Nebulöse Vorgänge bei Bertsch Energy

Zahlreiche Fragezeichen gibt es rund um Insolvenz von Bertsch Energy.
Rund um den vom Kraftwerksanlagenbauer Bertsch Energy selbst angekündigten, angeblich bevorstehenden Insolvenzantrag am Landesgericht Feldkirch sind nach wie vor viele Fragen offen. Bis Montagnachmittag wurde jedenfalls bislang noch kein Insolvenzverfahren eröffnet. Bertsch Energy hat diesen Schritt am 30. November 2022 im Rahmen einer Betriebsversammlung und in einem Exklusiv-Interview mit den Vorarlberger Nachrichten (VN) angekündigt. Bertsch Energy gehört zur Bludenzer Firmengruppe Bertsch.
Jahresabschlüsse fehlen
Aber auch so stochern Gläubiger und Belegschaft von Bertsch Energy noch im Nebel. Ein Blick in das Firmenbuch zeigt, dass die in wirtschaftliche Schieflage geratene Bertsch Energy GmbH & Co KG zuletzt für das Geschäftsjahr 2018 einen Jahresabschluss veröffentlicht hat. Die Jahresabschlüsse für 2019 und 2020 fehlen, so wie auch der Abschluss für das Jahr 2021, wobei diese Frist für die Veröffentlichung genau genommen noch bis Ende Dezember 2022 läuft. Die Nicht-Einreichung von Jahresabschlüssen zur Veröffentlichung im Firmenbuch wird mit Zwangsstrafen geahndet, was von Bertsch Energy offensichtlich seit Jahren bewusst in Kauf genommen wird.
Noch keine Löhne und Gehälter für November
Wie die Wirtschaftspresseagentur.com jetzt aus dem Umfeld des Unternehmens erfahren hat, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bertsch Energy noch keine Löhne und Gehälter für den Monat November bekommen. Das gilt auch für die Zahlung des Weihnachtsgeldes, das mit den November-Bezügen ausbezahlt wird. Josef Rützler, Betriebsratsobmann bei der Firmengruppe Bertsch, bestätigte auf wpa-Anfrage die ausstehenden November-Bezüge und das bislang noch nicht ausbezahlte Weihnachtsgeld. „Das ist eine unserer großen Sorgen. Wir hoffen, dass es hier bald eine Lösung gibt.“ Denn solange offiziell kein Insolvenzverfahren eröffnet ist, kann auch der Insolvenzentgeltfonds für die Belegschaft nicht tätig werden und keine Lohn- und Gehaltszahlungen übernehmen.
Darüber hinaus ist aus dem Unternehmensumfeld zu erfahren, dass Bertsch Energy in der jüngeren Vergangenheit mit zumindest vier möglichen Investoren verhandelt hat, die aus der Kraftwerks- und Energiebranche beziehungsweise aus Finanzkreisen gekommen sind. Allerdings hätten alle vier aus welchem Grund auch immer abgesagt beziehungsweise sei man sich nicht einig geworden.
Positive Darstellung
Schenkt man den Angaben von Bertsch Energy-Geschäftsführer Thomas Smetana und jenen von Bertsch Holding-Geschäftsführer Hubert Bertsch im VN-Bericht Glauben, so steht das Unternehmen derzeit eigentlich gar nicht so schlecht da. Man sei voll beschäftigt beziehungsweise seien die Auftragsbücher voll, man habe 2022 im operativen Geschäft den Turnaround geschafft und verfüge über höchst qualifizierte 156 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Verbindlichkeiten und Risiken seien „deutlich vermindert“ worden. Zudem stehe angesichts der Energiewende eigentlich eine gute Zeit für einen Kraftwerksbauer an.
Frage nach möglichem “Pferdefuß”
Warum dann also gleich vier mögliche Investoren zumindest bislang keinen Einstieg wagen, bleibt ein Rätsel. Von der wpa befragte Investmentexperten sind der Ansicht, dass möglicherweise hohe finanzielle Altlasten in Millionenhöhe der „Pferdefuß“ bei der der Bertsch Energy GmbH & Co KG sein könnten. Die nicht veröffentlichten Jahresabschlüsse machen eine konkrete Einschätzung deutlich schwerer. Öffentlichkeit und Gläubiger sind allein auf die Firmenangaben und extern erkennbare Vorgänge angewiesen, wie etwa den Verkauf der millionenschweren Bertsch-Betriebsliegenschaft in Nüziders im heurigen Jahr.
Presseinformation in zwei Wochen
Das Unternehmen Bertsch Energy trägt selbst derzeit jedenfalls wenig dazu bei, diese Fragen zu klären. Weder Thomas Smetana noch Hubert Bertsch wollten gegenüber der wpa die Frage beantworten, warum so lange keine Jahresabschlüsse veröffentlicht werden und ob es stimmt, dass die Belegschaft keine Löhne und Gehälter für November bekommen habe. Hubert Bertsch sagte lediglich, dass es in rund zwei Wochen eine weitere Presseinformation geben soll.
Erinnerungen an Erne Fittings
Die Vorgänge bei Bertsch Energy erinnern an den Übernahme- und Sanierungspoker bei Erne Fittings im Spätherbst 2016, auch wenn alles reiner Zufall sein kann. Kurz vor Weihnachten 2016 stand die Fortführung von Erne Fittings nach der Übernahme durch den Unternehmer Stephan Zöchling bekanntlich Spitz auf Knopf und eine Insolvenz im Raum. Damals kam es durch die neuen Eigentümer zum öffentlichen Bashing jener Banken, die einer angebotenen Lösung zuerst nicht zustimmen wollten. Der damalige CEO bei Erne hieß Thomas Smetana.
Auch im aktuellen VN-Bericht zu Bertsch Energy steht zu lesen, dass die „Kunden und die Banken mit im Boot sein müssen“ für eine Fortführungslösung (Hubert Bertsch) und dass der Einstieg des Investors „völlig überraschend an einer Uneinigkeit über die Risikoverteilung zwischen Banken und Investor gescheitert sei“ (Thomas Smetana). Der mögliche „Schwarze Peter“ wird offenbar schon einmal ins Spiel gebracht. Banken können dieser Art des öffentlichen Angriffs aufgrund des Bankgeheimnisses wenig bis gar nichts entgegensetzen, es bleibt allein bei der Darstellung des angeblichen Sachverhaltes durch das Unternehmen.
Günther Bitschnau/wpa