Zwischenbilanz nach einem Jahr des Krieges

Bis zu 2500 Geflüchtete aus der Ukraine waren in Vorarlberg in der Grundversorgung.
Eine Zwischenbilanz über die Situation der Kriegsvertriebenen in Vorarlberg haben die Verantwortlichen des Landes am Donnerstag anlässlich des heutigen Jahrestags des russischen Angriffs auf die Ukraine gegeben. Landeshauptmann Markus Wallner, Landesrat Christian Gantner (beide ÖVP) und Caritas-Direktor Walter Schmolly richteten bei der Pressekonferenz im ehemaligen Gasthof „Krone“ in Nüziders ihren Blick aber auch teilweise in die Zukunft.
“Brutaler Angriffskrieg”
Auch nach einem Jahr dürfe man sich an die Bilder aus dem Kriegsgebiet nicht gewöhnen, betonte der Landeshauptmann. Schließlich handle es sich um einen „brutalen Angriffskrieg“ Russlands, bei dem die Menschenrechte mit Füßen getreten würden und – wie jüngste Berichte zeigten – sogar Kinder verschleppt würden. Durch den Angriff sei viel Leid entstanden. In Vorarlberg sei jedoch auch große Hilfsbereitschaft aufgekommen, meinte Wallner.

Die Fluchtbewegung aus der Ukraine sei nicht mit jenen aus der Vergangenheit wie etwa im Jahr 2015 zu vergleichen, sagte Landesrat Gantner. Man sei mit einer schnelleren Dynamik und mit einer stärkeren Intensität konfrontiert gewesen. Ebenso seien kurz nach Beginn des russischen Angriffs 96 Prozent der Vertriebenen aus der Ukraine Frauen und Kinder gewesen. Knapp drei Viertel fanden Unterschlupf in Privatquartieren. Es sei darum gegangen, den Betroffenen ein Zur-Ruhe-Kommen zu ermöglichen.
2267 Menschen aus der Ukraine in Vorarlberg gemeldet
In ersten Schätzungen sei man davon ausgegangen, dass bis zu 5000 Kriegsflüchtlinge in Vorarlberg versorgt werden müssen, berichtete der Landeshauptmann. Schlussendlich sei die Zahl jedoch deutlich niedriger gewesen. Der Höchstwert sei im August 2022 erreicht worden, als etwa 2500 Personen aus der Ukraine in Vorarlberg in der Grundversorgung waren. Derzeit seien 2267 Menschen aus der Ukraine im Ländle gemeldet und in 78 Gemeinden untergebracht, sagte Landesrat Gantner. Man setze dabei vor allem auf Klein- und Kleinstquartiere. Mittlerweile seien 80 Prozent der Betroffenen in insgesamt 228 organisierten Quartieren untergebracht. Daneben gebe es noch 597 Privatquartiere. Derzeit kämen nur noch vereinzelt Geflüchtete aus der Ukraine nach Vorarlberg.
Flüchtlingsheim in früherem Gasthof
Der frühere Gasthof „Krone“, wo derzeit etwa 20 Kriegsflüchtlinge leben, ist der Gemeinde von den Besitzern des Gebäudes als Unterkunft zur Verfügung gestellt worden, berichtete der Nüziger Bürgermeister Peter Neier. Bei der Zuteilung der Flüchtlinge sei auch berücksichtigt worden, welche Kapazitäten in den örtlichen Schulen und im Kindergarten vorhanden waren. Die Schaffung der Unterkunft sei zwar herausfordernd, aber durchaus zu bewältigen gewesen, zog das Gemeindeoberhaupt Bilanz. Man habe im Ort ein großes Netzwerk an ehrenamtlichen Helfern. Im vergangenen Advent habe es auch einen Begegnungsnachmittag in der Unterkunft gegeben.
Ein wichtiges Thema sei die Frage der Integration, auch wenn ein Großteil der Vertriebenen wieder in ihr Heimatland zurückkehren wolle, meinte Caritas-Direktor Schmolly. Da niemand wisse, wie lange der Krieg noch dauere, müsse den Betroffenen jedoch eine Perspektive geboten werden. Dies gelte auch bezüglich der noch bis März 2024 gültigen Aufenthaltstitel. Man könne nicht jahrelang „im Wartesaal des Lebens“ verbringen, sagte Schmolly.

Dementsprechend gebe es auch Integrationsangebote für die Vertriebenen.
Die Bemühungen sind laut Wallner und Gantner durchaus von Erfolg gekrönt. So hätten mittlerweile 826 Personen eine Beschäftigungsbewilligung erhalten. Weitere 302 Menschen seien beim AMS vorgemerkt. Diese Zahlen sei angesichts des hohen Anteils an Frauen und Kindern sowie älteren Menschen unter den Geflüchteten ein Erfolg. Schließlich besuchten auch noch 344 Kinder und Jugendliche eine Schule. Etwa 200 Geflüchtete seien derzeit auch in einem geförderten Deutschkurs.
Spendenbereitschaft
In Vorarlberg sei jedoch nicht nur die Solidarität mit den Geflüchteten groß, sondern es gebe auch eine hohe Spendenbereitschaft, sagten die beiden Regierungsmitglieder. 2,15 Millionen Euro seien über die Aktion „Vorarlberg hilft“ eingegangen. Damit würden seitens des Landes vor allem Projekte der Caritas und des Roten Kreuz unterstützt, sagte der Landeshauptmann.
“Ein Stück weit kindliche Normalität”
Seitens der Caritas gebe es beispielsweise ein Hilfsprojekt im ukrainischen Lemberg, wo für 4000 Menschen die Pflege gesichert werde, berichtete Schmolly. Ebenso sei man in Moldawien tätig, wo in Flüchtlingszentren „kinderfreundliche Räume“ geschaffen werden, um den Heranwachsenden bei der Verarbeitung ihrer Erlebnisse zu helfen und ihnen „ein Stück weit kindliche Normalität“ zu geben.