil, juhuuu, das ist Demokratie. Und jetzt sind wir an der Reihe aus all diesen denjenigen auszuwählen, dem wir am ehesten die ihm offerierten Aufgaben zutrauen. So ist das. Und ich bin froh darum. Meine Kids können bei einer Klassensprecherwahl auch nur auf jene zurückgreifen, die sich haben aufstellen lassen. Und wenn’s der eine Junge ist, dem es eigentlich nur darum geht, ein paar Mädchen zu imponieren und die andere Kandidatin die lauteste in der Klasse ist (wie ich anno dazumal zum Beispiel), dann muss man eventuell einfach auch die richtigen Fragen stellen. Vielleicht stellt sich der kleine Macho als äußerst guter Mediator zwischen Lehrer und Schüler heraus und die freche Nudel als jene, die sich kein Blatt vor dem Mund nimmt und Probleme anspricht. Ich habe zugehört, was für Fragen gestellt und welche Antworten gegeben wurden, trinke nun einen Kaffee, hüpfe unter die Dusche und gehe dann geföhnt und frisiert erhobenen Hauptes mein Kreuzerl machen. Direkt. Vor Ort. In der Kabine. Ich wünsche einen schönen Wahlsonntag!
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.