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„Der Bund muss sich hier bewegen“

07.01.2023 • 21:28 Uhr
Landespolizeidirektor Ludescher möchte noch „einige Projekte erledigen“, bevor er in Pension geht.<br><span class="copyright">Hartinger</span>
Landespolizeidirektor Ludescher möchte noch „einige Projekte erledigen“, bevor er in Pension geht.
Hartinger

Landespolizeidirektor Hans-Peter Ludescher über die schwierige Personalsituation und zur Cyberkriminalität..

Was macht einen guten Polizisten aus?
Hans-Peter Ludescher:
Eine gute Polizistin, ein guter Polizist hat gern mit Menschen zu tun. Der Beruf hat sich deutlich geändert. Als ich meinen Polizeidienst begann, stand das Militärische mehr im Vordergrund. Es ging darum, Recht und Ordnung durchzusetzen. Heutzutage musst du sehr viele Bereiche abdecken, vom Sozialarbeiter bis zum – überspitzt formuliert – Elitepolizisten. Wir müssen sehr flexibel sein und rasche Entscheidungen treffen – auch dann, wenn noch nicht alle Fakten am Tisch liegen. Das ist eine große Herausforderung. Die Kolleginnen und Kollegen haben es auch zunehmend mit Grenzgängern zu tun. Da geht es nicht nur um Alkohol und Drogen, sondern auch um Querdenker.

Zur Person

Hans-Peter Ludescher

Geboren: 27. Juli 1961 in Dornbirn

Ausbildung und Berufslaufbahn: Eintritt in die Bundesgendarmerie im Jahr 1979, anschließend Beamter beim Gendarmerieposten Bregenz, Autobahngendarmerie und Verkehrsabteilung Salzburg, daneben Studium der Rechtswissenschaften, ab 1990 Sicherheitsdirektion Vorarlberg, zunächst Stellvertreter, ab 2009 an der Spitze, seit 2012 Landespolizeidirektor

Familienstand: Verheiratet, ein Sohn, zwei Töchter

Hobbys: Radfahren, Wandern, Enkel

Würden Sie den Polizeiberuf heute wieder ergreifen?
Ludescher:
Ich möchte vorausschicken, dass die Berufswahl eher eine pragmatische Entscheidung war, weil ich mich nach der Matura noch nicht auf ein Studium festlegen wollte. Der Vater meines besten Freundes war Postenkommandant. Er war ausschlaggebend dafür, dass wir die Aufnahmeprüfung gemacht haben. Ich würde sagen, dass ich mit der Zeit hineingewachsen bin. Mit den Erfahrungen, die ich gemacht habe, würde ich auf jeden Fall wieder zur Polizei gehen. Ich habe es noch keinen Moment lang bereut. Der Polizeiberuf ist sehr vielseitig. In meiner Funktion als Polizeimanager habe ich für bestmögliche Arbeitsbedingungen zu sorgen.

Die Coronapandemie ist so gut wie vorbei, wo liegen aktuell die Herausforderungen für die Polizei?
Ludescher:
Die Covid-Krise hat uns natürlich sehr gefordert. In der Zeit kam einiges an Aufgaben dazu. Da einige Routinetätigkeiten etwas zurückgingen, hatten wir die Ressourcen für die verschiedenen Pandemiekontrollen. So haben wir die Pandemiezeit gut gemeistert. Aber das war nicht von vorne­herein absehbar. Jetzt stehen wieder die eigentlichen Polizeiaufgaben im Vordergrund.

Was beschäftigt die Polizei derzeit?
Ludescher:
Im sicherheitspolizeilichen Bereich beschäftigt uns etwa der Umstand, dass wir zwei Fußballmannschaften in der Bundesliga haben. Dadurch kommen jetzt öfter Fangruppen ins Land, die mitunter schwierig zu händeln sind. Der Aufwand hat hier deutlich zugenommen. Die Gewaltkriminalität ist ebenfalls im Steigen begriffen.

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HArtinger

Eine der größten Herausforderungen für die Polizei dürfte die Lösung des Personalproblems sein, nicht?
Ludescher:
Wir hatten noch nie so viel Planstellen wie jetzt. Die letzten paar Jahre konnten und durften wir deutlich mehr Schüler aufnehmen als die Jahre zuvor. Allerdings ist der Andrang zuletzt geringer geworden. Hinzu kommt, dass die Babyboomer in Pension gehen. Nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes und in der Privatwirtschaft. In beinahe allen Branchen wird Personal gesucht. Leider haben uns letztes Jahr überdurchschnittlich viele Kolleginnen und Kollegen verlassen. Der Bund ist gefordert, den Polizeibediensteten die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu bieten. In einem Randgebiet im Osten Österreichs kann man mit dem Gehalt gut leben, aber bei unseren Lebenshaltungskos­ten und Grundstückspreisen ist das eher schwierig.

