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Wie man bei extremer Hitze lebt

19.03.2023 • 16:58 Uhr
Der Ort Birdsville im heißen Zentrum Australiens
Der Ort Birdsville im heißen Zentrum Australiens Michael Adams, Griffith University

Bereits letzte Woche kam es zu Rekordhitze in Spanien und Trockenheit in weiten Teilen Europas.

“Birdsville wurde am Montag zum heißesten Ort der Welt gekürt”, lautete eine Schlagzeile im Februar 2018. “Birdsville bricht den Rekord für die meisten Tage in Folge mit über 45 Grad”, lautete eine andere im Januar 2019. Auch am Freitag kletterte das Thermometer auf 42 Grad – nach Birdsville-Standards ein eher lauer Herbsttag. Birdsville, eine 110-Seelengemeinde mitten im australischen Outback, unweit der Grenze zwischen Südaustralien und Queensland, ist einer der heißesten Orte der Erde.

Leben mit Extremen

Die Menschen in Birdsville leben seit jeher mit Extremen. In dem kleinen Ort, der über 1500 Kilometer von Brisbane und fast 2000 Kilometer von Sydney entfernt liegt, können die Sommertemperaturen durchaus 50 Grad erreichen. Noch hört sich das für viele unvorstellbar an, doch dies sind Temperaturen, mit denen sich immer mehr Menschen in Folge des Klimawandels zumindest an einigen Tagen des Jahres auseinandersetzen werden müssen.

Extreme Hitze tötet mehr Menschen als Klimakatastrophen

Bereits 2017 warnte eine Studie der Australischen Nationaluniversität in Canberra, dass die australischen Großstädte Melbourne und Sydney schon 2040 50 Grad heiße Sommer erleben könnten. Das Klimamodell der Forscher sagte Tagestemperaturen für die Millionenstädte voraus, die bis zu 3,8 Grad über den derzeitigen Rekorden liegen. Und das selbst, wenn das Klimaabkommen von Paris eingehalten wird. Schon heute tötet extreme Hitze mehr Menschen als andere vom Klimawandel angefachte Naturkatastrophen. 2021 kam eine auf 20 Jahre angelegte Analyse bereits zu dem Schluss, dass mehr als fünf Millionen Menschen jedes Jahr weltweit an übermäßig heißen oder kalten Bedingungen sterben. Zudem stellten die Forscher fest, dass hitzebedingte Todesfälle zunehmen. Die Veröffentlichung der Studie im Fachmagazin “Lancet Planetary Health” löste eine Diskussion über bessere Isolierung von Wohnungen und mehr solarbetriebene Klimaanlagen aus.

Vorbild Birdsville

Trotzdem haben sich die wenigsten Menschen bisher damit auseinandergesetzt, wie wir uns alle am besten an die veränderten Bedingungen durch den Klimawandel anpassen. Vorbild können dabei die Menschen an Orten wie dem australischen Birdsville sein. Denn sie leben seit jeher das extreme Szenario, das uns anderen in den kommenden Jahren bevorstehen könnte. In Birdsville ist es im Sommer so heiß, dass der Ort tagsüber zur Geisterstadt wird. Keine Menschenseele traut sich ins Freie, rund die Hälfte der 110 Einwohner kehrt dem Ort in den Sommermonaten zwischen Dezember und März sogar den Rücken und zieht in kühlere Gefilde. Wer ausharrt, geht in eine Art “Winterschlaf” – nur flüchtet er nicht vor der Kälte, sondern vor den brütend heißen Temperaturen des Sommers.

