Künstlerische Visualisierung von Strom

Elektrischer Strom ist seit Jahren ein zentrales „Material“ im künstlerischen Werk von Judith Fegerl. Ab morgen auch in ihrer Ausstellung „on/“ im Kunstraum Dornbirn zu sehen.
Für den Raum entwickelt und im Raum erstmalig zusammengebaut wurde die Ausstellung der 1977 in Wien geborenen und heute dort lebenden Künstlerin Judith Fegerl, wie Kunstraumkurator Thomas Häusle erklärt. Ersteres ist vermutlich auch ein Grund dafür, dass einem die kleineren Objekte an der Wand beim ersten Blick in die ehemalige Montagehalle in Dornbirn gar nicht wirklich auffallen – zu stimmig fügen sie sich in das Innenleben der alten Fabrikshalle ein.

Fegerl, die in Wien unter anderem bei Peter Weibel, Peter Kogler und Birgit Jürgenssen studiert hat, arbeitet seit vielen Jahren mit Strom. „Ihre Werke werden mit Strom betrieben oder damit erzeugt“, so der Kurator. Ein Material, das durch die seit einiger Zeit laufenden Energiedebatten enorme Aktualität erlangt hat. Strom fließt in den Arbeiten der Künstlerin, und darauf bezieht sich wohl auch der Titel der Schau: „on/“.

Stahlstelen
Fegerls im Kunstraum gezeigtes Hauptwerk, das auch gleichzeitig die Blicke auf sich zieht, heißt „moment“ und besteht aus fünf, jeweils drei Meter hohen Stahlstelen. Die fünf schief im Raum stehenden Objekte sind genau genommen Stahlrohre, die jeweils in zwei Teile geteilt sind, die wiederum durch einen Elektromagneten zusammengehalten werden. Wenn die Energiezufuhr unterbrochen wird, dann fällt das obere Teil runter – im konkreten Fall allerdings nicht ganz, weil die Elemente an im Kunstraum befindlichen Kränen befestigt sind.
„Damit wird diese Energieform, Strom, visualisiert“, sagt Häusle und „die Abhängigkeit davon“, fügt er hinzu. Um diese Abhängigkeit zumindest im konkreten Fall zu mindern, wurde an der Fassade des Kunstraums eine rund 40 Quadratmeter große Fotovoltaikanlage installiert. Deren „Innenleben“ (Wechselrichter, Kabel, Batterie) ist im Kunstraum zu sehen – ebenso wie der Hintergrund der Panele. Ganz energieautark ist die Ausstellungssituation dennoch nicht – dies sei im Februar mit „vernünftigen Dimensionen nicht darstellbar“, so Häusle.

Dynamische Skulptur
„profound understanding“ nennt Fegerl eine weitere Arbeit, bei der ein Elektromagnet über einem Haufen von Eisenspänen hängt. Durch einen Bewegungsmelder sinkt dieser ab, nimmt einen Teil des Eisengranulats auf und lässt es dann in einer gewissen Höhe wieder fallen. Auch bei dieser Arbeit wird Strom sichtbar gemacht. Für die Künstlerin ist bei ihrem Werk spannend, dass Skulptur nichts Statisches ist – wie es allgemein der Fall ist. „Es ist eine dynamische Skulptur und immer anders“, so Fegerl.
Aus einer Serie stammt ein im heurigen Jänner entstandenes Bild mit dem Titel „long hours“, das an der hinteren Wand des Kunstraums hängt. Die Edelstahlplatte wurde von der Künstlerin tagelang mit einem Galvanikbad „verkupfert“, wobei dieser Prozess in gewisser Weise dem Zufall überlassen wurde. Entstanden ist eine äußerst malerisch wirkende Arbeit, die zum Schluss lackiert wurde.

„Historische“ Panele
„Historische“ Fotovoltaik- und Solarpanele hat Fegerl an einer anderen Wand zu einem großen collagen- und reliefartigen Bild mit dem Titel „last light“ zusammengestellt. Die ältesten stammen aus den 1970er-Jahren, erzählt sie. Die Oberflächen haben ihre ganz eigene, spannende Ästhetik, und sie würden noch Strom produzieren – der allerdings nicht genutzt wird. Noch nicht wirklich wiederverwertet können auch bestimmte Teile der alten Panele werden, etwa Silicium, so Fegerl.
Strom ist auch das „Werkzeug“ für eine weitere Arbeit, die in der Schau zu sehen ist. „capture“ ist der Titel der kleinen Wandskulptur. Als Artist in Residence 2019 am AIT – Austrian Institute of Technology – konnte die Künstlerin im High-Energy-Labor arbeiten. In ein Sandbett hat sie dabei einen starken Stromschlag einfließen lassen. Die dadurch entstehende Hitze ließ den Quarz im Sand schmelzen und längliche Glasskulpturen entstehen.
„Extrem fragile“ (Fegerl) Objekte, die sie dann in Kunstharz eingegossen hat. „Sie schauen wie ein Naturobjekt aus“, sagt die Künstlerin, „wie ein Ast oder ein Blutgefäß.“

20 Jahre später
Judith Fegerls Ausstellung im Kunstraum Dornbirn trifft nicht nur einen Nerv der Zeit – für die Künstlerin selbst ist es auch eine Art Kreis, der sich schließt, wenn man so will. Vor 20 Jahren war sie zum ersten Mal im Kunstraum Dornbirn – bei einer Ausstellung von Flatz. Sie ist damals auch in die Rappenlochschlucht gegangen und hat das dortige kleine Kraftwerk gesehen. Jetzt im Kunstraum auszustellen, sei ein „wahr gewordener Traum“, sagt die Künstlerin.
Dabei war es ihr auch wichtig, auf die Geschichte des Raums einzugehen, der ja ursprünglich eine Montagehalle war, in der Turbinen für die ersten Wasserkraftwerke gebaut wurden. So sei es kein Zufall, dass die Stahlstelen an den Kränen hängen, die schon im Raum sind, und es sei auch durchaus denkbar, das sie an die Rohre in der Rappenlochschlucht erinnern könnten, sagt Fegerl dann noch mit einem Grinsen.
Vernissage „on/“ von Judith Fegerl: heute, Donnerstag, 19 Uhr. Bis 18. Juni. Täglich 10–18 Uhr. https://www.kunstraumdornbirn.at