Braucht es Ihrer Meinung nach eine Besoldungsreform, die weggeht von einem rein zulagenlas­tigen System?
Ludescher:
Wie bereits erwähnt, bin ich der Meinung, dass sich der Bund hier bewegen muss. Wir müssen wettbewerbsfähig bleiben. Eine entsprechende Entlohnung der Polizeiarbeit ist eine Grundvoraussetzung. Wir sind und bleiben aber eine Einsatzorganisation. Die Wünsche nach Freizeit und Planbarkeit können nicht im Vordergrund stehen, müssen aber Berücksichtigung finden.

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Hartinger

Welche Goodies kann die Polizei bieten?
Ludescher:
Wir haben unter anderem eine sehr gute Infrastruktur, einen modernen Fuhrpark und eine funktionelle Uniformierung und Ausrüstung, Dienstsportstunden oder durchgehende Arbeitszeit – bei uns muss niemand ausstempeln, wenn er Pause macht. Aus- und Weiterbildungen finden bei uns ebenfalls in der Dienstzeit statt.

Wie viele Stunden arbeitet ein Exekutivbeamter?
Ludescher:
Unsere Kollegen machen 168 Stunden plus 28 Stunden Journaldienst im Monat. Das ist in der heutigen Zeit schwierig zu bewerben. Die Problematik ist im Innenministerium bekannt. Ich bin zuversichtlich, dass unser neuer Bundespolizeidirektor in diese Richtung etwas bewegen wird.

In welche Richtung könnte es hier gehen?
Ludescher:
Im Einkommensbereich könnte ich mir für Polizeibedienstete eine Ballungsraumzulage vorstellen. Damit könnten die höheren Lebenshaltungskosten abgeglichen werden. Schließlich ist das Thema Sicherheit wichtig für alle. Wir haben eine gut ausgebildete Polizei, die auch entsprechend entlohnt werden soll.

Landespolizeidirektor Ludescher im NEUE-Gespräch. <span class="copyright">Hartinger</span>
Landespolizeidirektor Ludescher im NEUE-Gespräch. Hartinger

Es gibt auch eine Abwanderung zu den Gemeindesicherheitswachen. Sind diese Fluch und Segen zugleich?
Ludescher:
Es ist uns sehr recht, dass sich Gemeinden Sicherheitswachen leisten, weil sie uns damit unterstützen. Wir sind auch dankbar, wenn die Gemeinden die Beamten selbst rekrutieren und ausbilden. Die größeren Wachen machen das auch. Bei den kleineren ist das allerdings nicht der Fall, die sparen sich die Ausbildungskosten und suchen Polizisten mit Berufserfahrung. Da kann es vorkommen, dass unsere Bediensteten wechseln.

Wie entwickelt sich die Cyberkriminalität? Man hört hier von einer regelrechten Anzeigenflut.
Ludescher:
Dieser Bereich hat seit Corona immens zugenommen, was man an der Anzeigenhäufigkeit bemerkt.Von Wirtschaftsbetrug bis zu Sextortion (Anm.: Betrugsmasche, bei der Internetnutzer von Unbekannten dazu aufgefordert werden, in Videochats nackt zu posieren oder sexuelle Handlungen an sich selbst vorzunehmen. Die Betrüger zeichnen ­dies heimlich auf und versuchen dann, vom Opfer Geld zu erpressen.) Neben der schwierigen Aufklärung solcher Straftaten haben wir das Problem, dass hier offenbar die Präventionsarbeit nur schwer greift. Wir kommen kaum an die potenziellen Opfer heran.

Sie werden heuer 62 Jahre alt. Wie lange werden Sie noch Landespolizeidirektor sein?
Ludescher:
Ich könnte theoretisch im Juli 2023 in Pension gehen. Ich habe mich aber noch nicht entschieden. Ich möchte auf jeden Fall noch gewisse Projekte so erledigen, dass ich zufrieden in Pension gehen kann.

Die da wären?
Ludescher:
Wir erfüllen Aufgaben, deren Notwendigkeit wir mit den jeweiligen Auftraggebern abklären werden. Ich denke da beispielsweise an Botendienste für andere Behörden. Aber es geht auch um organisatorische Belange. Etwa um die Frage, ob die Kleinstrukturiertheit der Polizeiinspektionen im Land noch zeitgemäß ist. Ich denke, es braucht größere Einheiten, die den Mitarbeitern und den Postenkommandanten mehr Freiheiten bieten. Ich möchte hier aber gleich dazusagen, dass es keine Dienststellenschließung geben wird.

Hand aufs Herz. Sind Sie selbst schon einmal in Konflikt mit der Polizei geraten? Zu schnell gefahren, Parkstrafe?
Ludescher
: Ich bin ja ein gesetztreuer Mensch und habe das Glück gehabt, nicht erwischt worden zu sein, wenn ich es einmal – aus welchen Gründen auch immer – nicht war (lacht). Nein, ich versuche, das möglichst zu verhindern. Die unangenehme Situation, ihren eigenen Chef beanstanden zu müssen, möchte ich meinen Mitarbeitern ersparen – und mir die Peinlichkeit.