Wenn der Teer an den Schuhen festklebt

Während die meisten Menschen zu dieser Zeit nicht freiwillig nach Birdsville reisen, hat sich die Menschenrechtsanwältin Susan Harris Rimmer in diesem Februar bewusst auf den Weg an einen der heißesten Orte der Welt gemacht. Rimmer leitet das Climate Justice Observatory, eine Organisation, die Strategien entwickelt, um sicherzustellen, dass Menschen am Rande der Gesellschaft nicht die Hauptlast des Klimawandels tragen müssen. Die Professorin, die auch an der australischen Griffith University lehrt, wollte in Gesprächen mit den Einheimischen herausfinden, wie diese im Alltag mit den extremen Temperaturen umgehen. Denn dies sei schwer nachvollziehbar, wenn man nicht persönlich dort gewesen sei, meinte sie.

Leitungswasser beginnt zu köcheln

In Birdsville wird es so heiß, dass der Teer anfängt zu schmelzen und an den Schuhen klebt und das Leitungswasser zu köcheln beginnt. “In ländlichen Gebieten wie Birdsville ist die Sommerhitze unerbittlich”, sagte Rimmer. Und weiter: “Wir wissen, dass die Auswirkungen von Hitze tödlich sein können.” Die Ungewissheit, die der Klimawandel mit sich bringe, mache einen Austausch von Erfahrungen, Wissen und Anpassung erforderlich, so die Professorin. Und die Menschen in Birdsville wüssten sehr genau, wie ihr Körper auf extreme Hitze reagiere. Laut Rimmer haben sie innovative Methoden und Gewohnheiten gefunden, um sich zu schützen – ein Wissen, das für die Anpassung an heiße Bedingungen essenziell ist.

Den Tag nachts beginnen

Bei der Forschungsreise der Professorin kam heraus, dass die meisten Menschen in Birdsville und vor allem diejenigen, die im Freien arbeiten, im Sommer extrem früh aufstehen. Joseph Szczepina, einer der Einwohner in Birdsville, startet den Tag beispielsweise um vier Uhr morgens. In diesen frühen Morgenstunden versucht er, ein karges Stück Land am Stadtrand in einen Bio-Olivenhain umzuwandeln. Bereits um neun Uhr morgens wird es dann zu heiß und er zieht sich nach drinnen zurück, um andere Arbeiten zu erledigen – den nächsten Tag vorzubereiten oder etwas zu organisieren.

Der größten Hitze fernzubleiben, das ist nicht nur für den Menschen wichtig: Peter Nunn und Fiona Loudon-Shand, die Australiens zweitgrößte Rinderstation Clifton Hills mit 18.000 Rindern in der Region betreiben, berichteten der australischen Ausgabe des “Guardian” beispielsweise, dass das Vieh in der Sommerhitze nicht bewegt und damit angestrengt werden dürfe. Musterungen und andere Arbeiten könnten deswegen nur in den kühleren Monaten stattfinden. Auch viele der Landarbeiter müssten sich dann anpassen und über die Sommermonate einen anderen Job finden, bevor sie in den kühleren Monaten zurückkehren könnten.

Und auch die indigenen Menschen Australiens, die Aboriginal People, haben über die Jahrtausende gelernt, mit den Extremtemperaturen im Inneren des Landes umzugehen. Auch sie starten den Tag meist mitten in der Nacht, um der glühenden Mittagshitze zu entgehen. Während des Tages kühlen sie sich mit Schwimmen oder unter einem sogenannten Poonga-Poonga ab, einer temporären Struktur aus feuchten Blättern. Angelehnt an diese Ideen besteht auch der Kinderspielplatz in Birdsville beispielsweise aus einer Reihe an Wasserspielen, die Gerätschaften und Boden kühl halten.

Wie man bei extremer Hitze lebt
Der Kinderspielplatz in Birdsville besteht beispielsweise aus einer Reihe an Wasserspielen, die Gerätschaften und Boden kühl haltenSonstiges

Aus diesen cleveren Ideen kann laut Rimmer viel Inspiration gewonnen werden, damit sich auch die Menschen in den großen Städten besser an das vom Klimawandel geprägte Leben anpassen können. Beispielsweise könnten längere Sommerferien die Norm werden und Arbeits- wie auch Schulzeiten könnten im Sommer angepasst werden.